Ende Dezember trafen wir in einer kleinen Bar in Los Angeles den umtriebigen Cannabis-Einzelhändler El Pato Fumador, der sich hier trotz der hohen Dichte der legalen Hanfapotheken nicht über mangelnde Kundschaft beschweren kann. Der gebürtige Mexikaner kam vor über 20 Jahren illegal in die USA, und in Ermangelung anderer Verdienstmöglichkeiten spezialisierte er sich auf das Scratchen und Mixen von Schallplatten. Und den Handel mit Cannabis. Nach unserem Interview in der Bar in North-Downtown-L.A. fuhren wir El Pato bis zum Ocean Park hinterher, um dort noch ein paar nächtliche Fotos von ihm vor typischer Stadtkulisse zu schießen. Unterwegs hielten wir allerdings nochmal an und El Pato ging in ein hübsches Einfamilienhaus in den Hollywood Hills, um hier nur schnell „etwas abzugeben“ – am Ocean Park angekommen, wartete hier auch schon ein Auto auf ihn, in dem er erstmal für ein paar Minuten verschwand. Danach baute er sich eine Pur-Tüte in seinem Auto, während sein Hund auf der Rückbank aufmerksam die gesamte Umgebung im Auge behielt. Kurz darauf spazierten wir zusammen durch den Ocean Park und erfuhren, dass hier im Sommer immer ganz viel buntes Volk herumliege und auch zahlreiche Cannabis-Schwaden produziere. Wir produzierten dann nur eine ganz kleine Tüte, als wir die Fotos schossen – aber natürlich nutzten auch wir die Gelegenheit und kauften für 50 Dollar ein wenig von seinem besten Gras …
Was weißt du über die rechtliche Situation in Bezug auf Cannabis in und um L.A.?
Ich weiß, wie viel ich mit mir herumtragen oder wie viel ich zu Hause haben kann und welche Vorzüge so eine Medical-Cannabis-Lizenz hat – damit kann man immerhin bis zu sechs Unzen Gras (ca. 168 Gramm) ganz legal dabeihaben. Oder sechs Pflanzen anbauen, von denen drei in der Blüte stehen. Ich würde sagen, ich weiß genug, um weitestgehend gefahrlos die Schlupflöcher in der Gesetzgebung nutzen zu können – auch wenn sich die Gesetzeslage immer mal wieder verändert. Es werden immer noch Verteilstellen von der Regierung geschlossen, die dann kurz darauf an einem anderen Ort wieder aufmachen. Wir haben hier in unserem Bezirk mehr Dispensaries als die Summe aller Starbucks- und McDonalds-Fillialen – zumindest hier in North-Downtown-L.A. und rund um den Echo Park. Zudem gibt es hier viele angesagte Clubs und Kneipen, und so kommen Leute aus ganz L.A. hierher zum Feiern, während andere sogar aus weit entfernten Landesteilen hierher ziehen, um ihre Ruhe zu haben. Denn obwohl man hier gut weggehen kann, ist es auch ein ganz entspannter Kiez, in dem man gut und weitestgehend unbelästigt von Gesetzeshütern leben kann. Hierher verschlägt es insbesondere unangepasste Musiker und andere Künstler, die einfach ihre Ruhe haben wollen – und die kriegen sie hier. Und das beste Gras der Stadt gleich mit dazu.
Manche behaupten ja, das beste Gras käme heutzutage nicht mehr aus den Niederlanden, sondern aus Kalifornien – würdest du das auch so sehen?
Auf jeden Fall – ich war zwar noch nicht selbst in Amsterdam, aber alle meine Freunde, die schon dort waren, sagten mir dasselbe nach ihrer Rückkehr. Das Gras ist zum Teil schon nicht schlecht – aber es ist kein OG Kush. Das ist eine L.A.-Sorte, die hier gerade mächtig angesagt ist – jeder will sie, und das muss ja wohl einen Grund haben. Es gibt aber auch viele andere gute Sorten – weiter im Norden, in Richtung Oakland und San Francisco wird viel mehr auf biologisch angebautes Weed geschworen, insofern kann man nicht behaupten, dass in Kalifornien dieses oder jenes Gras besonders beliebt ist. Die Nachfrage schafft das Angebot – insofern ist auch der Cannabismarkt ein ganz kapitalistischer. In gewisser Weise ist das hier immer noch der „Wilde Westen“ mit einem Haufen Möglichkeiten, sein Geld zu machen. Mit Cannabis zu dealen, ist so eine Möglichkeit für mich.
Das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ist also kein Mythos für dich?
Nein, das würde ich nach wie vor so sehen – auch wenn die Möglichkeiten heutzutage anders daherkommen als noch vor hundert Jahren. Und sie definieren sich auch darüber, wer du bist und was du als Chance begreifst. Bei der Orangenernte ein paar Dollar zu verdienen, ist für viele meiner Landsleute bereits eine großartige Möglichkeit. Wenn jemand aus einer reichen US-amerikanischen Familie aufs College und später an eine Elite-Uni geht, dann ist das auch eine großartige Möglichkeit. Man muss einfach Chancen erkennen, die sich einem bieten, und sie dann auch beherzt ergreifen. Und manchmal muss man dann eben auch gewisse Risiken eingehen – für mich ist es einfach das Größte, Musik zu machen. Und mit Cannabis finanziere ich meinen Traum, den ich so leben kann – ich bin ja nun schon viele Jahre hier. Und nach so vielen Jahren im Weed-Business würde ich mich durchaus als eine Art Herb-Connaisseur bezeichnen, denn ich weiß ja, was mir in Bezug auf Aroma und Wirkung selber am besten gefällt. Wenn dann mal alles zusammenkommt – das Aussehen, der Geruch, der Geschmack und der THC-Anteil – dann ist das ganz klar das künstlerische Ergebnis eines außergewöhnlichen Grow-Talents. Das weiß ich dann ebenso zu schätzen wie meine Kunden.