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Eingriffe in das Wuchsverhalten

Während der Wachstumsphase wende ich oft Methoden an, die das Wuchsverhalten meiner Hanfpflanzen beeinflussen. Das Ziel dabei ist immer ein höherer Ertrag und eine bessere Nutzung des verfügbaren Platzes und des Lichts.

Normalerweise ist jeder Eingriff an den Pflanzen kontraproduktiv. Dazu ein Beispiel: Eine Pflanze wird von sich aus immer den für sie höchstmöglichen Ertrag anstreben und sich dementsprechend verhalten. Sie tut es, um die meisten Samen und somit die meisten Nachkommen zu erzeugen. Dies kann sie aber nur erreichen, wenn sie beispielsweise in der Mitte eines Feldes – frei von anderen Pflanzen und Bäumen – steht und den ganzen Tag Sonnenlicht abbekommt. Solche optimalen Bedingungen wird man – gerade indoors – aber nur selten vorfinden.

In vielen Situationen ist es deshalb ratsam, in das Wuchsverhalten einer Pflanze einzugreifen, um ihr dabei zu helfen, einen höheren Ertrag erzielen zu können. Die am häufigsten angewandten Methoden sind: Das Beschneiden, die Erziehung (Scroging), das Abknicken der Triebe (Supercropping) und das Herunterbinden der Triebe. Diese Methoden haben alle ihre Vor- und Nachteile und sind je nach Situation mehr oder weniger effektiv. Auch können mehrere Methoden kombiniert werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Das Beschneiden der Pflanzen

 

Hanfpflanzen werden häufig beschnitten, um einen buschigen Wuchs und eine geringere Höhe zu erreichen. Auch das Endprodukt wird für die kommerzielle Nutzung interessanter. Wenn eine Pflanze beschnitten wird, bildet sie mehrere Hauptblüten aus, dadurch wird die Ernte gleichmäßiger und es befinden sich nicht so viele Blüten verschiedenster „Kaliber“ in einer Lieferung.

Das Beschneiden hat vor allem im Outdoor-Bereich Vorteile. Zum einen wachsen die Pflanzen nicht so hoch und können schwieriger entdeckt werden und zum anderen werden ihre Triebe kräftiger und können nicht durch Stürme brechen oder abknicken. Im Indoor-Bereich ist das Beschneiden nur zu empfehlen, wenn die Menge an freistehenden Pflanzen nicht ausreichend ist, um den verfügbaren Raum und das Licht optimal nutzen zu können, oder aber wenn es Probleme bei der Raumhöhe gibt. In diesen Fällen beschneide ich die Pflanzen ein- bis zweimal, um sie in die Breite wachsen zu lassen.

Eine Hanfpflanze zu beschneiden ist keine komplizierte Sache. Meist reicht es aus, den Haupttrieb zu entfernen, um den gewünschten Wuchs zu erreichen.

Die Pflanzen dürfen aber nur während der Wachstumsphase und in einem möglichst frühen Stadium beschnitten werden. Sie sollten dennoch eine Mindestgröße von etwa 5-6 Blattpaaren haben, ansonsten können sie eingehen oder stagnieren. Ich beschneide die Pflanzen auch nicht unmittelbar vor der Blütephase, sonst könnte sich die Einleitung der Blüte um einige Tage bis Wochen verschieben. Wird das Apikalmeristem während der Blütephase abgeschnitten oder von Insekten oder Tieren verspeist, kann es passieren, dass die gesamte Blütenproduktion zum Erliegen kommt.

Generell denke ich aber, dass zumindest das unterste oder bei großen Pflanzen die untersten zwei bis drei Seitentriebpaare entfernt werden sollten.

Durchführung

 

Für mich ist es einfacher und sicherer, eine Pflanze ohne Schere oder Messer zu „beschneiden“. Dazu nehme ich das obere Blattpaar eines Zweiges zwischen meine Finger und breche es seitlich herunter. Das geht einfach und man brauch es nicht abzureißen. Am Ende der Internodie (Sprossabschnitt zwischen den Blattpaaren) befindet sich eine Sollbruchstelle und es gibt einen sauberen Bruch. Sollte der Stängel zu biegsam und das Blattpaar nicht einfach zu brechen sein, dann nehme ich es einfach zwischen Daumen und Zeigefinger und knipse das Blattpaar mit dem Daumennagel ab.

