Eigentlich wollte ich nie nach Mallorca reisen – zu tief saßen meine Vorurteile gegenüber der Ballermann-Insel und ihren alkoholisierten Pauschaltouristen aus der deutschen Heimat. Doch nachdem Familienmitglieder und Freunde die Insel bereist hatten und mit dem Eindruck heimkehrten, dass es da auch noch ein ganz anderes Mallorca zu entdecken gibt, flogen schließlich auch wir auf die angeblich „schönste Urlaubsinsel der Welt“. Hier sahen wir Cannabis-Samen in Hotel-Supermärkten und trafen sogar einen Auswanderer, der sich auf Mallorca eine durchaus hanfrelevante Existenz aufgebaut hat. Seit mehr als fünf Jahren betreibt ein Deutscher den mittlerweile größten Grow-Shop Mallorcas: Die „Grow-Zone“ in der Nähe des Flughafens von Palma de Mallorca. Hier trafen wir uns kurz vor der Abreise mit Rudolf, der mit „Mallorca Seeds“ auch seine eigene Samenbank betreibt und der uns eine ganze Menge zum Thema Cannabis in Spanien zu berichten wusste.
Wie verbreitet ist Cannabis deiner Meinung nach auf Mallorca?
Hier rauchen wirklich fast alle – egal aus welchen Berufs- oder Einkommensklassen. Wenn du wüsstest, was wir hier für Kunden haben: Hier kommen Anwälte, Ärzte und Lehrer ebenso vorbei, wie Kellner, Taxifahrer und Studenten. Es sind hier ganz gewöhnliche Leute, die sich eben auch ein paar Pflanzen in den Garten hinterm Haus stellen. Das ist wahrlich nichts Außergewöhnliches und wird auch nicht als unmoralisch oder asozial angesehen. Ganz im Gegenteil – es ist verbreitet und für die meisten auch ganz normal. Ein Kumpel von mir wurde mal mit etwas Gras in der Tasche von der Polizei kontrolliert und als das Tütchen zum Vorschein kam, wurde ihm nur befohlen: „Schmeiß das weg!“ und dann: „Weiterfahren!“ So war das früher – doch jetzt haben wir eine neue Regierung gekriegt und da ändert sich für die Menschen doch einiges zum Negativen. Mittlerweile nähern wir uns den Verhältnissen in anderen europäischen Ländern immer mehr an.
Konnte man denn bisher überall in Spanien bedenkenlos einen Joint rauchen?
Das war und ist nicht empfehlenswert, denn kiffen ist hier im öffentlichen Raum ganz allgemein verboten. Am Strand oder auf der Straße sollte man daher besser nicht konsumieren – zuhause in deinem Zimmerchen kannst du dagegen so viel kiffen, wie du willst. Andererseits wird es dir hier kaum passieren, dass – wenn du dann doch mal am Strand oder auf der Straße einen rauchst – irgendwelche Leute ankommen und sich beschweren bzw. sogar damit drohen, die Polizei zu rufen. Cannabis ist in Spanien eben nicht mit dem Makel der bösen, illegalen Droge behaftet, sondern gilt als ganz normales Genussmittel – zumindest ist das in großen Teilen der Bevölkerung so. Das hat allerdings mit der Gesetzeslage – und das ist ja überall das Selbe – wenig zu tun. Da klafft schon sehr lange eine große Lücke. Bezogen auf Mallorca kommt meines Erachtens auch noch ein weiterer Punkt hinzu: Dadurch, dass ein Großteil der Bevölkerung in der Tourismusbranche beschäftigt ist, sind diese Menschen auch nur maximal sieben Monate im Jahr arbeitstätig. Sie sitzen also mindestens fünf Monate zuhause rum und müssen sich irgendwie die Zeit vertreiben. Das wissen auch Politik und Polizei – und die sagen sich hinter vorgehaltener Hand: Bevor die sich mit Alkohol zuschütten und ihre Frauen und Kinder schlagen, sollen die doch lieber ganz friedlich einen durchziehen. Quasi Cannabis als Harm-Reduction…
Viele glauben, Cannabis wäre in Spanien mittlerweile fast legal – wie ist denn die rechtliche Situation zur Zeit?
