„Outdoor-Growen in Deutschland? Geht das denn?“
„Das Kraut taugt doch sowieso nichts.“
„Bei mir gibt es keinerlei Spots.“
„Das ist unmöglich.“
Sowas bekommt man oft zu hören, wenn man andere Cannabis-Liebhaber fragt, warum sie bereit sind, horrende Preise für Gras aus zweifelhaften Quellen zu bezahlen, anstatt einfach selber ein paar Pflanzen im Freien zu ziehen. In Zeiten von Fake-Hasch, synthetischen Cannabinoiden, Streckmitteln und anderen Schweinereien, die zur Gewinnmaximierung auf dem Schwarzmarkt verbreitet werden, gewinnt die Selbstversorgung zunehmend an Bedeutung.
Für mich begann die Reise vor ca. 20 Jahren, als ich zum ersten Mal im Garten meiner wenig begeisterten Eltern ein paar gekaufte Samen aussäte. Durch eine glückliche Fügung kam ich damals auch zu einem Kollegen, bei dem eine etwa 80 cm hohe Pflanze stand. Diese wurde mir übergeben, da er es vor seinem längeren Urlaub nicht mehr schaffte, sie noch „auszuwildern“. Wir haben also unsere Kräfte und Pflanzen gebündelt und einen Grow-Raum gebastelt, den wir auch drei Jahre gemeinsam betrieben, bevor sich unsere Wege aus beruflichen und privaten Gründen trennten.
In einem dieser frühen Jahre hatten wir auch ein paar Stecklinge übrig, welche wir an einem vermeintlich passenden Ort im Freien platzierten. Die Pflanzen wuchsen auch super, aber sie dufteten auch aus mehreren Dutzend Metern Entfernung. Aufgrund unserer fehlenden Erfahrung und des damaligen Jahrhundertsommers, gingen wir auch ein paar Mal mit Kanistern gießen. Dabei entstand ein Trampelpfad, welcher am Ende wohl dafür gesorgt hat, dass uns die Pflanzen unreif geklaut wurden.
Entnervt mussten wir also direkt die Erfahrung machen, dass unsere ganze Arbeit umsonst war und sich nun jemand anders (das muss ein Dilettant gewesen sein, der diese traurigen, unreifen Knospen geerntet hat) an unseren Pflanzen bereichert hatte. Wie wir später erfuhren, hatte wohl der Nachbar (mit dessen Pflanze einst alles begann) einen
Bekannten, der es gefunden und geerntet hat. Wir waren zwar fast sicher, dass er es selbst geerntet hatte, aber das konnten wir natürlich nicht beweisen. Jedenfalls war dies der traurigste Augenblick überhaupt, und wir schworen uns, nie wieder Outdoor anzubauen.
Ein paar Jahre später kam dann ein anderer Nachbar auf mich zu und erklärte mir, er würde auch gerne Gras anpflanzen. Denn das, was er mal von mir bekommen hatte, wäre das Beste, was er je in den Fingern und in der Lunge gehabt hätte. Er meinte, er habe da drei Plätze im Auge, wo es gut möglich sein müsste, etwas anzupflanzen.
Zwei der drei Plätze waren eher ungeeignet, bei der Begehung des einen wurden wir beim Verlassen direkt von ein paar Jugendlichen gesehen, womit der Spot schon mal verbrannt war. Der dritte Spot schien aber ein Sechser im Lotto zu sein. Zwischen mehreren Bahnschienen (auf einem Lärmschutzwall gelegen) erschien mir der Platz so gut, dass ich direkt einwilligte. Zusammen wollten wir es auf einen neuen Outdoor-Versuch ankommen lassen.
Der Boden des Damms war jedoch alles andere als ideal. Es handelte sich vornehmlich um verdichteten Schutt, der während der Bauphase entstand und dort vermutlich aufgeschüttet worden war. Also haben wir einige Nächte lang im Schweiße unseres Angesichts Löcher für fruchtbare Erde gegraben. Dabei haben wir unsere erste Lektion gelernt, denn viele Steine sind beim Graben mit Spaten extrem hinderlich. Da wird ein Klappspaten zum Kinderspielzeug. Erst der Umstieg auf eine Grabgabel verbesserte unsere Grableistung deutlich.
