Cannabis-Therapie-(01)

Auf Umwegen zur passenden Therapie

Andreas*, der HIV-Patient, den ich schon mehrmals interviewt habe, hatte bei unserem letzten Gespräch Besuch. Rafael* nahm rege an unserem Erfahrungsaustausch über Grow-Techniken Teil und schien aus eigener Erfahrung zu plaudern. Da ich immer auf der Suche nach begeisterten Kleingärtnern bin, habe ich Rafael gefragt, ob er mir nicht irgendwann einmal seine Buds präsentieren will. Nach einigem Zögern hat er eingewilligt, schließlich sei er nicht so gut wie sein Lehrmeister Andreas, der ihm das Growen von der Pike auf beigebracht habe.

Gegen Andreas Buds seien seine „kleine Leuchten“, auch wenn es mit der Zeit besser geworden sei. Ein halbes Jahr später ist es dann trotz Rafaels Bescheidenheit so weit. Der Mittvierziger empfängt mich in seiner kleinen zwei Zimmer Wohnung, von der er das kleine, ca. acht Quadratmeter große Zimmer zum Growraum mit zwei 400 Watt Leuchten umfunktioniert hat. Bevor es in den kleinen Raum geht, möchte Rafael, der, wie ich jetzt erst erfahre, sein Gras aus medizinischen Gründen anbaut, einen rauchen. Außerdem möchte er etwas tun, wozu wir beim ersten Gespräch nicht gekommen sind. Bevor es ans Eingemachte geht, will er den Lesern seinen ungewöhnlichen Weg zu seiner Medizin von Anfang an schildern – denn der ist äußerst interessant und ziemlich ungewöhnlich.

„Ich bin gebürtiger Spanier, war in meiner Jugend sehr neugierig, wollte die Welt sehen. Mit 17 ging ich nach Thailand, mit 18 nach Indien, dann war ich noch eine Weile in Marokko. Danach war der Nahe Osten dran, zumindest was davon möglich war. Afghanistan stand damals kurz vor der Machtergreifung durch die Taliban und Reisen war schwierig, aber durchaus machbar. Mit 22 hatte ich dann in Afghanistan einen schweren Motorradunfall, an dessen Folgen ich heute noch leide. Du siehst ja, dass ich ein wenig hinke. Ich wurde erst im Krankenhaus in Kabul – und auch in der darauffolgenden Zeit – eigentlich ganz gut behandelt. Gegen die starken Schmerzen, die seit dem Unfall chronisch sind, bekam ich im Krankenhaus Opiate. Nach dem Unfall hätte ich eigentlich eine Reha gebraucht, aber ich wollte noch eine Weile im Norden des Landes bleiben und mit dem überall erhältlichen Opium waren die Nachwirkungen des Unfalls ganz erträglich. Du musst wissen, dass Opium in Afghanistan sehr verbreitet und vor allem billig ist. Wenn der Fuß zu weh tat, schluckte ich eben ein Kügelchen Opium, so wie es viele Schmerzpatienten dort tun. Auch andere illegale Drogen sind in Afghanistan weit verbreitet, es wird gekifft und gespritzt wie in kaum einem anderen Land der Welt. Trotz drakonischer Strafen für Handel gibt es eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber den illegalen Drogen. Anders als Alkohol, sind Cannabis oder Opium bei vielen moderaten Muslimen dort auch nicht „Haram“, also unrein. Kabul ist in Sachen Heroin sogar eine Ecke krasser als meine neue Heimat Berlin. Als ich 23 wurde, war ich aufgrund meiner chronischen Schmerzen im Bein bereits abhängig von Opiaten. Aber nicht so, wie ein Straßen-Junkie in Deutschland, ich litt eben unter Schmerzmittelabhängigkeit. Als ich 24 war, entschloss ich mich, nach Europa zurückzukehren. Meine Wahl fiel, wie sollte es in den 90er Jahren auch anders sein, auf Berlin. Ich kam im November 1997 in Tegel an und vorerst bei einem Freund aus Madrid unter. Als mein bisschen mitgebrachtes Opium dann am dritten Tag alle war, habe ich meinen ersten Opiat-Entzug erlebt.