Das wollte ich auch ganz genau wissen und bin daher extra nach Valencia zu der Anwältin Clara Colomer geflogen – sie gilt als Spezialistin auf dem Gebiet und ich sprach drei Stunden mit ihr und flog dann wieder zurück auf die Insel. Wie ich erfuhr, ist Cannabis auch in Spanien grundsätzlich illegal, sobald die Pflanze mehr als 0,8 Prozent THC hat. Dann wird sie automatisch als Droge angesehen und ist somit verboten. Allerdings ist dann ja die wichtige Frage, wie Zuwiderhandlungen bestraft werden. Denn obwohl besagte Pflanzen tatsächlich illegal sind, werden Cannabis-Vergehen in der Praxis kaum verfolgt – es sei denn, man versucht im großen Stil Cannabis anzubauen oder zu vertreiben. Und natürlich müssen die Behörden auch allen Anzeigen nachgehen, die aus der Bevölkerung eingehen. Aber selbst wenn hier und da mal einer wegen Cannabisanbau oder –handel geschnappt wird, dann gehen die hier häufig mit nahezu moderaten Geldstrafen davon, während man in Deutschland für vergleichbare Mengen ein paar Jahre einsitzen müsste.
Allerdings gibt es in Deutschland ja durchaus regionale Unterschiede in der praktischen Strafverfolgung von Cannabis-Delikten…
Natürlich kommt es auch in Spanien darauf an, wo du wohnst – auch hier gibt es Riesenunterschiede. Im Baskenland zum Beispiel, wo ja inzwischen auch ganz viele Samenproduzenten für die großen holländischen Samenbänke tätig sind, da ist Cannabis derzeit fast legal. Dort gibt es Cannabis-Clubs mit über Tausend Mitgliedern und deren größtes Problem ist der Transport der Pflanzen. Es gibt ja sehr viele Orte im Baskenland, wo Cannabis angebaut wird, doch die Pflanzen müssen nach der Ernte alle dahin, wo der Club sitzt. Dafür müssen sie durch öffentliches Gebiet transportiert werden und wenn dich auf so einer Fahrt die Polizei anhält, dann hast du definitiv ein Problem. Insofern ist die Gesetzeslage doch ganz schön verzwickt: Es ist einerseits legal, Cannabis anzubauen und dieses über Cannabis-Clubs abzugeben – aber fünf Kilo Gras in deinem Auto vom Anbaugebiet zum Cannabis-Club zu fahren kann böse enden.
Was müssen Cannabis-Grower in Spanien befürchten, wenn sie dann doch mal von der Polizei erwischt werden sollten?
Wenn die Polizei hier mal zufällig einen Kiffer beim Growen schnappt, dann wird erst mal festgestellt, wie viel der selber raucht. Dann wird der Konsum aufs Jahr hochgerechnet und wenn die Pflanzen in etwa seinen Eigenbedarf decken, dann kann das für den Kiffer relativ glimpflich ausgehen. Wenn du also 5 Gramm am Tag rauchst, dann sind das etwa 2 Kilo pro Jahr und dafür muss man dann schon ein paar Pflanzen hinstellen. So kann’s laufen. Aber mit derselben Menge kannst du in einer anderen spanischen Stadt auch für bis zu 3 Jahre in den Bau gehen.
Gibt es hier auch viele Guerilla-Grower, also Grower, die Cannabis irgendwo versteckt in der Wildnis anbauen?
Die gibt es auf den Balearen natürlich auch und nicht zu knapp – allerdings wird hier auch wahnsinnig viel geklaut. Im Herbst kommen immer ganze Trupps von Jugendlichen nach Mallorca, die hier nichts anderes machen, als wilde Hanfplantagen zu suchen und abzuernten. Vor denen muss man hier als Guerilla-Grower mehr Angst haben, als vor der Polizei.