Im ersten Jahr klappte hier alles wunderbar, wir fuhren eine schöne Ernte ein. Der Spot war also sicher und gut, woraufhin wir im Winter noch etwas expandierten. Statt mühsam tiefe Löcher zu graben, adaptierten wir das Prinzip des Hochbeetes. Dementsprechend haben wir am Hang ein paar Bretter installiert, um das Erdvolumen zu vergrößern. „More Roots – More Fruits“ heißt es doch so schön.
Aufgrund der geringen Niederschlagsmengen mussten wir uns auch noch etwas überlegen. Schließlich haben wir einen Wasserauffangtrichter aus Teichfolie gebaut und installiert. Damit konnten wir die Wassermenge pro Pflanze bei Niederschlag deutlich erhöhen, was für das Wachstum natürlich förderlich war.
Die Ernte war recht aufwendig, und die Grünmasse im Trockenraum beachtlich. Das führte dazu, dass der installierte Ventilator mit seinen 500 m³/h nicht mehr ausreichte und ca. ein Kilo Blüten während der Trocknung zu schimmeln begann.
Unser Platz war schon ziemlich gut, da er trotz des schlechten Bodens nicht zu sehr ausgetrocknet war. Das lag mit an der Umgebungsvegetation, denn der Platz war links und rechts von ziemlich hohen Bäumen gesäumt, die nicht nur etwas Schatten spendeten, sondern obendrein auch noch das Mikroklima durch ihre Stoffwechselprozesse bzw. ihre Transpiration verbesserten.
Ein Jahr später wurden alle Bäume gefällt und wir dachten erst: „Cool, noch mehr Sonne, noch schönere Pflanzen.“ Doch weit gefehlt: Durch den fehlenden Schatten kam es rasch zu Wassermangel. In den letzten Jahren war auch zu beobachten, dass es jeden Sommer eine Dürreperiode von sechs bis acht Wochen gab – bei Temperaturen um die 30 °C.
Da wir unseren sicheren Spot nicht aufgeben wollten, haben wir dort zig 90-Liter-Mörtelwannen aufgestellt, um darin Regenwasser zu sammeln. Wir versuchten dann, die Pflanzen mittels eines BLUMAT-Bewässerungssystems zu versorgen, wofür wir drei 300-Liter-Fässer an die Lärmschutzwand hängten. Um die Füllung der Fässer zu gewährleisten, unternahmen wir darüber hinaus den Versuch, eine Regenrinne entlang der Lärmschutzwand zu verlegen, um den Regen besser auffangen und in die Fässer leiten zu können. Das war sicher ganz gut geplant – doch wenn es wochenlang einfach nicht regnet, dann funktioniert das leider auch nicht.
Inzwischen haben wir den Spot wieder aufgegeben. Wochenlang Wasser dort hin zu schleppen war einfach zu viel Arbeitsaufwand. Und Überlegungen, einen Tankwagen zu bauen und eine Bewässerungsleitung unter den Bahnschienen zu verlegen, haben wir nach längerem Abwägen auch verworfen.
Das krasseste Erlebnis an diesem Spot möchte ich Euch auch noch erzählen: Wir waren gerade dabei über die Bahnschienen zu gehen, als sich von weitem ein Zug durch sein Scheinwerferlicht ankündigte.
