Medizinalhanfpatient-Phil-(01)

Ein Cannabispatient in „Good Old Germany“

Phil kommt ursprünglich aus den USA, wohnt aber seit einer ganzen Weile in Deutschland. Er leidet schon seit vielen Jahren an einer seltenen Magenkrebsart, die ihm die Nahrungsaufnahme extrem erschwert. In seiner Heimat wohnt er mittlerweile in einem der 23 Bundesstaaten, die medizinisches Cannabis legalisiert haben, weshalb er dort über eine ärztliche Empfehlung für medizinisches Cannabis verfügt. Doch auch das ist in den USA teuer, und so baut Phil seine Medizinalhanfblüten in den Weiten des Wilden Westens unter Sonnenlicht an, wenn er sich gerade in den USA aufhält. Seine Abstecher über den Großen Teich sind in den vergangenen Jahren jedoch immer seltener geworden, denn er braucht neben seiner Gartenmedizin auch schulmedizinische Betreuung. Die wiederum ist in den USA teuer für einen Menschen mit geringem Einkommen. Phil ist mittlerweile fast 60 und hatte bereits einen guten Teil seines kleinen Vermögens für Ärzte ausgegeben, bis das Geld immer knapper wurde.

Während eines Deutschlandbesuchs vor vielen Jahren musste Phil aufgrund seiner Krankheit ein paar Tage ins Krankenhaus und lernte so die Vorzüge  des deutschen gegenüber dem US-amerikanischen Gesundheitssystem kennen. Zwar sind die Leistungen, die man als normaler Kassenpatient erhält, nicht mehr so üppig wie einst, allerdings werden hierzulande, anders als in den Staaten, wenigstens noch die Grundbedürfnisse von Krebspatienten ohne dickes Portemonnaie erfüllt.

Also entschied sich Phil vor ein paar Jahren, nach Deutschland zu ziehen, weil er sich die Krankenversicherung hier leisten konnte. Allerdings hatte er nicht bedacht, dass es in Deutschland mit seiner Medizin aus dem Garten schwieriger würde als zu Hause. Der viele Jahre praktizierte Outdoor-Anbau kam mit einer großstädtischen Mietwohnung nicht mehr infrage, auch weil die Strafen für ein paar Outdoor-Damen hier, verglichen mit denen in seiner Heimat, immens hoch sind. Hierzu muss angemerkt werden, dass Phil in einem Bundesstaat lebt, in dem Patienten noch nicht selbst anpflanzen dürfen, es aber niemanden mehr interessiert, wenn irgendwo in der Prärie ein paar Graspflanzen stehen. Der Verfolgungsdruck hat nachgelassen, die Preise sind gefallen. Phil meint, ein Kilo gutes Outdoor koste nicht mal mehr 1.000 Dollar. Kurzum: Die Re-Legalisierung in Colorado und Washington State hat auch dort ihre Auswirkungen, wo Gras noch nicht ganz legal ist.

Seine neue Heimat Deutschland dagegen verharrt noch in einer cannabinoiden Steinzeit, was dem Patienten aus den USA erst richtig klar wurde, als er sich bereits hier niedergelassen hatte. Klar, etwas zu kiffen zu bekommen, ist in einigen Gegenden nicht viel problematischer als in den USA, aber Cannabispatienten werden von den meisten Medizinern immer noch fast wie Aussätzige angeschaut, eine legale Versorgungsmöglichkeit ist teurer als in den USA und nicht gerade einfach zu bekommen. Auch Phil ging es nicht anders, als er zum ersten Mal beim Arzt nach Cannabis fragte, obwohl der es als Krebsmediziner besser hätte wissen können. Damit war Phils schulmedizinische Versorgung zwar viel besser als in seiner ehemaligen Heimat, die begleitende Gras-Therapie allerdings stark gefährdet. Anfangs konnte sich Phil noch eine Weile mit Gras vom Schwarzmarkt versorgen, doch die 10 Euro pro Gramm waren auf Dauer so teuer, dass er sich nach einer Weile seine Kräutermedizin nur noch in Ausnahmefällen leisten konnte. Das hatte wiederum zur Folge, dass die Nebenwirkungen der Medikamente zunahmen, Phil zunehmend unter Appetitlosigkeit litt und als Folge viel Gewicht verlor. Phil entschied sich daraufhin, dem Dilemma ein illegalisiertes Ende zu setzen. Hatte er sich seine Blüten in der alten Heimat noch halblegal draußen ergärtnert, sollte es in seinem neuen Domizil ein Indoor-Garten werden, wie ihn Phil bislang nur aus Büchern kannte. Natürlich hatte er von Anfang an ziemliche Angst aufzufliegen, denn bei einem Nicht-EU-Ausländer können auch die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis unter dem verbotenen Treiben leiden. Deshalb musste die Box so leise wie nur eben möglich sein und auch die Geruchsneutralisierung sollte auf keinen Fall gespart werden, kurzum: Phil wollte seine Hardware nur vom Feinsten: Über die Software, also die Sorte, deren Anschaffung zweifelsohne der schwierigere Part seines Vorhabens war, wollte er sich während Kauf und Einrichtung der Hardware Gedanken machen. Dieser sehr optimistische Zeitplan sollte sein Vorhaben dann um einige Wochen verzögern, stand doch die Box schon gute 14 Tage, bevor die ersten Pflanzen das künstliche Sonnenlicht erblicken konnten.