Zum Junkie herabgewürdigt

Also bin ich zum nächstbesten Arzt und habe ihm meine Situation erklärt. Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen, der Arzt weder Englisch noch Spanisch. So hat er mich wohl für einen Junkie gehalten und mich zu einem Substitutionsarzt überwiesen. Bevor ich richtig wusste, wie mir geschehen ist, hatte ich ein Methadon-Rezept in der Hand und kurz darauf einen Becher mit einem Methadon-Orangensaft-Mix vor mir. Frischlinge bekommen in einer Substitutionspraxis noch keine „Take home“-Dosis, aber ich war froh, dass der kleine Becher meine Entzugserscheinungen verschwinden ließ. Gegen die chronischen Schmerzen hat mir der Doc dann herkömmliche Schmerzmittel mitgegeben. Ein paar Wochen später war ich nicht mehr auf Opium, sondern auf Methadon und Schmerzmitteln. Die Kombi ließ mich die neue Umgebung zwar ertragen, aber eigentlich ging es mir beschissen. Bei der Methadon-Ausgabe habe ich natürlich auch viele Heroin-User kennengelernt. Das Methadon half nicht gegen die Schmerzen und von den Schmerzmitteln hatte ich auf Dauer Bauchweh und Durchfall bekommen.
Da war der Schritt, Heroin zu rauchen, eigentlich logisch.

Nach einem Jahr in Deutschland hatte ich eine Wohnung über das Sozialamt, wenig Deutschkenntnisse und aufgrund meines Heroin-Beikonsums Stress im Substitutionsprogramm. Ich war fast schon untergegangen, bevor ich richtig angekommen war. Das Problem war, dass die Mischung aus Methadon, Schmerzmitteln und ab und zu einem Blech Heroin viel ungesünder als meine tägliche Opiumkugel in Afghanistan war. Ich flog jahraus jahrein abwechselnd mal aus dem Methadon-Programm oder aus meiner Wohnung und hätte ohne Hilfe wohl nicht mehr allzu lange gelebt.

Als ich mal wieder total ausgekotzt aussah, hat mich ein älterer Ex-User aus dem Programm angesprochen. Andreas hat mich direkt ins Gesicht gefragt, ob ich vorhabe, mich demnächst umzubringen oder noch ein bisschen leben wolle. Wenn ja, könnte er mir vielleicht helfen. Zuerst habe ich Andreas für einen altklugen Ex-Junkie gehalten, der mir ein paar Benzos oder Rohypnols verticken will. Aber Andreas hat immer nur seine Take-Home Ration Methadon genommen und ziemlich viel Gras gebraucht. Mit Tabletten, „H“ oder anderem Dreck hatte er schon lange nichts mehr im Sinn. Er hatte als ehemaliger Straßenjunkie sein Leben in geregelte Bahnen gelenkt. Aber wohl erst, nachdem er sich mit AIDS infiziert hatte, wie ich später erfahren sollte.

Kiffen war reine Nebensache

Gekifft hatte ich selbst immer nur so nebenbei, auf meinen Reisen war mir das nicht wichtig. Später, auf Heroin oder Opium, war mir der Flash ehrlich gesagt zu deftig – zu teuer. In Deutschland hätte ich mir regelmäßiges Kiffen auch gar nicht leisten können, deshalb war Gras früher für mich eine von vielen Drogen, mit denen ich nicht allzu viel anfangen konnte. Ich stand auf Opiate, so wie Andreas früher. Als bei Andreas HIV diagnostiziert wurde, hatte er beschlossen, kein Heroin mehr zu nehmen und sich auch aus der Szene komplett zurückzuziehen. Cannabis hat ihm sowohl geholfen, die damals noch ziemlich unverträglichen HIV-Medikamente zu vertragen, als auch die „Druckgeilheit“ zu überwinden. Nachdem wir uns besser kennengelernt hatten, wollte ich testen, ob das bei mir auch klappen könnte.