Mein Grow-Kollege schätzte die Lage richtig ein und floh schnell hinter einen Busch. Ich aber verschätzte mich völlig, wodurch ich mich zwangsläufig (und in meinen Tarnklamotten) ins Gleisbett werfen musste, um dort bewegungslos auszuharren. Während ich da so lag, wurde mir bewusst, dass der herannahende Zug höchstens 30 Sachen drauf hatte. Aber da war ich schon im Lichtkegel – also blieb ich einfach still liegen, während der Zug in gefühlter Schrittgeschwindigkeit an mir vorbeifuhr. Dabei muss man mich wohl gesehen haben, denn bereits 10 Minuten später fuhr ein Auto die Bahngleise ab und leuchtete dabei mit einer mächtigen Taschenlampe überall herum. Dummerweise hatten wir unser Auto genau neben den Gleisen geparkt, sodass wir auch nicht einfach weg konnten. Also warteten wir, bis das Auto mit der Taschenlampe vorbeigefahren war und rannten dann zu unserem Auto, welches auf einem Feldweg stand, der kaum breiter als das Auto selbst war. Während wir noch ins Auto einstiegen, sahen wir von vorne (in ca. 500 Metern Entfernung) erneut einen Lichtkegel auf uns zukommen. Ich weiß gar nicht mehr, wie mein Grow-Kollege das geschafft hat, aber er wendete rasch und gab dann Vollgas – und wir rasten mit etwa 120 Sachen über den Feldweg. Uns war jedoch längst klar, dass wir unsere Verfolger nicht einfach abschütteln konnten und dass wohl bereits mehrere Streifenwagen alarmiert waren. Als wir an die nächste Brücke kamen, haben wir das Auto schnell abgestellt und versteckten uns hinter einem Brückenpfeiler. Keine Minute später kam das Auto unserer Verfolger und schoss wie ein Pfeil an uns vorbei, während aus der anderen Richtung auch schon ein Streifenwagen kam. So auffällig, wie wir unser Auto hier geparkt hatten, kam wohl keiner der Ordnungshüter auf die Idee, dass das dort stehende Auto tatsächlich das Gesuchte war. Glücklicherweise war es auf den Vater meines Grow-Kollegen zugelassen, der in seinem Leben nicht einmal einen einzigen Strafzettel bekommen hatte. Für uns beide war klar: Die Ordnungshüter hätten sich sehr gerne ein wenig mit uns unterhalten. Seitdem parken wir das Auto immer ein gutes Stück weiter weg und ich kam auch nie wieder auf die Idee, mich einfach so in ein Gleisbett zu werfen.
Zur gleichen Zeit hatten wir auch den Versuch unternommen in verschiedenen Maisfeldern etwas anzubauen. Für den Anbau in einem Maisfeld spricht, dass die Wasserversorgung so gut wie von alleine funktioniert, dass das Graben ein Kinderspiel ist und der Boden schon ausreichend gedüngt ist. Diese vermeintlichen Vorteile sind allerdings auch gleichzeitig die größten Nachteile, denn viele verschiedene Phänotypen haben die Eigenschaft, diese Düngerstoffe einzulagern und sie erst beim Rauchen wieder freizusetzen. Das Gras hat dann einen metallischen Geschmack und ist ziemlich kratzig, und zum Erntezeitpunkt ist es noch knallgrün. Weitere klare Nachteile resultieren aus dem unbekannten Erntezeitpunkt der Maispflanzen und der Gefahr der (zufälligen) Entdeckung bei Hubschraubereinsätzen. Ungünstig ist am Ende auch, dass man einige Pflanzen des Bauern entfernen muss, um Platz für seine eigenen zu schaffen. Dazu kommt, dass Landwirte – ganz wie gemeine Hanfdiebe – in letzter Zeit immer mehr dazu übergehen, die Felder systematisch mit Drohnen abzufliegen. So sind artfremde Pflanzen relativ leicht zu entdecken.
Wer also in den beliebten Hanfanbaugebieten in Maisfeldern growen will, der sollte darauf achten, dass die Pflanzen nicht zu regelmäßig gesetzt werden, sodass von oben kein Muster erkennbar ist. Hinzu kommt, dass man auch nicht zu viele Maispflanzen entfernen sollte, da größere Löcher aus der Luft sofort ins Auge stechen.
Der letzte große Nachteil liegt in der Aggressivität der Pollen der einhäusigen Maispflanzen. Beim Gang durch das Feld wird man von oben bis unten mit Pollen vollgerieselt. Mein Grow-Kollege hatte so rote Augen und üblen Hautausschlag, dass er nie wieder in ein Maisfeld reinwollte. Selbst ich, der nie irgendwelche Allergieprobleme hatte, bemerkte, dass mir diese Pollen in dieser Menge gar nicht gut taten.
So wurde auch das Kapitel „Maisfeld-Grows“ nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Saisons wieder beendet.