Sind auf Mallorca eigentlich auch andere illegale Drogen so weit verbreitet?
Ja, du glaubst gar nicht, was hier alles an Drogen verbraucht wird – natürlich vor allem in der Sommer-Saison. Nach Cannabis sind Ecstasy und Kokain die am meisten verbreiteten illegalen Drogen – wenn du damit erwischt wirst, dann gibt es auch kein Pardon mehr. So nachsichtig die meisten Polizisten in Bezug auf Cannabis auch seien mögen – insbesondere bei Ecstasy verstehen die Behörden hier gar keinen Spaß mehr, denn diese Droge ist inzwischen auch bei den Einheimischen angekommen und wird immer populärer. Inzwischen gehen die Behörden aber rigoroser gegen die Drogenhändler vor, was wir in Bezug auf Kokain, Ecstasy usw. auch sehr gut finden.
Muss man in Spanien auch mit dem Einzug des Führerscheins rechnen, wenn man beim Autofahren unter Cannabiseinfluss ertappt wird?
Tatsächlich fangen die mittlerweile auch in Spanien schon mit ihren komischen Drogentests an – auch wenn das bisher nur ganz vereinzelt vorkommt. Wenn die das wirklich durchziehen würden, gäbe es auf der Autobahn wahrscheinlich gar keinen Verkehr mehr. Die „Drug-Wipes“ werden aber auch mehr in den Regionen Mallorcas eingesetzt, wo die Reichen wohnen und wo dann auch immer eine dementsprechend rigidere Strafverfolgungsbehörde agiert.
Weißt du, wie die Situation auf den Balearen in Bezug auf Cannabis als Medizin ist?
Ja, denn auf Mallorca gibt es ja auch schon einen Social Cannabis Club namens „C.A.R.B“ (weitere Infos zum Club gibt’s hier: http://collectiucarb.blogspot.com), den ich natürlich auch mit Material und mit meiner Arbeitskraft unterstütze. Aber das ist nicht die einzige Pro-Cannabis-Organisation auf Mallorca, es gibt da zum Beispiel auch noch einen Cannabis-Club für therapeutische Zwecke, denn tatsächlich ist Cannabis auf den Balearen als medizinische Heilpflanze mittlerweile anerkannt. Wenn du hier den richtigen Arzt findest, kannst du dir einfach ein Rezept für Cannabis ausstellen lassen und es dann auch ganz legal rauchen. Wenn du willst, darfst du dann auch ganz legal medizinisches Marihuana für den Eigenbedarf anbauen.
Mit „Mallorca Seeds“ hast du ja auch eine eigene Samenbank auf der Insel…
Das ist richtig. Wir haben reguläre, feminisierte und automatisch blühende Samen zu wirklich angemessenen Preisen im Angebot. Nähere Informationen gibt es dazu auch in deutscher Sprache auf unserer Homepage unter „www.growzone-mallorca.com“ im Bereich „Semillas“. Zurzeit führt Mallorca-Seeds 16 eigene Sorten. Die Erfahrungen, die ich dabei über die Jahre machen konnte, lassen mich im übrigen zu der festen Überzeugung kommen, dass 50 Prozent der Samenbanken bald nicht mehr existieren werden – die gehen ganz einfach kaputt. Zudem werden die ganz großen Player auch immer unverschämter – da kann es schon mal passieren, dass man zehn Samen für 140 Euro bestellt und dann merkt, dass die Keimrate der vermeintlichen Qualitätsware gegen Null geht. Da geht mir dann ganz schön der Hut hoch, denn die sitzen da immer noch hoch oben auf ihrem Ross und brauchen das Geld eigentlich auch gar nicht mehr. Aber die meisten Samenbanken mussten in 2011 ihre Preise drastisch senken – wer da nicht mitgemacht hat, der verkauft halt kaum noch was. Das ist ja auch Arbeit. Und trotzdem schießen immer noch neue Samenbänke aus dem Boden – das kann ja gar nicht gut gehen. Irgendwann explodiert das Ding.