Ich achte darauf, dass das zu entfernende Blattpaar schon eine kleine Internodie hat und dass sich bereits sichtbare Seitentriebe/Ansätze unterhalb des Schnittes befinden. Ich achte auch darauf, diese nicht zu verletzen. Ich könnte aber auch oberhalb eines schon vorhandenen Seitentriebpaares ein Stück von etwa zwei bis drei Nodien abschneiden und dieses Stück dann als Steckling weiter verwenden.

Sobald sich die neuen Seitentriebe entwickelt haben, die Pflanze aber noch nicht die gewünschte Form besitzt, kann ich diese beliebig oft beschneiden und verzweigen lassen. Ist die Pflanze zu einem großen Busch herangewachsen, entferne ich die Triebe, die weit im Inneren der Pflanze liegen und nur wenig Licht abbekommen. Je weiter unten sich die Seitenzweige befinden, desto mehr innere Triebe nehme ich heraus. Auch ganze Seitenzweige, die hauptsächlich im Schatten liegen und nur kümmerlich wachsen, entferne ich.

Ruderalis-Pflanzen beschneide ich nicht. Es gibt Grower, die bei einigen Ruderalis-Sorten eine Beschneidung vornehmen. Sie berichten davon, dass die Pflanzen zunächst kaum weiter wachsen und dass sich die Blütephase nach hinten verschiebt. Jedoch sollen die Pflanzen letztendlich mehr Ertrag abwerfen. Ich denke, es ist nicht empfehlenswert, habe es aber noch nie versucht.

Beim Beschneiden der Pflanzen achte ich vor allem im Indoorbereich darauf, dass der typische Höhenzuwachs sich in die Breite/Länge umlenkt. In der Spross-Spitze (Apikalmeristem) wird Auxin produziert, welches von dort aus nach unten wandert und das Seitenwachstum normalerweise hemmt. Wird es entfernt, können die Pflanzen ungehindert in die Breite wachsen.

Scroging-Methode

 

Die Erziehung (Scroging) ist wohl die Methode, mit der sich das vorhandene Licht am besten genutzt werden kann. Auch braucht die Pflanze nicht beschnitten zu werden und es findet so auch kein Eingriff in den Stoffwechsel der Pflanze statt. Es kann aber vorteilhaft sein, wenn man aus einer einzelnen Pflanze ein möglichst großes Blütendach zaubern möchte. So kann man mit einem einzelnen Steckling in kürzester Zeit eine ganze Growbox füllen und mächtige Erträge erzielen. Deshalb ist die Erziehung im Indoorbereich sehr vorteilhaft.

Bei der Erziehung befestige ich oberhalb der Pflanze (zwischen 30-100cm) ein Geflecht/Gitter aus Holz, Metall oder Kunststoff an einem Rahmen oder einem Gestänge. Dabei lasse ich die Pflanzen ein Stück durch dieses Geflecht wachsen und beginne dann, die Zweige in einer waagerechten Position zu befestigen. Zum Befestigen der Zweige verwende ich keinen blanken Draht oder Nylonschnüre, da diese die Zweige einschneiden würden. Draht mit Gummierung oder einfache Schnüre sind zu bevorzugen. Ich verteile die Zweige möglichst gleichmäßig und achte darauf, dass die Zweige sich nicht kreuzen und die Blätter sich nicht oder nur ganz wenig überlappen. Die Maschenweite des Geflechts sollte der Pflanzengröße angepasst sein und bei kleinen Scrogs mindestens 2cm betragen. Die Blätter sollten sich über dem Geflecht befinden. Hat sich die Pflanze gut ausgebreitet, entferne ich Zweige, die sich immer noch unterhalb des Geflechtes befinden. Die Pflanzen führe ich solange an dem Geflecht entlang, bis sie nicht mehr weiter wachsen und die Blütenproduktion in vollem Gange ist.

Outdoor kann ich das Geflecht auch so anbringen, dass es eine Neigung in Richtung Süden hat und so einen besseren Sonnenlichteinfall ermöglicht.

