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Studien, globale Trends und die Auswirkungen von Covid-19 auf den Eigenanbau-Ein exklusives Interview mit Dr. Bernd Wese von der Uni Frankfurt

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Cannabismärkte in Deutschland, der Schweiz und auf der ganzen Welt deutlich verändert. Der Anbau von Cannabis konzentriert sich nicht mehr auf einige wenige Länder im globalen Süden, sondern es werden (infolge eines Prozesses, den Ökonomen als „Importsubstitution“ bezeichnen) erhebliche Mengen Cannabis für inländische Konsumenten in vielen Nationen mittlerweile selbst angebaut. Große Teile dieses inländischen Anbaus sind in den Händen von professionellen Kriminellen, ein beträchtlicher Teil der Nachfrage wird jedoch mittlerweile von kleinen Home-Growern gedeckt, die Cannabis in erster Linie für den Eigenbedarf und ihre sozialen Netzwerke produzieren. Somit sind viele Cannabis-Konsumierende nicht mehr vom traditionellen „Drogenhandel“ abhängig. Große Teile des Cannabismarktes haben sich “demokratisiert”.

Das „Global Cannabis Cultivation Research Consortium“ (GCCRC) wurde 2009 gegründet, um die wachsende Bedeutung des heimischen Anbaus und die damit einhergehende Entwicklung der Cannabismärkte zu beobachten. Im Jahr 2012 führte es eine Umfrage unter Home-Growern in elf Industrieländern (Australien, Österreich, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien und den USA) durch, um mehr über die Menschen herauszufinden, die in den Kleinanbau von Cannabis involviert sind: Wer sind sie und warum üben sie diese immer noch illegale Aktivität aus? 

Seit der ersten Befragung des GCCRC haben sich international einige große Veränderungen in der Cannabispolitik ergeben. Immer mehr Länder der Erde haben Cannabis in irgendeiner Form für den medizinischen Gebrauch legalisiert. In einer Reihe von Ländern wurden die Gesetze so geändert, dass der Besitz von Cannabis (und in einigen Fällen auch der Anbau für den Eigenbedarf) nicht länger eine Straftat darstellt. Noch bedeutender ist, dass Kanada, Uruguay und eine Reihe von US-Bundesstaaten regulierte Cannabismärkte eingeführt und damit sowohl den Freizeitkonsum als auch die medizinische Verwendung legalisiert haben. 

Im Jahr 2020 hat das GCCRC eine zweite internationale Befragung unter Menschen, die Cannabis anbauen, gestartet. Diesmal gleich in 18 Ländern – den ursprünglichen elf Ländern haben sich nun auch Frankreich, Georgien, Israel, Italien, Neuseeland, Portugal und Uruguay angeschlossen. Eine globale Pandemie und „Lockdowns“ in unterschiedlichem Ausmaß waren nicht Teil der GCCRC-Planungen gewesen, aber natürlich fügten die Forscher ihrem Fragebogen weitere Fragen hinzu, um herauszufinden, ob und wie die Befragten ihre Anbauaktivitäten während der Pandemie verändert haben. Da sich COVID-19 auf fast alle Lebensbereiche ausgewirkt hat, erwarteten die Drogenforscher, dass es auch Auswirkungen auf den Drogenkonsum und die Drogenmärkte hatte. Die Menschen verbrachten mehr Zeit zu Hause, soziale Interaktionen (einschließlich der Möglichkeiten, Drogen mit anderen zu konsumieren oder sich Drogen aus den üblichen Quellen zu beschaffen) waren eingeschränkt, und die nationalen und internationalen Handelsnetzwerke gestört.