Meine ersten Besuche bei Andreas habe ich im Nachhinein ziemlich verschwommen in Erinnerung. Meine mangelnde Toleranz und sein starkes Gras haben mich die ersten Male richtig geplättet, nachdem ich nach der Methadon-Ausgabe zum Kiffen bei Andreas vorbeigeschaut habe. Ich denke, er hat sein Gras damals schon selbst angebaut, denn auf seinem Tisch stand immer ein volles Glas mit Gras. Irgendwann hatte ich mich an den Rhythmus „Methadon abholen – bei Andreas Gras rauchen – den Tag richtig starten – Gras rauchen – gewöhnt. Damit ich nicht auf andere, dümmere Gedanken komme, hat mir Andreas jeden Tag eine Blüte in die Hand gedrückt, die mir für zwei oder drei Joints gereicht hat. Nach ein paar Wochen war ich auch nicht mehr so verpeilt vom Kiffen und eigentlich ganz gut in einen Heroin- und Szenefreien Alltag eingegroovt. Nach einer Weile habe ich mir auch immer wieder mal Gras auf dem Schwarzmarkt gekauft, ohne „H“ konnte ich mir das am Monatsanfang sogar ab und zu leisten. Trotzdem war ich meist von Andreas‘ Großzügigkeit abhängig, denn 40-50 Gramm Gras, die ich im Monat brauchte, hätte ich mir damals gar nicht leisten können. Verkaufen oder anbauen wollte ich erst recht nicht, weil ich zu der Zeit noch ständig Stress wegen einer Wohnung hatte. Ein weiterer, sehr positiver Nebeneffekt war die schmerzlindernde Wirkung meines Cannabis-Dauerkonsums. Die Schmerzen im Fuß sind zwar noch da, aber sie sind irgendwie in Watte verpackt, stören kaum noch. Anders als beim Opium fühle ich mich mit Cannabis nicht betäubt, zudem hat es, anders als meine anderen Schmerzmittel, kaum Nebenwirkungen. Die Schmerzen sind gedämpft, aber mein Kopf ist klar. Leider habe ich es trotz Cannabis bis heute nicht geschafft, ganz vom Methadon wegzukommen. Der Entzug ist heftiger als beim Opium. Im Gegensatz zum Opium habe ich es nie nehmen wollen. Ich denke, vom Opium alleine wäre ich längst weg. Ich versuche gerade zum x-ten Mal, das Methadon langsam auszuschleichen und bin jetzt bei einem Zehntel meiner ursprünglichen Dosis angelangt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wir sind dann recht schnell gute Freunde geworden, ich habe durch die langen Gespräche mit Andreas erst richtig Deutsch gelernt, außerdem hat er mich bei Amtsgängen unterstützt, bis ich die Möglichkeit hatte, meinen Schulabschluss nachzuholen. Nach zwei Jahren konnte ich ganz manierlich Deutsch, hatte einen gültigen Hauptschulabschluss und Aussicht auf einen Job. Als ich zum ersten Mal seit Jahren wieder gearbeitet habe, musste ich Andreas endlich sagen, wie peinlich es mir ist, über so lange Zeit hinweg sein Gras zu rauchen, ohne dass ich selbst etwas dafür mache oder ihm Geld, das ich sowieso nicht hätte, anbiete. Andreas hat mich beiseite genommen, seine Growbox geöffnet und mir erklärt, was ich zukünftig tun müsste, um für ein paar Euro Stromkosten mein eigener Mini-Pharmakonzern zu werden. Wenn das geklappt hat, könne ich ich mich gerne mal mit einem „Dankeschön“ in Form getrockneter Buds erkenntlich zeigen.

White Widow in der Besenkammer

Als ich diese Wohnung hier angesehen habe, habe ich den kleinen Raum sofort ins Auge gefasst, von dem der Vormieter meinte, es sei eine bessere Besenkammer. Also genau das, was ich brauchte. Andreas hatte mir im Laufe der Zeit ein paar Grundlagen erklärt und ich habe mich im Internet ein wenig schlau gemacht und mir ein gutes Growbuch gekauft. Als es so weit war, haben wir uns zu zweit auf den Weg in den Growshop begeben. Da habe ich dann knapp 2.000 Euro in zwei Lampen und allerlei Zubehör investiert, das ich mit Andreas in meiner überdimensionierten Besenkammer aufgebaut habe. Ich hatte mich vorher nicht mal ordentlich um meine Zimmerpalme gekümmert und so sahen – trotz intensiver theoretischer Vorbereitung und gutem Equipment – die ersten drei Durchgänge nicht mal annähernd so toll wie in der kleinen Box meines Freundes aus. Aber es war genug für mich, auch wenn man aus zwei „400ern“ durchaus mehr rausbekommen darf als den eigenen Bedarf von 50 Gramm im Monat. Doch seitdem wird es besser und dieses Mal habe ich mir wirklich Mühe gegeben sowie hoffentlich auch aus meinen eigenen Fehlern gelernt. Ich finde, es sieht ganz gut aus. Schließlich möchte ich Andreas auch mal etwas von der Medizin zurückgeben, mit der er mir lange umsonst geholfen und es möglich gemacht hat, dass ich nach jahrelanger Odyssee endlich wieder Boden unter den Füßen habe.“