Hast du dich mit „Mallorca Seeds“ eigentlich eher auf Indoor- oder eher auf Outdoor-Samensorten konzentriert?
Wir machen hier ja beides – es gibt Sorten, die wachsen besser draußen und manche können draußen wie drinnen angebaut werden. Meine Idee war es ja, die Indoor-Genetik so zu akklimatisieren, dass sie auch draußen gut gedeiht. Das ist natürlich ein jahrelanger Prozess – für „White Zone“ haben wir beispielsweise eine „White Widow“ mit einer „Medicine Man“, einer „Black Domina“ und einer „Warlock“ gekreuzt. Es war nicht einfach, aber schließlich ist das eine super Pflanze geworden. Überhaupt bin ich sehr experimentierfreudig. Ich suche mir eigentlich jedes Jahr ein schönes Männchen aus irgendeiner Sorte aus und kreuze es mit allen anderen Sorten – denn tatsächlich geht probieren über studieren. So bin ich immer mehr zu einem regelrechten Old-School-Fan geworden, denn irgendwie geht ja doch nichts über die alten Sorten. Das sind für mich nach wie vor die allerbesten – dagegen sind viele feminisierte Sorten gerade mal Durchschnitt. Die sehen zwar ganz toll aus, aber turnen überhaupt nicht richtig: Nach zwei Stunden bist du da schon wieder so was von unten – das ist für mich einfach kein gutes Gras.
Was ist denn für dich richtig gutes Gras?
Im Augenblick ist ja „Kush“ wieder groß in Mode aber ich halte auch das nur für eine „Modeerscheinung“. Nächstes Jahr wird etwas anderes topp sein. Letztendlich kommt es darauf an, wie die Pflanze angebaut wurde und natürlich auf den Geschmack des Einzelnen.
Sind Stecklinge in Spanien ähnlich legal wie in Österreich?
Nein, Stecklinge von THC-reichen Pflanzensorten sind verboten – aber wie schon gesagt: Wenn es für den eigenen Konsum genutzt wird, interessiert das hier keinen so richtig und so wird auf Mallorca oder auch in Katalonien durchaus auch schon mal mit Stecklingen oder Sämlingen gehandelt.
Welche Hanfsamensorten sind denn derzeit die beliebtesten?
Das hängt zunächst einmal davon ab, wie viel Ahnung der jeweilige Kunde vom growen hat. Deshalb ist ja auch die zurzeit meistverkaufte Outdoor-Sorte „Early Skunk“ – denn da kann man nicht viel falsch machen. Das ist eine ganz einfache Pflanze und nichts besonders tolles – aber jeder kann sie anbauen. Ich selbst bin ja eher ein „Haze“-Fan, aber diese Sorten lassen sich halt nicht so einfach growen. In meinen Sorten ist meistens „Afghane“, „Skunk“ und „Haze“ schon von Haus aus drin – das ist die Basis von allem. „Haze“ hat halt eine besonders gute Qualität – allerdings auch verhältnismäßig wenig Ertrag bei einer recht langen Anbauzeit. Gute „Haze“-Sorten müssen auch schon mal durch eine 20wöchige Blütephase, aber dann ist die Qualität echt sensationell. Allerdings darf man diese Pflanzen nicht zu stark düngen und muss vor allem auch auf die richtige Zusammensetzung des Düngers achten – da werden dann Sachen wie die korrekte Düngerkurve unheimlich wichtig und so etwas setzt schon gewisse Anbaukenntnisse voraus. In der Praxis existiert dazu übrigens eine ganze Menge gefährliches Halbwissen – was da manche Leute in irgendwelchen Internetforen schreiben, ist einfach nur Quatsch und amüsiert mich immer wieder aufs Neue. Denn entweder, du weißt, wie es geht, oder du weißt es nicht – aber viele, die es einfach nicht wissen, tun trotzdem so, als ob. Natürlich gibt es nicht nur den „einen“ Weg – beim Düngen muss man beispielsweise recht flexibel reagieren können. Bei den Düngeplänen der Hersteller muss man halt wissen, dass die immer von optimalen Voraussetzungen ausgehen. Das heißt: Acht Wochen Blüte. Wenn ein Strain aber länger bis zur Reife benötigt, dann muss man den Plan entsprechend anpassen. Meine erfahrenen Mitarbeiter und ich stehen unseren Kunden da aber gerne beratend zur Seite. Selbstverständlich auch in Bezug auf alle anderen Belange des Growens, wie die Sortenwahl, das Medium, Beleuchtung, Belüftung, Schädlingsbekämpfung, die Ertrags- und Qualitätssteigerung und vieles weitere mehr.
