In der THCENE werden manchmal auch Bücher vorgestellt, die einen starken Cannabis- oder anderen Bezug zu (noch) verbotenen Substanzen aufweisen. Dieses Mal geht es um ein Buch, das neben einem klaren Cannabis-Bezug auch von einem langjährigen THCENE-Autoren (mit)geschrieben wurde: Mit „Schall & Rausch – Der Graskönig von Berlin“ legt Martin Müncheberg zusammen mit seinem Co-Autor Stefan Schweizer den ersten Hanfkrimi Deutschlands vor.
Natürlich habe ich meine journalistische Fürsorgepflicht ernst genommen und den „Graskönig von Berlin“ vorab komplett gelesen. Dem Autoren-Duo ist damit tatsächlich ein spannendes, unterhaltsames und stark auf die Cannabis-Thematik bezogenes Werk gelungen. Zudem wechseln sich Spannung und Schmunzel-Momente gelungen ab, und eingefleischten Hanf-Fans bietet der Roman beste Unterhaltung. Genauso dürfte das Buch allen Krimi-Freunden, die wenig oder gar keine Cannabis-Erfahrung besitzen, erste tiefere Einblicke in die Hanf-Welt liefern. Gleichzeitig wird aber auch mit einigen Mythen und angeblichen Gefahren um die bald auch in Deutschland legalisierte Pflanze aufgeräumt. Das witzige Buch-Cover von dem bekannten Zeichner Steve Stoned passt perfekt zur Story und ihren Charakteren. Kurzum, „Schall & Rausch – Der Graskönig von Berlin“ bietet ein äußerst kurzweiliges und spannendes Leseerlebnis für alle Cannabis-Freunde und Krimi-Fans. Grund genug, die beiden Autoren dazu etwas ausführlicher zu befragen.
Martin, du setzt dich ja schon lange für Cannabis und eine zeit-gemäßere Drogenpolitik ein – hattest du davor vielleicht irgendein Schlüsselerlebnis mit Hanf?
Martin: Nein, das EINE Schlüsselerlebnis gab es für mich nicht, ich erinnere mich aber noch an verschiedene Erfahrungen ganz am Anfang meiner Konsumentenlaufbahn, die von Lachflashs bis hin zu
selektivem Hören bei Konzerten reichten. Von dem mir grundsätzlich angenehmen Körpergefühl mal ganz abgesehen. Da mir die Wirkung von Cannabis so gut gefiel, informierte ich mich zunehmend über diese Pflanze und wurde so fast zwangsläufig zum Legalize-Aktivisten bei der Hanfparade in Berlin, deren Pressesprecher, Geldbeschaffer und Booker ich von 1998 bis 2004 war. Wobei ich auch später noch – zum Beispiel 2018 und 2019 – das Booking der auf der Hanfparade spielenden Bands übernahm. Und teilweise auch das Bühnenmanagment.
Stefan, wie hast du Martin eigentlich kennengelernt?
Stefan: 2017 bin ich von Stuttgart nach Potsdam gezogen und als halber Hauptstadtautor war ich nun auch viel in Berlin unterwegs. Da wollte ich mir natürlich auch mal die bundesweit bekannte Hanfparade in Berlin genauer anschauen, was ich auch sofort gemacht habe. Dort habe ich dann im großen Durcheinander Martin kennengelernt, der sich mal wieder um das Bühnenprogramm der Veranstaltung kümmerte. Wir haben uns dann von Anfang an gleich ziemlich gut verstanden.
Für meinen Geschmack werden in „Der Graskönig von Berlin“ viel zu viele Tabakjoints geraucht und deutlich zu wenig vaporisiert. Habt ihr vielleicht irgendetwas gegen das Vaporisieren?
Stefan: Im ersten Band von Schall & Rausch wird das meiste THC tatsächlich durch „klassische“ Joints konsumiert, das hat aber viel mit den beschriebenen Charakteren zu tun. Schließlich muss ja auch eine Romanfigur glaubhaft bleiben. Persönlich finde ich, dass Vaporizer tatsächlich eine großartige Erfindung sind, denn dadurch wird die Karzinom-Bildung verhindert, und man ist auch nicht mehr gezwungen, das süchtig machende Nikotin zu konsumieren.