Eine Saison lang war mein Grow-Kollege im Ausland, also hatte ich nun völlig freie Bahn. Inzwischen war ich auch davon angefixt, eigene Samen zu produzieren. Also nutzte ich die mit der neuen Freiheit verbundene Gelegenheit und begann mit regulärem Saatgut zu arbeiten, welches ich dann selbst kreuzte.
Zufällig hatte ich drei gute Spots gefunden, die ich zunächst entsprechend vorbereitete. Ein Spot war an einem Südhang, die anderen beiden (durch umliegende Bäume und Südwestausrichtung) etwas geschützter. Während die Pflanzen am Südhang verdursteten, hatte ich an den beschatteten Plätzen keinerlei Wasserprobleme.
Unseren alten Spot an den Bahnschienen hatte mein Kollege auch noch einmal vorbereitet, bevor er seine Reise antrat. Dort habe ich dann auch (wie gewohnt) wieder einige Pflanzen hingestellt, aber beim nächsten Kontrollgang traf mich fast der Schlag: Die Pflanzen waren alle abgefressen, vermutlich hatten sich hier Rehe bedient. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sich Rehe zwischen die Schienen und bis zu unserem Spot wagen würden. Eine Erklärung dafür fand ich aber auch gleich: Der trockene Sommer hatte die Rehe wohl zu unseren mit Wasser gefüllten Mörtelwannen gelockt. Also wurden die verbliebenen Pflanzen eingezäunt, was zumindest die Rehe fernhielt. Das Dumme war, dass die bereits gewachsenen Pflanzen die beigemischten Nährstoffe zum größten Teil schon aufgebraucht hatten, wodurch die Stecklinge (die mir ein guter Freund zur Verfügung gestellt hatte) nicht mehr richtig anwuchsen.
Zur Nährstoff-Problematik kam dann auch noch die Wasser-Knappheit hinzu. Im Frühjahr ist es ja kein Problem, Pflanzen auszuwildern und einfach draußen wachsen zu lassen. Im Sommer hingegen, wenn es bereits heiß und trocken ist, erreichen die Pflanzen nicht mehr ohne Hilfe (also ohne Gießen) die tieferen, feuchten Erdschichten, um sich so selbst ausreichend mit Wasser zu versorgen. Sie werden durch die Hitze zur Transpiration gezwungen, um die Blatttemperaturen möglichst niedrig zu halten. Das ist bei bereits etablierten Wurzelsystemen kein Problem. Wenn diese aber fehlen, dann vertrocknen die Pflanzen einfach.
Inzwischen bin ich umgezogen und musste mir in meiner neuen Heimat erstmal neue Spots suchen. Durch die Erfahrungen der letzten Jahre mit Dürreperioden und meinen guten Erfahrungen mit den beschatteteren Plätzen, hielt ich genau nach solchen Orten Ausschau. Ich hatte Glück und fand im Bereich eines Überschwemmungsgebietes mehrere Spots, die ganzjährig feucht genug sind. Diese Plätze bewirtschafte ich inzwischen im zweiten Jahr.
Seit 2020 mache ich das Ganze als One-Man-Show. Die Samenproduktion gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung, was einen recht einfachen Grund hat: Mein Konsum ist mit ein-zwei Tüten am Tag eigentlich relativ gering. Das hatte zur Folge, dass mir in den letzten Jahren einiges an Gras verdarb und in der Tonne landete. Bei Samen sieht das Ganze etwas anders aus, denn sie sind haltbarer, riechen nicht, und es macht einfach tierisch Spaß eigene Samen zu verwenden. Darüber hinaus kann man so auch einen eigenen Beitrag zur Erhaltung seltener Arten leisten.
Irgendwie kommt es mir manchmal so vor, als hätte mich diese Pflanze geradezu beauftragt, für ihre Erhaltung und Verbreitung zu sorgen, also hatte ich von einem Breeder in Kanada Samen im Wert von 2000 Euro gekauft. Da war mir schon klar, dass ich nicht einfach nur die Samen anbaue, die Männer entsorge und samenlose Blüten ernte. Damit hat im Prinzip alles begonnen. Außerdem verteilte ich die Samen auch kostenlos an befreundete Grower, die sie anbauten, wodurch ich mich an vielen schönen Bildern erfreuen konnte. Der eine oder andere machte dann wieder eine weitere Kreuzung damit, und manchmal kommen dann sogar wieder ein paar dieser Kreuzungen zu mir zurück. Damit kann ich eigentlich auch nur gewinnen.
