CiA-201404

Tanzen und Kiffen für Senioren

Frau Purfürst* ist seit Langem Musiklehrerin an einer Grundschule im Südwesten Berlins und wird bald in Rente gehen. Mir fällt sie auf einem Lernworkshop auf, einmal, weil sie dort mit Abstand die Älteste ist, vor allem aber, weil es aus ihrer großen geöffneten Tasche so vertraut duftet. Nach der Veranstaltung spreche ich sie vorsichtig darauf an. Danach kann ich sie zu einem spontanen Interview in einem nahe gelegenen Café einladen und versichere ihr natürlich, dass sie anonym bleibt.

Frau Purfürst, ich bemerke einen deutlichen Geruch aus ihrer Handtasche, konsumieren sie Cannabis?

Also erst einmal ist mir das furchtbar unangenehm, dass Sie etwas bemerkt haben, denn ich wähnte mich hier sehr sicher, auch wenn ich mir gerade kurz vorher etwas für die Winterferien gekauft hatte. Aber Sie scheinen ja vom Fach zu sein. Ja, ich mache das jetzt seit 47 Jahren, damals war ich siebzehn Jahre alt und hasste alle meine Lehrer. Jetzt werde ich vierundsechzig, bin selber Lehrerin und immer noch gut dabei.

Wie kam es zum ersten Konsum bei ihnen?

Ich weiß noch, dass ich zum ersten Mal in den großen Ferien 1967 geraucht habe. Wir saßen nachmittags im Schrebergarten von Freunden zusammen und jemand hatte etwas Schwarzen Afghanen dabei. Vorher wollte ich nie mitrauchen, weil mich allein schon der Zigarettenrauch der anderen störte. Diesmal aber saßen wir draußen, wir hörten den AFN-Sender im Radio und es wurde pur in einer kleinen Metallpfeife gedampft. Weil die anderen so begeistert waren, dass der Rauch so mild sei, zog ich auch ein paarmal mit dran. Es fühlte sich angenehm bitter im Mund an und erinnerte mich an dunkle Schokolade, vielleicht, weil der kleine geknetete Kegel in der Pfeife auch so aussah.

Und wie hatte diese erste Pfeife bei ihnen gewirkt?

Ich habe die ganze Zeit in meine Hand gekichert, weil ich so aufgeregt war. Aber an eine direkte Wirkung wie heutzutage kann ich mich nicht erinnern. Es war eher das Gefühl, noch ein Stückchen mehr mit den anderen verbunden zu sein. Ein Protestgefühl machte sich in mir breit. Wir machten ja auch politische Arbeit zusammen, wie das Herausgeben einer Schülerzeitung, in der wir immer wieder die Gesellschaft kritisierten. Und wir gingen ständig auf Demonstrationen. Wer damals kiffte, zeigte, dass er mit dem System nicht einverstanden war. Das war einfach und brauchte keine großen Worte, wenn wir untereinander waren.