Rollo-(01)

Aus der Arbeitslosigkeit zum Museumsdirektor

Die einen growen, die anderen konsumieren und wieder andere singen und schreiben darüber. Hanf ist ein Thema, das vielen eine Bühne gibt, im Großen und im Kleinen. Doch meistens dreht es sich um einen Markt, der von allen Beteiligten zum eigenen Vorteil genutzt wird. Aber halt – an vorderster Front gibt es auch eine Spezies, die sich völlig uneigennützig engagiert. Um zu informieren. Um aufzuklären. Um etwas zu bewegen. Und das ganz ohne finanzielle Hintergedanken. Diese seltene Spezies nennt man „Aktivisten“. Sie sind die wahren Experten, die dann zu Rate gezogen werden, wenn man mal wieder Hilfe braucht. Oder Informationen.

Heute habe ich mich selbst in einer Institution eingeladen, die nicht nur in Deutschland einmalig ist. Das Berliner Hanf Museum. Weltweit gibt es wenige vergleichbare Einrichtungen, höchstens das Haschmuseum in Amsterdam, das jedoch mit seiner Ausstellungsfläche weitaus kleiner ausfällt als die Berliner Einrichtung. Mein Gesprächspartner ist der Leiter des Berliner Hanf Museums: Rolf „Rollo“ Ebbinghaus.

Meine Fahrt zum Hanf Museum führt mich durch Berlin, das Ende Mai von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht wird. Es ist bitterkalt und die Leipziger Straße gleicht einem reißenden Fluss, der direkt neben dem Roten Rathaus, dem Sitz der Berliner Obrigkeit „Queen Wowi“, in einer monumentalen Baugrube versickert. In direkter Nachbarschaft zu Klaus Wowereits Thronsaal liegt das Hanf Museum.

Tropfnass betrete ich die Räumlichkeiten, die gerade von einem angenehmen Duft durchströmt werden: Es riecht ganz frisch – irgendwie nach Gewächshaus. Da werde ich auch schon herzlich von Rollo begrüßt, der mir auf dem langen Museumsgang entgegenkommt: „Du passt mir ja gerade gar nicht in den Kram… hier brennt die Hütte, ich hab sooooo viel zu tun.“ Na toll, denke ich mir. Das kann ja heiter werden. Aber gut, machen wir aus der Not einfach einen Bericht und schauen uns nebenbei mal an, was es in einem Museum denn sooooo viel zu tun gibt.

Rollo führt mich in die im Keller des Hauses gelegene Bar, wo ich mit einem leckeren, wärmenden Kaffee versorgt werde. Ich bin erstmal zufriedengestellt, Rollo wuselt währenddessen noch durch die Räume und gibt Anweisungen an seine Mitarbeiter. Kurz danach geht es dann auch schon los, hurra, ich komme doch noch zu meinem Interview.

Dein Arbeitsplatz im Berliner Hanf Museum lässt zwar einige Rückschlüsse auf dein „Schaffen“ zu, aber die Details musst du mir dennoch erklären: Was genau machst du als „Aktivist“?

Hier im Museum kümmere ich mich darum, dass die Ausstellung ansprechend gestaltet wird und einigermaßen gepflegt ist. Ich achte darauf, dass pünktlich geöffnet ist, alle Posten gut besetzt sind und sich unsere Gäste wohlfühlen. Sie sollen allen Service bekommen, den wir zu bieten haben. Zum Aktivisten macht mich meine Einstellung, und die lässt sich ganz einfach erklären: Per Definition setzt sich ein Aktivist für eine Sache ein, ohne sich dadurch einen geldwerten Vorteil zu verschaffen. Das trifft bei mir auch zu. Ich arbeite ehrenamtlich, genauso wie alle am Projekt Hanf Museum beteiligten Mitarbeiter. Der Aufwand ist enorm, der Ertrag fließt zu 100 Prozent in das Projekt. Wir glauben an eine Sache und leben auch dafür. Aktivismus ist, wenn man sich aus inhaltlichem Interesse für eine Sache einsetzt. Normalerweise arbeitet man für Geld, als Aktivist arbeitet man aus inhaltlichen Gründen. Als Hanfaktivist setzt man sich – bzw. setze ich mich – speziell ganz intensiv dafür ein, dass Hanf als Pflanze wieder in den Alltag integriert wird. Ganz wichtig: als Rohstoff. Hanf war früher ein Werkstoff, der war so wichtig wie Holz oder Leder, was heute ganz viel durch Kunststoff ersetzt wird. Man könnte aber in ganz vielen Bereichen wieder zu nachwachsenden Rohstoffen zurückkehren.