Allerdings birgt der Anbau von regulärem Saatgut auch das Risiko, dass man nie weiß, welche Pflanzen welches Geschlecht entwickeln werden. Man braucht also mehrere Pflanzen. Die Ernte kann dann sehr üppig ausfallen oder auch nicht. Welche Sorten wie vermehrt und untereinander gekreuzt werden können, weiß man meistens erst im Herbst.
Im Jahr 2020 war mir das Geschlecht aber schon sehr früh bekannt. Aufgrund von gutem Wetter und zu viel Wohnungsluft zu Beginn von Corona hatte ich die Samen bereits in der letzten Märzwoche ausgesät, was zur Folge hatte, dass die Pflanzen Ende April bis Anfang Mai bereits in die Blüte gehen wollten, da die Tageslänge noch recht kurz und die Geschlechtsreife bereits da war. Das hatte den Nachteil, dass viele Pflanzen bereits anfingen zu blühen. Mit dem Beginn der Blüte verändert sich bei Cannabis auch der Hormonhaushalt. Die Pflanzen strecken sich, und die Produktion der Blütenkelche beginnt. Die Rückkehr aus der Blütephase in das vegetative Wachstum ist von der Natur nicht vorgesehen. Man verliert also durch zu frühes Ansähen mehr Zeit als man gewinnt. Ohne Kunstlicht sollte daher nicht vor Mitte April ausgesät werden. Der Vorteil war jedoch, schon beim Auswildern das Geschlecht der Pflanzen zu kennen und die Spots entsprechend bestücken zu können. So waren die Pflanzen besser verteilt.
Im letzten Jahr war auch die Reproduktion mehrerer, recht seltener Sorten geplant: Tom Hills Deep Chunk, die Erdbeer sowie eine Sorte, die ich von einem Kollegen bekam: Thai Gum. Darüber gibt es nur recht wenige Infos. Alles, was bekannt ist, ist, dass sie von einem österreichischen Hippie stammte, der auch bei der Entstehung von O.G.Kush-Lemon Larry mitwirkte. Er hatte wohl eine Thai-Landrasse so gekreuzt, dass sie auch in den österreichischen Alpen gedeiht. Ich habe es dann zu meiner Aufgabe gemacht, diese alte Sorte zu reproduzieren und sie der Community zugänglich zu machen.
Die Deep Chunk ist leider komplett verschimmelt, bevor auch nur ein einziger Samen zur Reife gelangte. Ich hatte schon gelesen, dass die Sorte eine „mold trap“ sein soll – so konnte ich mir nun ein eigenes Bild machen, welches leider nicht vom Hörensagen abwich. Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich bei der Deep Chunk einige Fehler gemacht habe. Umweltschutz ist ja gerade sehr in Mode, daher verwenden viele Grower ihre Erde mehrmals. Ich hatte bis dato keine guten Erfahrungen damit gemacht, wollte der Sache aber (was auch meiner Bequemlichkeit geschuldet war) noch eine Chance geben.
Seit dem Beginn meiner ambitionierteren Outdoor-Versuche habe ich immer Mike Merediths Erdrezept aus dem Buch „I love it“ verwendet. So ungesund seine Indoor-Pflanzen auch aussahen – umso schöner waren seine Outdoor-Pflanzen im Garten. Die Mischung beinhaltet (grob gesagt) Kalk, Urgesteinsmehl, Knochenmehl (wurde nach BSE allerdings nicht mehr vertrieben, daher nun Hornmehl als Ersatz), Hornspäne, 5 % Perlite und Rinderdung. Natürlich lässt sich das beliebig abwandeln, man kann auch Dinge hinzufügen (z. B. Seevogel-Guano) oder weglassen – das ist alles kein Problem. Die Verwendung von Hornspänen ist jedoch etwas zweifelhaft, da diese lange brauchen, bevor sie sich auflösen und für die Pflanzen verfügbar werden. Der allgemeine Konsens lautet, dass Hornspäne im Herbst des Vorjahres auszubringen sind, damit sie im Folgejahr wirksam werden.