Nachdem Rafael vorsorglich die Vorhänge am Küchenfenster zugezogen hat, öffnet er die Tür zum 8m² großen „Besenschrank“. Mein Gastgeber beleuchtet hier ungefähr 30 White Widow und Jack Herer Pflanzen mit einem digitalen 400-Watt-System auf Super-Lumen-Stufe, über dem je ein Adjust-a-Wings Reflektor hängt. Weil er schon genug mit seinem ersten SetUp und der Installation der Abluft (800 m³/h) und des Aktivkohlefilters (1.000 m³/h) zu tun hatte, hatten sich Andreas und er entschieden, es bei der Wahl des Mediums einfach zu halten und sich für vorgedüngte Erde entschieden. Die soll laut Herstellerangabe Nährstoffe für ungefähr drei bis vier Wochen enthalten. Als Töpfe dienen 11-Liter Teku-Container, die auf Ebbe-Flut Tischen stehen. Der Bio-Dünger kommt aufgrund der nährstoffreichen Erde erst ab der vierten Woche zum Einsatz. Last but not least stehen am Rand der Anbautische noch vier Ventilatoren, die für die notwendige Luftumwälzung im Pflanzenbereich sorgen.

Rafael hatte beide Sorten als gut vorgewachsene Stecklinge von Andreas, der neben seiner Blühbox eine eigene Mutterkammer pflegt, bekommen. Die waren bereits über 20 Zentimeter groß, als der Medizinal-Gärtner sie erhalten hatte. So mussten sie nur noch drei Tage bei 18 Stunden Licht wachsen, bevor ihr neuer Besitzer sie bei einer Höhe von 25 Zentimetern auf den 12/12 Stunden Blüte-Rhythmus umstellen konnte.

Ab jetzt auch mit Wuchsleuchtmittel

In den letzten Durchgängen hatte Rafael in den ersten beiden Wochen auf ein spezielles Wuchsleuchtmittel verzichtet und auch für die vegetative Phase sowie die erste Blütewoche ein Natrium-Dampfleuchtmittel benutzt, wodurch die Pflanzen relativ große Abstände zwischen den Blüteansätzen entwickelten. Um schöne, dicke Topbuds zu bekommen, hat er sich dieses Mal an die Tipps seines „Schlauen Buchs“ gehalten und die vegetative Phase und die ersten beiden Blütewochen mit einem neu erstandenen Metall-Halogen-Leuchtmittel bestritten, bevor das Blüteleuchtmittel zum Einsatz kommt. Um den Platz – und somit das Licht – wirklich optimal auszunutzen, hat der ehemalige Globetrotter zum ersten Mal auch die unteren Triebe, die später sowieso kein Licht mehr abkriegen, in der vegetativen Phase entfernt.

Nach erfolgreicher Wuchsphase entwickelten sich die ungefähr drei Dutzend White Widow und Jack Herer prächtig. Ab Ende der dritten Blütewoche fängt Rafael vorsichtig an, beim Gießen der Pflanzen Biodünger und Blütestimulator hinzuzufügen. Bis dahin hatte er alle drei bis vier Tage mit einfachem Leitungswasser gegossen, wobei er den pH-Wert auf Andreas Anraten hin seit Kurzem auf 6,0 senkte. Der Verkäufer meinte, man brauche auf Erde keinen pH-Wert zu messen, doch nach den ersten drei Durchgängen hört Rafael diesmal lieber auf den Rat seines alten Freundes, auch wenn das mehr Aufwand bedeutet. Nach Zugabe des Blütedüngers haben die Blüten dann noch einmal an Volumen zugelegt und sind im oberen Teil zu kompakten Topbuds zusammengewachsen. Bei der Dosierung des Düngers hat sich der Heimgärtner an die Herstellerangaben gehalten, weil Andreas ihm erklärt hat, bei Bio-Düngung könne man den EC-Wert ohnehin nicht genau bestimmen. Da Rafael relativ hartes Leitungswassers hat, rundet er die vorgegebene Menge aus Vorsicht nach unten ab. Bereits in der fünften Blütewoche müssen die Hälfte der Pflanzen aufgrund ihrer schweren Tops mithilfe von Bambusstöcken gestützt werden. Um die Wurzeln nicht zu beschädigen, schiebt Rafael die Stöcke ganz vorsichtig am Rand in die Töpfe. Besser wäre hier ein Pflanzennetz gewesen, das den gleichen Effekt hat, ohne die Wurzeln zu beschädigen. Ganz Schlaue, die die Stöcke von Anfang an in die Töpfe stecken, vergessen dabei, dass die Lampe bei Stöcken von einem Meter Höhe in der vegetativen Phase nicht dicht genug über die Pflanzen gehängt werden kann.