Und was sind die aktuellen Bestseller von „Mallorca Seeds“?
Die „Ballerblume 6“ ist da natürlich ganz weit vorne, weil sie ein echter Ertragsbringer ist. Auch meine „White Widow“ ist sehr beliebt, ebenso meine automatisch blühende „Auto-Zone“ – das ist eine Kreuzung aus „Auto-AK“ mit „Lowrider 2“. Inzwischen habe ich aber auch schon ein paar ganze neue Sorten entwickelt, die ich aber noch nicht geoutet habe – darunter wird sicherlich auch der eine oder andere zukünftige Bestseller sein.
Warum hast du eigentlich ausgerechnet in Spanien dein Geschäft aufgebaut? Ist es hier einfacher für Deutsche Erfolg zu haben?
Ich glaube, „einfacher“ ist das falsche Wort. Tatsache ist, dass wir eine ganz andere Arbeitseinstellung haben, als viele Spanier. Wir schauen viel eher mal ganz taktisch und praktisch in Richtung Zukunft und wie die sich für uns entwickeln könnte. Die Spanier dagegen sind derzeit eher frustriert, da alles nicht mehr so richtig läuft – da kommen aber nur die Wenigsten auf die Idee sich anzupassen bzw. zu verändern. Aber das ist hier ja ganz allgemein das Problem der Wirtschaft – da geht es fast immer nur um Besitzstandswahrung und häufig fehlen innovative Zukunftsvisionen. Dafür können die Spanier tatsächlich viel besser feiern, als die Deutschen – oder anders ausgedrückt: Vor Montag früh denkt kein Spanier an Montag früh. Auch kein Beamter. Kürzlich hatten wir wieder einen Termin mit einer Frau vom Gewerbeamt, also waren wir hier alle um 9.30 Uhr angetreten. Gegen zehn Uhr rief uns die Beamtin dann an und erklärte, sie würde es nicht vor 10.30 Uhr schaffen und ob wir den Termin nicht auf den nächsten Tag verschieben können. Und so ist das in nahezu jedem Bereich der spanischen Gesellschaft – daher sind hier mittel- und nordeuropäische Firmen auch so erfolgreich. Hier muss man ja nicht mal etwas besonderes sein, man muss nur ein paar Grundregeln wie Pünktlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit einhalten – alles Sachen, die für viele Deutsche ja selbstverständlich sind und die häufig ja auch etwas mit Respekt vor dem Anderen zu tun hat. Für Spanier ist dagegen eher so was wie die „Fiesta“ selbstverständlich, die in den heißen Sommermonaten Juli und August vielleicht noch zu rechtfertigen ist – in den anderen zehn Monaten ist sie jedoch nichts weiter als eine dämliche Mittagszwangspause, die hier aber noch so verbreitet ist, dass man sich ihr einfach anpassen muss. Am Anfang haben wir ja noch versucht, gegen den Fiesta-Strom zu schwimmen und hatten auch über die Mittagszeit auf. Das hätte ich auch gerne so weitergeführt, aber mittags kamen einfach keine Kunden – also machen nun auch wir die landestypische Siesta. Wie man sieht, haben die kulturellen Unterschiede Vor- und Nachteile. Ich denke mal, wir können noch viel voneinander lernen.