Es ist auch möglich, die Pflanzen wie bei Spalier-Obst an einem Zaun entlang zu führen. Dies ist vor allem Outdoor vorteilhaft. An dem Zaun finden die Pflanzen Halt bei Unwettern und ich kann sie so ausrichten, dass sie die meiste Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt sind (von Ost nach West). Bei der Befestigung achte ich darauf, einen Mindestabstand zwischen den Zweigen von etwa 15cm einzuhalten. Interessant könnte es auch sein, ein solches Spalier an einer (idealerweise weißen) Südwand aufzustellen. Zweige, die in Richtung Wand wachsen, würde ich entfernen. Die Methode kann dabei helfen, Hanfsorten, welche üblicherweise in unseren Breiten nicht zur vollen Reife gelangen würden, dennoch anbauen zu können. In der kalten Jahreszeit kann sich die Wand am Tage erwärmen und in der Nacht die gespeicherte Wärme an den Boden und die Luft wieder abgeben und auf diese Weise starkem Bodenfrost vorbeugen. Auch das Verteilen von wärmespeichernden, großen Steinen am Boden bringt Vorteile und vermindert Frost.

Supercropping – Das Abknicken der Triebe

 

Das Abknicken der Triebe ist eine sehr nützliche Methode. Bei dieser Methode braucht man die Pflanzen nicht zu beschneiden und kann dennoch großen Einfluss auf ihre Form nehmen. Man kann die Pflanzen in eine buschige Form mit einem flachen „Dach“ bringen oder Pflanzen, die über die anderen hinauswachsen, auch noch während der Blütephase, klein halten. Durch das Abknicken eines Triebes wird die Energieversorgung gedrosselt und die überschüssige Energie wandert dann in die darunter gelegenen Abschnitte der Pflanze.

Wenn man eine Pflanze von Beginn an supercroppen möchte, dann wartet man am besten, wie bei der Beschneidung, auf eine Mindestgröße von etwa fünf bis sechs Blattpaaren.

Ich nehme dazu die Internodie, welche sich unterhalb des zuletzt entwickelten Blattpaares befindet und knicke die Mitte des Stängels in die gewünschte Richtung, bis er herabhängt. Manche Grower nehmen den Stängel zwischen zwei Finger und rollen ihn mit etwas Druck so lange bis er knackt. Es ist wichtig, dass man den Stängel weit genug abknickt, denn ein leichter Knick würde der Pflanze nichts ausmachen und sie würde sich nach etwa einer Woche wieder vollständig aufgerichtet haben, als ob nichts gewesen wäre. Es kann auch passieren, dass während des Knickens die Seiten der Knickstelle aufreißen. Das ist nicht weiter schlimm und bei robusten, festen Stängeln üblich. Ich achte darauf, dass sich in den ersten Tagen kein Schimmel in der Knickstelle einnistet (eine dunkle Verfärbung ist üblich und bedeutet nicht zwangsläufig Fäulnis). Das kommt aber eher selten vor. Schon nach einem Tag wird sich der abgeknickte Trieb wieder in Richtung Licht strecken und die Knickstelle wird mit der Zeit verholzen und sehr fest werden. Diese verholzten Knicke nennt man „Ellenbogen“. Man kann eine Pflanze quasi an jeder Stelle und zu jedem Zeitpunkt beliebig oft supercroppen. Einmal ist ein Zweig einer meiner Outdoorpflanzen in den letzten Blütewochen gebrochen. Nach kurzer Zeit bildeten sich männliche Blüten an der Spitze des gebrochenen Zweiges (und auch nur dort). Eventuell könnte das Supercropping in einer späten Blütephase bei sensiblen Pflanzen eine „punktuelle“ Zwitterung auslösen. Für die Produktion von feminisiertem Saatgut, welches auf biologische Weise entstehen sollte, könnte das interessant sein.

Das Herunterbinden der Pflanze 

 

Das Herunterbinden oder Biegen einzelner Zweige oder der gesamten Pflanze ist die Methode, die ich am häufigsten anwende. Mit dieser Methode wird jeglicher Eingriff in den Stoffwechsel der Pflanze vermieden. Zu groß wachsende Pflanzen lassen sich so im Zaum halten und Äste, welche nur wenig Licht abbekommen, lassen sich in eine vorteilhaftere Position bringen.