Das heißt also, das Hanf Museum ist dein Hauptprojekt, in dem Hanf in all seinen Formen vorgestellt wird – von der Vergangenheit bis heute und wahrscheinlich auch in die Zukunft hinein?

Klar, das Hanf Museum ist das Kernprojekt, um das ich mich den Großteil meiner Zeit kümmere, alleine dadurch, dass ich ja von Anfang an dabei bin und die Idee quasi mit entwickelt habe. Dementsprechend war damals ein wichtiger Antrieb bzw. Grundgedanke: Wie kann man die vielen Informationen, die vielen Seiten des Hanfes vermitteln, ohne dass man immer gleich auf Scheuklappen bezüglich des Themas Drogen stößt – nach dem Motto: „So, ich mach jetzt Kopf und Ohren zu“, ohne dass man Weiteres hören will. Auch heute kommen zwar noch Schulklassen rein und fragen zuerst: „Was kann man denn hier kiffen?“, aber Hanf ist natürlich viel mehr als nur Kiffen. Wir haben uns dann überlegt: Wie kann man das vermitteln? So entstand die Idee des Museums.

Wir wollten vorurteilsbelasteten Bürgern Wissen um Hanf vermitteln, ohne dass sie gleich ihre Vorurteile bestätigt bekommen, wie es vielleicht in einem Coffeeshop wäre. Bis heute ist noch niemand aus dem Hanf Museum gekommen und hat gesagt: „Nee, das ist ja gar kein richtiges Museum!“. Es ist uns auch sehr, sehr wichtig, dass wir den musealen Charakter bewahren, denn mit dem Museum als Brücke wollen wir auch erreichen, dass nicht gleich alle beim Thema Hanf die Mauern hochziehen, sondern auch Unbeteiligte sich mal öffnen und sich informieren, ohne gleich mit dem Illegalen oder dem Rauschaspekt in Verbindung gebracht zu werden.

Du führst also in deinem Aktivistendasein auch Schulklassen und Gruppen durch die Ausstellungen? Gib unseren Lesern doch mal kurz einen „textlichen und inhaltlichen Rundgang“ …

Wir haben vor allem erstmal den riesigen Komplex der Nutzpflanze, bevor wir dann in die Genuss- und Rauschdiskussion kommen, um dann mit der Kriminalisierung abzuschließen. Wenn Hanf wieder völlig legal wäre, wären die 80% nutzbare Biomasse viel, viel wichtiger als die 5% des Cannabiskonsums innerhalb der Bevölkerung. Baustoffe, Dämmstoffe, Textilien, jede Menge kann man daraus machen. Da ist das, was man da wegkifft, zwar durchaus eine nennenswerte Menge, sonst wäre es nicht kriminalisiert, aber im Vergleich zu dem nachwachsenden Rohstoff ist der Genuss eher eine Marginalie. Aktuell befindet sich im Raum für wechselnde Ausstellungen eine Sonderausstellung über die Haschischexperimente von Walter Benjamin, der in den Zwanziger Jahren gemeinsam mit Medizinern mit Haschisch experimentiert hat. Die Resultate haben wir derzeit in einer Ausstellung festgehalten, alleine das ist mal wieder einen Besuch im Hanf Museum wert.

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