Glaubst du an die Möglichkeit einer Legalisierung von Cannabis in absehbarer Zeit?
Ich glaube nicht an eine Legalisierung von Cannabis – wohl aber an eine Normalisierung. Und auf dem Weg sind wir ja bereits. Schließlich zahlen wir Steuern – die können ja nicht einerseits mein Geld nehmen und mir andererseits die Polizei auf den Hals schicken. Na ja, sie könnten es schon – allerdings würde das wenig Sinn machen. Das scheinen die Behörden hier auch ganz ähnlich zu sehen, denn bisher hatte ich keinerlei Probleme oder unangenehme Besuche. In Spanien ist der Cannabissektor mittlerweile so groß, dass dadurch jährlich viele Millionen in den Staatshaushalt fließen – das können die gar nicht mehr komplett verbieten. Abgesehen von den fehlenden Einnahmen wären dann nämlich etwa 20.000 Arbeitslose mehr auf dem Arbeitsmarkt.
Nun ist ja Spanien auch an internationale Drogenverbotsverträge gebunden – wird da nicht von Ländern wie den USA ein gewisser Druck auf Spanien ausgeübt, seine liberale Handhabung von Cannabisdelikten zu überdenken?
Da kannst du sicher sein, dass die Amerikaner diesen gewissen Druck auf Spanien ausüben – allerdings wäre eine Verschärfung der Cannabisverfolgung in der Praxis einfach nicht realisierbar. Wie gesagt: Der Regierung würden Hunderte von Millionen Einnahmen fehlen und sie würde im Gegenzug Zigtausend Arbeitslose dazu kriegen – das können die sich gar nicht erlauben.
Also ändert sich hier mit den Wahlen nie die Betrachtungsweise in Bezug auf Cannabis? Haben denn dazu alle Parteien die gleiche Meinung?
Nein, wirklich ändern tut sich hier nichts – du musst dir das so vorstellen: Wenn auf den Balearen mal wieder gewählt wird und dabei die Regierung wechselt, dann werden bis zum Chef der Müllabfuhr alle Funktionäre komplett ausgetauscht – alle wichtigen Jobs werden nun ganz neu besetzt. Und natürlich fangen die Neuen dann alle wieder bei Null an und es passiert zunächst mal gar nichts – außer, dass alle nun freien Posten von den neuen Entscheidungsträgern mit Personen aus ihrem politischen oder familiären Umfeld besetzt werden. Das ist leider immer noch so und mir kommt das manchmal so vor, wie Deutschland vor 30 Jahren – da lief es ja ganz ähnlich: Wenn du da Beamter warst, dann hattest du einen Job auf Lebenszeit und brauchtest dir auch keinen Kopf mehr zu machen. Daran wollte man ja gar nichts ändern und genau so ist das hier immer noch.
Warum sich auch zum Unbequemeren hin verändern…
Eigentlich geht’s ja gar nicht um bequem oder unbequem – tatsächlich sind viele spanische Funktionäre schlichtweg ineffektiv. Da ist dieser riesige, aufgeblähte Verwaltungsapparat, der immense Kosten verursacht, die mittlerweile kaum noch bezahlbar sind. Gleichzeitig haben viele der Funktionäre gar nichts Richtiges mehr zu tun – die sitzen einfach nur in ihrem Büro und stempeln sinnlos Anträge oder Bescheide, doch wenn du von denen mal irgendetwas willst, ist Schlangestehen angesagt. Die haben noch nicht begriffen, dass eigentlich sie die Dienstleister sind, die für die Steuerzahler zu arbeiten haben. Wenn ich mit meinen Kunden so umgehen würde – dann könnte ich den Laden innerhalb kürzester Zeit dicht machen.
Wir wünschen dir das Gegenteil und bedanken uns für das interessante Gespräch.