Um eine Pflanze zu biegen, befestige ich eine Schnur im oberen Drittel der Pflanze und biege sie zunächst um etwa 45°- 60° nach unten. Ich gehe dabei langsam vor, denn jede Pflanze ist unterschiedlich biegsam. Manche Pflanzen (vor allem kleine) lassen sich leicht um 90° biegen, andere sind schon bei 40° an ihrer Grenze. Outdoor befestige ich die Schnur an der Nachbarpflanze, an einem Baum oder an einem Pflock. Indoor binde ich eine straffe Schnur um den Topfrand und befestige die Zugschnur daran. Sollte die Pflanze nach der ersten Biegung noch nicht in der gewünschten Position sein, kann ich sie nach etwa einer Woche schrittweise weiter nach unten biegen. So könnte ich sie bis auf den Boden ziehen. Anschließend könnte ich einen Abschnitt der Spitze mit Erde bedecken und nach einiger Zeit würde sie an der mit Erde bedeckten Stelle Wurzeln treiben. Wenn die Wurzeln sich gut entwickelt haben, kann ich diesen Abschnitt von der ursprünglichen Pflanze abschneiden und hätte eine zweite, vegetativ vermehrte Pflanze. Diese Methode der Vermehrung ist auch mit Seitenzweigen, die nah am Boden hängen, möglich und eigentlich auch nur im Outdoorbereich sinnvoll. Bei älteren Pflanzen kann es vorkommen, dass an der Biegung Risse in der Rinde entstehen. Das ist nicht weiter schlimm und verheilt üblicherweise schnell.

Es können auch innerhalb der Pflanze Schnüre befestigt werden, die nach außen hin ausladende Zweige nach oben führen oder schwächeren Ästen Halt geben können.

Das Entfernen von Blättern

 

Das Entfernen von Blättern ist oft Teil von Diskussionen unter Cannabiszüchtern und Growern. Einige meinen, es würde Vorteile haben, aber die meisten – so wie ich auch – denken, dass das Gegenteil der Fall ist. Grower, die das entfernen von Blättern empfehlen, behaupten, dass die Blüten mehr Sonnenlicht abbekommen und dadurch größer und potenter werden. Auch wird behauptet, dass durch das Entfernen der Blätter Blütenhemmstoffe entfernt werden, welche sich in den Blättern einlagern und so die Pflanze schneller heranreifen wird.

Diese Behauptungen mögen in der groben Theorie richtig sein, halten einer genaueren Untersuchung aber nicht stand. Werden Blätter entfernt, gelangt natürlich mehr Licht an die Blüten aber die Blüten selbst tragen nur einen sehr geringen Teil zur Photosynthese und zur Nährstoffproduktion bei. Wenn die Blätter fehlen, werden die Blütenstände nicht ausreichend mit Energie versorgt und können somit nur noch geringfügig an Potenz und Größe/Gewicht zulegen.

Werden Blätter entfernt, wird die Pflanze wahrscheinlich schneller ausreifen. Jedoch wird dies wahrscheinlich weniger durch den Verlust der Hemmstoffe beeinflusst, als viel mehr durch die Störung des Stoffwechsels. Ich denke, die Pflanzen stehen dann unter einem großen Druck sich zu reproduzieren (vermehren) und geraten in Stress. Deshalb versuchen sie mit letzter Kraft so schnell wie möglich heranzureifen und keimfähige Samen zu produzieren, bevor sie vollständig eingehen.

Outdoor werden die Blütenstände auch durch die Blätter vor Regen oder zu starker Sonneneinstrahlung und damit vor Hitze geschützt. Das ist mitunter ein Grund, warum ich sie nicht entfernen würde. Starker Regen könnte zu einem Verlust vieler Harzdrüsen führen und Schimmel in den Blüten verursachen. Hitze und starke Sonneneinstrahlung kann zum Zersetzen der Harze und damit zum Verlust von Potenz und Geschmack führen.

Manchmal klemme ich große Blätter unter angrenzende Äste, um mehr Licht in den inneren Teil der Pflanze gelangen zu lassen.

Ich entferne niemals Blätter, es sei denn, sie sind schon so braun oder gelb, dass sie sich leicht abnehmen lassen. Tote Blätter entferne ich, denn sie können leicht schimmeln und der Schimmel kann sich dann auf die Blüten ausbreiten. Vergilbt ein Blatt, schneide ich es noch nicht ab, denn es ist für die Pflanze einfacher, die darin eingelagerten Nährstoffe zu verwerten, als neue zu fördern oder zu produzieren.