In der sechsten Blütewoche aktiviert Rafael die „Super-Lumen“-Stufe, die noch einmal zehn Prozent mehr Leistung aus dem Vorschaltgerät holt, um die Harzproduktion am Ende der Blüte zu optimieren. Das Gras am Stock fängt jetzt auch an, sein narkotisches Aroma zu verströmen, sobald man die Besenkammer betritt. Deshalb nutzt Rafael ab jetzt bis zum Ende des Trockenvorgangs außer dem AKF auch Geruchsneutralisatoren. Gut zehn Tage vor der Ernte wird es Zeit, den Dünger abzusetzen und nur noch mit klarem Wasser zu spülen. Als ich meinen Gastgeber auf die Färbung der Trichome anspreche, erklärt er mir, dass er sich eher an Andreas Angabe zur Sorte und den Härchen orientiere. Nach knappen zehn Tagen ohne Düngergabe sind die großen Blätter schon gelblich verfärbt und die ersten Hanfdamen bereit zur Ernte. Rafael braucht fast eine ganze Woche, um die Ernte einzufahren – zuerst die White Widow, drei Tage später die Jack Herer. Getrocknet wird dann kopfüber im jetzt dunklen Zimmer, wobei die Lüftung während des gesamten Trockenvorgangs läuft. Auf diese Art konnte Rafael schon 100 Tage nach der Entscheidung, seine Medizin selbst anzubauen, auf erste Ergebnisse verweisen – und seitdem wird es immer besser. Qualität und Aroma sind, wovon ich mich zum Abschluss meiner Hanf-Visite selbst noch überzeugen darf, hervorragend.

Fazit

Auch Rafaels vierter Versuch lässt sicher noch ein wenig Luft nach oben. Aber er hat jetzt erstmal so viel Medizin, dass er die nächsten drei Monate gut über die Runden kommen wird und es reicht erstmals, um Andreas endlich mal ordentlich „Danke“ zu sagen. Sein substituierender Arzt unterstützt die Selbsttherapie aufgrund der positiven Ergebnisse mittlerweile sogar, allerdings nur moralisch. Bei einem Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung möchte er den Heimgärtner aus Not nicht begleiten, weil man als Substitutionsarzt sowieso schon genug Probleme innerhalb der Ärzteschaft und der Politik habe.

„Sei‘s drum. Ich bin auf jeden Fall viel schlauer und zufriedener als noch vor drei Jahren, habe ein paar Fehler gemacht und bin für die Zukunft besser gerüstet denn je, auch ohne den Schein von der Bundesopiumstelle. Denn ich könnte mir das Gras aus der Apotheke weder leisten, noch dürfte ich selbst anbauen. Jetzt zahle ich für Strom, die Samen, die Erde und ein wenig Dünger alle zwölf Wochen knapp 400 Euro, damit es mir physisch und psychisch gut geht. Dafür bekäme ich mit einem Schein nicht mal meinen Monatsbedarf von circa 50 Gramm. Mir wäre es viel wichtiger, dass endlich der Eigenanbau legalisiert würde. Damit wäre viel mehr Menschen geholfen als mit dem komplizierten Gesetz, an dem nun schon Jahre gebastelt wird.“
Rafael schließt die Tür zur Kammer und wir setzen unsere Unterhaltung bei einer White-Widow-Tüte in der Küche fort. Die meiste Zeit geht es nicht um seinen Grow, sondern den Rest der Geschichte, der mich wirklich mitgenommen hat. Ich möchte wissen, ob Rafael schon mal überlegt hat, einfach nach Spanien zurückzugehen, wo der Anbau von ein paar Pflanzen im Garten geduldet ist. „Ich habe sogar schon daran gedacht, in meinem Heimatdorf einen Cannabis Social Club zu gründen, meine Mama schaut gerade nach den richtigen Räumlichkeiten, meine Schwester ist Anwältin und kümmert sich um den Rest.“ Ich staune mit offenem Mund, danach verabschiede ich mich. Ich denke auf dem Heimweg daran, dass Rafael seinen stabilen Zustand nicht unserem Gesundheitssystem oder gar der aktuellen Drogengesetzgebung, sondern einem alten Indoor-Freak zu verdanken hat. Hut ab, Andreas.