Unterwegs (55)_UTILIZAR

Unterwegs im Nichts – Zustandsmanagement zwischen Oregon und Arizona

Was ist das erste Bild, das du sofort zu Amerika im Kopf hast: Wolkenkratzer, große Autos, legal kiffen, grüne Dollarscheine, Präsidenten? Was verbindet jeder Einzelne mit diesem Land? Freiheit vielleicht? Den ebenso schwammigen und abgenutzten Begriff von dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“? Oder findet man dort heute noch etwas anderes? Mit meiner besten Freundin Levy düse ich in einem Stück nach Arizona, um dann gemütlich in mehreren Tagen wieder zurück zu zuckeln. Durch diese Gelegenheit komme ich auf einer Strecke von 3600 Kilometern zu einigen Antworten meiner ganz persönlichen, wesentlichen Fragen über das menschliche Sein.

Seit über zwei Monaten verlebe ich meine Zeit in Oregon. 1978 kam ich zum ersten Mal in diesen Staat, die Natur und ebenso die sehr umweltfreundliche Einstellung der Menschen gefallen mir bis heute. Diesmal schaue ich mir neue Dinge an und höre mich um, was neuzeitlich auf dem legalen Cannabismarkt so los ist. Oft renne ich deswegen von einem Vorhaben zum anderen und komme schwer zur Ruhe. Grade eben habe ich noch schnell einen Termin mit einer Frau für nächsten Monat in der Hauptstadt klargemacht, die im OLCC arbeitet (Oregon Liquor Control Commission, die die Abgabe von Alkohol und Cannabis kontrollieren) und die mir sicher ein paar neue, interessante Zahlen mehr nennen kann, als andere es können. Oregon hat alleine im vergangenen Jahr 3,48 Millionen Dollar an Steuergeldern aus 253 einzelnen Läden eingenommen! Nicht schlecht, denn Marihuana für den Freizeitgebrauch wird hier ‚dank‘ OLCC mit 25% versteuert, medizinisches Kraut hingegen nicht. Offiziell gibt es aber 309 Läden in Oregon! Was ist mit den restlichen 56 los? Haben diese Dispensaries beschlossen, nur noch unversteuertes Cannabis zu verkaufen, oder haben sie ihre Steuereinzahlungen schlicht verpennt?

Plötzlich hagelt es keine dummen Sprüche mehr, sondern es regnet richtig viel Geld! Man hört von immer mehr Menschen, die deshalb auch zu Hause anbauen wollen. „Soll ich indoor oder outdoor growen? Mit feminisierten Samen oder mit Steckis? Woher bekomme ich das beste Rezept für Cannabisöl? Wie stelle ich meine eigenen hochpotenten Tinkturen her? Wer verkauft mir gute Erde?“ Fragen über Fragen. Die Communities hier wachen langsam auf. Da werde ich später nachhaken. Der Termin beim OLCC steht ja.

Eine Nachbarin erzählte mir, dass einige Menschen in Oregon seit der Legalisierung auf der Verliererseite endeten, als sie sich für viel Geld ein Stück Land gekauft hatten, um dort Cannabis anzupflanzen. Über Nacht hat sich dann aber plötzlich der Staat eingemischt und die Zonen, in denen angebaut werden darf, einfach ungefragt verändert! Ihre Felder lagen nun plötzlich verbotenerweise in der bewohnten Zone und nicht mehr in der Zone für den legalen Anbau. Das Land wollte auch keiner mehr zurückkaufen. Pech gehabt. Ich höre gerade im Radio, dass auch Pennsylvania jetzt ein Gesetz verabschiedet hat, das Cannabis für den medizinischen Gebrauch erlaubt. Super! Kenne ich vielleicht sogar jemanden in Pennsylvania? Also weiter Fakten sammeln, Kamera startklar haben, herum düsen.