Tierisches Horn ist ein guter Dünger und im Umfeld des eigenen, befriedeten Gartens auch empfehlenswert. Es hat jedoch den großen Nachteil, dass einige Wald- und Flurbewohner davon magisch angezogen werden. So graben Wildschweine und auch Füchse die komplette Erde um, auf der Suche nach dem Duft des Tieres, welches sich da zu verstecken scheint.
Das Austauschen der Erde kann auch vermieden werden, wenn man einen Spot wählt, der schon gute Erde hat. Dabei kann man sich meist gut an Zeigerpflanzen orientieren. Es gibt viele davon, doch die Wichtigste ist wohl die Brennnessel und eigentlich auch die Einzige, auf die ich achte. Zusammen mit genug Grundfeuchtigkeit kann man im Prinzip auf Erdaustausch und das Gießen verzichten.
Nun ist es aber leider oft so, dass die Spots, die für uns Outdoor-Grower in Frage kommen, meist nicht mit allzu guter Erde gesegnet sind. Logisch, denn sonst würden diese Flecken ja längst landwirtschaftlich genutzt werden. Ich habe mir daher inzwischen angewöhnt, auch bei guter Erde immer etwas Erde zu tauschen und zumindest Dung auszubringen. Der Hintergrund ist, dass die Blumenerde frei von Wurzeln ist, anfangs besser das Wasser hält und keine großen Furchen aufwirft. So wird den Jungpflanzen der bestmögliche Start garantiert. Haben sich die Pflanzen erst einmal etabliert, dann funktioniert auch meist der vor Ort befindliche Boden.
Unter Growern hat sich mittlerweile die Meinung etabliert, dass je abgewrackter die Pflanzen gegen Ende aussehen, desto besser. Denn unterernährte Pflanzen haben eine geringere Schimmelanfälligkeit und eine frühere Ernte zur Folge, was vor allem bei Sorten eine Rolle spielt, die eigentlich nicht 100%ig für Outdoor in unseren Breiten geeignet sind und die einen goldenen Herbst benötigen. Bei einer zu hohen Nährstoff-Verfügbarkeit werden die Zellwände oft weich und Krankheitserreger bzw. Schimmelsporen können sich besser einnisten. Prinzipiell bin ich damit einverstanden, jedoch hat das auch irgendwo eine Grenze. Ich mag Pflanzen, die zum Ende hin eine schöne Herbstfarbe präsentieren, aber wenn die bereits zur Mitte der Blüte alle ihre Sonnensegel verlieren, dann ist das nichts, was ich persönlich erstrebenswert finde.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar meiner Lieblingssorten der letzten Saison vorstellen und auch kurz etwas zur der jeweiligen Wirkung sagen.
Erdbeer
Ursprünglich als Clone-only-Sorte aus der Schweiz bekannt, hatte diese Sorte mal viel von sich reden gemacht. Leider geriet sie in den letzten Jahren immer mehr in Vergessenheit. Die breite Masse interessiert sich eben eher für gehypte Ami-Sorten als für verhältnismäßig schwache, ursprüngliche Sorten. Man ist sich nicht einig, ob der Sortenname Erdbeer von den Terpenen (also dem Geruch) oder eher von der Form der Knospen herrührt. Von der Wirkung her ist die Sorte ganz gut, jedoch nicht wirklich stark. Sie hat eine leicht beruhigende Wirkung und (so habe ich mir sagen lassen) sie eignet sich hervorragend für die Gartenarbeit und Ähnliches. Der Geruch ist (je nach Pflanze) fruchtig, beißend oder er kann auch tatsächlich in Richtung Erdbeere gehen. Eher etwas für Liebhaber von Klassikern, als für Royal Queen Seeds-Kunden.