Martin: Und natürlich haben wir rein gar nichts gegen das Vaporisieren – aber ich selbst muss mich erst noch daran gewöhnen. Vor allem daran, dass die Wirkung doch deutlich später und sanfter eintritt. Das steht aber für die nahe Zukunft ganz oben auf meinem Wunschzettel.
Wer hatte eigentlich die Idee, den ersten Hanfkrimi Deutschlands zu schreiben?
Stefan: Diese Ehre gebührt weder Martin noch mir. Unser Verleger Gerd hat mich darauf angesprochen, ob ich mir zutrauen würde, einen „reinen“ Hanfkrimi zu schreiben. Nach reiflicher Überlegung kam ich dann zu dem Schluss, dass mich das in Sachen Cannabis-Kompetenz etwas überfordern würde. Was lag da näher, als meinen Freund Martin mit ins Boot zu holen? Wenn in meinem Umfeld jemand Ahnung von Cannabis hat, dann ist er es. Und schreiben kann er auch.
Ein Buch mit einem so starken Cannabis-Bezug gab es in der Unterhaltungsliteratur bisher noch nicht.
Gab es beim Schreiben des Buchs auch mal Streit zwischen euch Autoren? Es ist ja sicherlich nicht ganz einfach, gemeinsam ein Buch zu schreiben…
Stefan: Streit würde ich das nicht unbedingt nennen. Aber Martin und ich haben teilweise schon sehr engagierte Debatten darüber geführt, wie es beim Schreiben von „Schall & Rausch“ weitergehen soll und wer welchen Teil dabei übernimmt. Da dann eine Lösung zu finden, die beiden zusagt, war nicht immer ganz einfach. Uns ist aber von vielen Testlesern und auch von unserem Verleger bestätigt worden, dass „Der Graskönig von Berlin“ nicht nur spannend, sondern auch witzig und unterhaltsam ist. Ich glaube, daran sieht man, dass konstruktive Diskussionen über die Richtung eines Projekts manchmal auch sehr produktiv sein und zu einem guten Ergebnis führen können.
Martin: Naja, ich würde das schon Streit nennen, was wir da teilweise auszutragen hatten. Aber letztendlich haben wir uns immer wieder eingekriegt und unsere Meinungsverschiedenheiten klären können. Vor allem, weil Stefan meist recht entgegenkommend war und mir so manches Mal gestattete, meinen schriftstellerischen Dickkopf durchzusetzen.
Martin, du bist ja auch Mitherausgeber und Autor der THCENE. Hat dich dieser Job nicht mehr ausgelastet oder wolltest du einfach auf zu neuen kreativen Ufern?
Martin: Bevor ich Mitherausgeber der THCENE wurde, war ich zuvor schon lange Jahre Autor für dieses Magazin. Aber auch für andere Hanfpublikationen habe ich geschrieben bzw. schreibe ich nach wie vor. Insofern war ich schon immer auch kreativ tätig und kein Branchenfremder, der nun plötzlich mit dem Schreiben anfängt. Aber gleich ein ganzes Buch zu schreiben, war schon etwas Neues für mich. Und etwas Neues interessiert mich eigentlich ganz grundsätzlich.
Was genau zeichnet euer Buch aus? Gibt es hier irgendwelche Alleinstellungsmerkmale oder Wiedererkennungswerte?
Stefan: Ja, die gibt es auf jeden Fall. Ein Buch mit einem so starken Cannabis-Bezug gab es in der Unterhaltungsliteratur bisher noch nicht. Ich glaube, es ist uns gelungen, einen Kriminalroman mit hoher Spannungskurve und unverwechselbaren Figuren zu kreieren. So ist einer der beiden Detektive der eher zurückhaltende Berliner Rausch, der sich beim Rotweintrinken gerne als besonders kultiviert empfindet. Sein Partner ist der fröhlich-kiffende Schwabe und Wahlberliner Schall, der ebenso gerne wie regelmäßig der grünen Pflanze der Götter huldigt und diese auch selbst daheim kultiviert.
Martin: Ich glaube, das Besondere an „Der Graskönig von Berlin“ ist, dass sich das Buch tatsächlich weitgehend um Cannabis dreht. Das fängt beim Homegrowing an, geht übers Verticken bis hin zur Konsum- und Wirkungsbeschreibung. Viele Leser mit Hanf-Erfahrungen werden sicherlich ähnliche Situationen bereits kennen – aber manch anderes wird auch für sie neu sein. Wie zum Beispiel die Krimi-Handlung, in der übrigens auch ein wenig Magie steckt.
