Ich habe Steckfried vergangenes Jahr bei einem Besuch im Growshop des Vertrauens kennengelernt, wo er sich vor meinen Augen gerade fünf Gewächshäuser und Stecklingstabletts für fast 300 Pflanzen gekauft hatte. Meine Bemerkung, dafür bräuchte er aber eine große Box, hat er damals mit einem Lächeln und „zwei Quadratmeter, nur Steckis“ beantwortet. Das folgende Gespräch über seinen Nachwuchs war dann so anregend, dass mich Steckfried vor ein paar Wochen zum Ort des Geschehens – der gut versteckt in einer ehemaligen Abstellkammer seines kleinen Häuschens liegt – eingeladen hat.
Tagsüber arbeitet der Hobbygärtner als System-Admin bei einer großen Firma, nach Feierabend hat er sich auf die Zucht von Stecklingen spezialisiert. Der kleine Kellerraum ist mit zwei 400 Watt-Wuchslampen sowie dem notwendigen Equipment (Filter, Rohr- sowie Frischluftventilator, Thermometer) zur Belüftung bestückt, die zwölf Mutterpflanzen stehen in Airpots, die mit Grow-Mix Erde befüllt sind. Den Fußboden hat mein Gastgeber sogar mit Fließen versehen. Wie er mir später erzählt, war das die wirksamste Maßnahme gegen immer wiederkehrende Mehltau-Attacken. Nach einer Tasse Kaffee und dem obligatorischen Begrüßungsjoint sind wir genau in der richtigen Stimmung, mit dem Grower-Latein anzufangen. Zuerst möchte ich wie immer wissen, was wir da eigentlich rauchen. Das ist bei Steckfried eine besonders interessante Frage, schließlich hat er ja keine blühenden Pflanzen und demnach keine eigene Ernte…
„Das ist eine Opium“, teilt mir mein Gastgeber mit, „die habe ich seit ungefähr einem halben Jahr in der Box. Die hat ein Kollege von mir auf Steinwolle unter 600 Watt angebaut. Sehr lecker, eigentlich produziere ich auch nur Sorten, die ich auch selbst mag. Ein anderer Kollege hat gerade je eine White Widow und eine White Kush für mich ‚dazugestellt‘, deren Ertrag ich dann bekomme. Dafür bekommt er dann wieder neue Stecklinge für seinen nächsten Grow. So funktioniert unser bargeldloser Hanfkreislauf. Die White Kush ist auch relativ neu in meinem Sortenpool, der mittlerweile wieder eine ordentliche Auswahl hat. Bevor ich Stecklinge gezogen habe, hatte ich eine kleine Blühkammer für sechs Ladys. Damals habe ich noch mit feminisierten Samen gegrowt und wenn die Ernte fertig war, kam es immer wieder zu heftigen Versorgungsproblemen und abenteuerlichen Samenkauf-Aktionen. Meinen Freunden, von denen auch ein paar im kleinen Rahmen gegrowt haben, ging es genauso. Ich habe mir damals gesagt: Blühen kann jeder, aber Stecklinge macht kaum jemand. Im Laufe der letzten Jahre hat sich das auch bestätigt: Die meisten Grower mit Blühkammer, denen ich ein Tutorial zur Selbstversorgung mit Steckis mit auf den Weg gebe, bekommen den Mehraufwand nicht auf die Reihe. Klonen kostet einfach doppelt so viel Zeit und Arbeit, auch wenn es nur eine ganz kleine Mutterkammer ist. Selbst eine Mini-Vegi-Kammer mit einer Mutter und maximal 30 Stecklingen Output pro Monat bedarf mindestens so viel Arbeit wie die Pflege eines 400-Watt-Grows mit 20 Pflanzen. Mit Automatisierung ist da auch nicht viel zu machen, denn es gibt ja noch keine Schneidemaschine für Stecklinge. Zudem ist das Selektieren ja auch noch so eine Sache. Viele versuchen einfach, einen weiblichen Samen großzuziehen und denken, sie hätten eine prima Mutti. Von wegen. Ohne Selektion geht da gar nix. Der Mehraufwand wird gerne gescheut, die meisten wollen einfach nur growen. Deshalb sind ja auch in anderen Länder feminisierte Samen so erfolgreich: Einpflanzen und loslegen, genau wie mit Stecklingen. Nur, dass man mit Stecklingen noch ein paar zusätzliche Vorteile hat: Es gibt keine unterschiedlichen Phänotypen und Kleinstgärtner sparen sich die vegetative Phase unter dem teuren Hochdruck-Dampfleuchtmittel, indem man die Babys neben der Mutterpflanze so lange vorwachsen lässt, bis sie ‚blühfertig‘ sind.“