Aunt of Farouk
Diese Sorte ist mir im Laufe des Grows besonders ans Herz gewachsen. Verkauft wird sie durch das Derg Cora Collective über diverse Plattformen. Aunt of Farouk ist eine pakistanische Landrasse, welche von einem Pakistaner aus seiner Heimat mitgebracht und dem dänischen Züchter Bald Monkey übergeben wurde. Er hatte sie wohl hinter dem Haus seiner Tante und seines Onkels in einem kleinen Dorf in Pakistan gefunden. Aunt of Faruk-Pflanzen blühen spät, sind ultraharzig und haben einen starken Geruch von verbranntem Gummi mit einem undefinierbaren Fruchtanteil darin. Die Wirkung ist stark sedierend, man schläft nach dem Konsum tief und fest. Genau das Richtige für laue Winterabende.
Grand Daddy Purple x Original Haze
Diese Samen habe ich von einem privaten Züchter bekommen. Generell gibt es gerade wieder einen Run auf ursprüngliche Sorten, die gemeinhin als Landrassen bezeichnet werden. Die O’Haze ist sicherlich eine dieser ursprünglichen Sorten, als Kreuzungspartner ist sie in viele der heutigen Hybride mit eingeflossen. Hergestellt wurden die O’Haze-Samen von Sam the Skunkman für die Samenbank „Seedsman“, die sie dann unter ihrem Label verkaufte. Die Samen sind schon seit geraumer Zeit nicht mehr erhältlich und nur noch in den Schatztruhen einiger privater Sammler zu finden. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich von einem Grow-Kollegen reine O’Haze-Samen geschenkt bekam. Bereits nach wenigen Wochen am Spot kristallisierte sich bereits heraus, dass diese Sorte hoch hinaus will. Die Originalgenetik blüht bis zu 14 Wochen lang und die Grand Daddy Purple ist auch keine ausgewiesene Outdoor-Sorte. Das Wachstum sollte zwar kein Problem sein, aber wie wird es sich mit der Blüte und vor allem der Reife verhalten? Und schimmelt vielleicht alles schon vor der Ernte weg?
Die Pflanze begann erst richtig zu blühen, als die meisten anderen Pflanzen bereits abgeerntet waren. Dadurch konnte sich die Pflanze massiv ausbreiten und hatte in der Folge eine Grundfläche von ca. drei mal drei Metern eingenommen, bei einer Höhe von etwa 5,5 Metern.
Nachdem die Vorblüte lange stagnierte, ging es zum Ende hin dann doch ganz schnell. Innerhalb von drei Tagen hatten sich die meisten Narben bräunlich verfärbt und die Pflanze zeigte damit pünktlich zu
Halloween ihre Reife an. Auch Schimmel war so gut wie nicht vorhanden – somit war es 2020 gelungen, eine 50%ige O’Haze hier in Deutschland erfolgreich outdoors zu kultivieren.
Die Wirkung dieser Sorte ist schön, kraftvoll, klar und lang anhaltend. Der Geruch erinnert an Weihrauch, feine Holznoten und Beeren-Nuancen. Ans Schlafengehen ist für zwei-drei Stunden nach dem Konsum nicht zu denken, denn die typische O’Haze-Wirkung lässt einen entweder in Gedanken versinken oder körperlich aktiv werden. Auch für gemütliche Stunden zu zweit ist dieses Gras genau richtig. Man ist leicht aufgedreht, hibbelig und durchaus offen für Körperkontakt.
Diese Pflanze warf einen 20-Liter-Eimer voller Blüten ab – damit werde ich sicher noch einiges an Spaß haben.
Growen ist für mich ein tolles Hobby. Bei den Pflanzen in der Natur zu stehen fühlt sich immer wie ein kleiner Urlaub an. Der stressige Alltag ist für eine Zeit lang vergessen, wenn man an seinem Spot tätig wird. Außerdem kann ich durch die Wahl der Sorten auch direkten Einfluss auf die Qualität meines Grases nehmen. Und da ich selber Samen produziere, habe ich mich inzwischen auch unabhängig vom kommerziellen Samenmarkt gemacht. Wenn man das wirklich will, dann kann man es auch erreichen. In diesem Sinne:
Grow your own!