Krimi-Freunde können damit sicherlich genauso viel Spaß haben, wie eingefleischte Cannasseure oder Berlin-Fans. Man muss also kein Hardcore-Kiffer sein, um das Buch genießen zu können.
Könnt ihr kurz die Kernbotschaft von Schall & Rausch für unsere Leser zusammenfassen?
Martin: Eigentlich nicht, denn da gibt es meiner Meinung nach keine großen Botschaften. Aber natürlich kann man zwischen den Zeilen gut erkennen, welche Einstellung wir Autoren zum Thema Cannabis vertreten. Letztendlich soll das Buch aber vor allem spannend und unterhaltsam sein.
Stefan: Für mich lautet die zwischen den Zeilen versteckte Botschaft, dass eine repressive Verbotspolitik in Sachen Cannabis viel mehr Schaden verursacht, als es die Pflanze selbst je könnte. Diese Botschaft ist zwar nicht neu, aber leider immer noch aktuell, solange die im letzten Jahr beschlossene Legalisierung nicht in die Tat umgesetzt wurde.
Welche Leserschaft wollt ihr mit eurem Buch eigentlich ansprechen? Sind das vor allem Hanf-Freunde oder auch ganz normale Krimi-Fans?
Martin: Sowohl als auch. Krimi-Freunde können damit sicherlich genauso viel Spaß haben, wie eingefleischte Cannasseure oder Berlin-Fans. Man muss also kein Hardcore-Kiffer sein, um das Buch genießen zu können.
Sind Schall & Rausch eigentlich als Krimi-Reihe konzipiert oder als Einzeltitel?
Stefan: Das kann zurzeit noch keiner sagen, denn das hängt natürlich davon ab, ob Schall und Rausch auch in Zukunft Aufträge erhalten werden, die einen so klaren Cannabis-Bezug aufweisen. (lacht)
Was glaubt ihr – wann wird die im Oktober letzten Jahres verkündete Cannabis-Legalisierung in Deutschland praktische Realität?
Stefan: Hoffentlich so bald wie möglich – genaueres kann man dazu ja leider noch gar nicht sagen.
Martin: Das wird sicherlich noch ein, zwei Jahre dauern. Ich persönlich vermute, es wird Mitte 2023 so weit sein. Aber das bleibt natürlich abzuwarten – auch wenn wir eigentlich schon lange genug dafür gekämpft haben. Als Aktivisten bei der Hanfparade hofften wir schon 1998, dass mit der ersten rot/grünen Regierung die Legalisierung von Cannabis unmittelbar bevorstehen würde. Doch die kam dann nicht, dafür aber der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Das hat viele Menschen ernüchtert und enttäuscht. Aber inzwischen hat sich unsere Gesellschaft deutlich weiterentwickelt und Cannabis zum Beispiel auch als Medizin anerkannt. Daher halte ich die nun auch für Deutschland angekündigte Legalisierung für äußerst realistisch – obwohl ich auch die vielen Skeptiker verstehen kann, die es erst glauben, wenn die ersten lizenzierten Abgabestellen tatsächlich eröffnet werden.
War es eigentlich so geplant, dass die Veröffentlichung von „Schall & Rausch“ in einer Zeit der drogenpolitischen Neuausrichtung und kurz nach Verkündung der Legalisierung von Cannabis in Deutschland erfolgt?
Stefan: Klar, das haben wir von langer Hand so geplant und vorbereitet. Am schwierigsten war es, die Bundestagswahl zu gewinnen, damit die Ampel und mit ihr die ersehnte Legalisierung kommt. (grinst frech)
Martin, fühlst du dich – nun, da die Legalisierung von Cannabis nur noch eine Frage der Zeit ist – wie ein später „Sieger“ der Geschichte?
Martin: Klar, es ist doch immer schön, wenn einem die Geschichte recht gibt. Und letztendlich können sich ja auch alle Menschen gerade so fühlen, die in den letzten Jahrzehnten auf Demonstrationen wie der Hanfparade waren oder sich auf die eine andere Art für die Legalisierung von Cannabis eingesetzt haben. Insofern möchte ich hier zum Abschluss auch nochmal die Gelegenheit nutzen und an all diese Aktivisten und Unterstützer ein dickes, fettes DANKESCHÖN schicken!