Nach einem Jahrzehnt im Untergrund erschien Ende Oktober das Debutalbum 16:9 des Offenbacher Rappers JAM. Er bezeichnet seinen Stil als „ehrlichen Rap“ und hebt sich in der Tat von vielen aktuellen HipHop-Künstlern ab. Wir trafen uns in Berlin mit JAM zu einem Gespräch über Filmmusik, Schlager-Rapper und den „real shit“.
Hallo JAM, 16:9 ist dein erstes „eigenes“ Album, du bist aber schon seit Ewigkeiten am Start. Wann hast du deinen ersten Reim geschrieben, wann ins Mikro gerappt?
Das war quasi schon in der Steinzeit. Ich war wohl zwölf oder dreizehn Jahre alt. Steinzeit deswegen, denn es gab noch kein Internet, kein Facebook, kein Myspace. Man konnte sich nicht einfach Beats aus dem Web herunterladen oder aufgenommene Tracks an Kumpels schicken. Man traf sich im Jugendzentrum. Dort haben wir die Beats mit der Groovebox gebastelt und live dazu gerappt. Anfangs wurde nur improvisiert, dann haben wir uns CDs mit Instrumental-Tracks bekannter Künstler gekauft und dazu gerappt. Später wurden die ersten eigenen Texte auf Papier gebannt, die ersten eigenen Songs komponiert. Schließlich fanden wir in Offenbach ein Studio, in dem wir unsere Stücke aufnehmen konnten.
Nach den vielen Jahren im Untergrund ist nun dein erstes eigenes Album auf dem Markt. Du betitelst deinen Style als „ehrlichen Rap“, singst in einer Textzeile „für die Jungs aus der Gegend“. Auf dem Album gibt es den selbstbetitelten Song „J-A-M“, der eine wirklich harte Lebensgeschichte erzählt. Ist „J-A-M“ deine – ehrliche – Story?
Ja. Das ist komplett meine Story. In dem Stück habe ich mein Leben Revue passieren lassen und so gut es ging auf Songlänge zusammengefasst. Es ist für mich einer der wichtigsten Songs auf dem Album. Zum einen natürlich weil er meine Geschichte erzählt, zum anderen, weil man in diesem Song merkt, dass nichts geschönt wurde. Was ich dort erzähle, ist weder über- noch untertrieben. Der Begriff „ehrlicher Rap“ ist leider ziemlich ausgelutscht. Trotzdem verwende ich ihn, denn ich hatte eine andere Schule als die Generation, die heute „Rap macht“. Viele vermitteln in ihren Texten andere Werte, als ich sie kenne und für wichtig erachte. Ich finde es daneben, wenn ein Künstler immer wieder betont, wie krass er ist, wie viele Drogen er verkauft, wie viele Bitches er am Laufen hat. Mich haben andere Aussagen im wahrsten Sinne des Wortes charakterlich geprägt. Ganz besonders die Texte von Azads Album Leben gaben mir in jungen Jahren eine Richtung. Es sind einfache Aussagen wie „Dein Charakter bestimmt dein Schicksal“, die meine Vorstellung von Werten widerspiegeln. Ebenso glaube ich, dass ich mit meinen Texten für viele spreche, die sich im deutschen Rap nicht mehr repräsentiert fühlen. Oft hört man überzogene Phrasen wie „Ich sauf Champagner und schmeiß mit Geld um mich“. Also mal ehrlich: Wie viele Menschen kennst du, die Schampus saufend mit Geld um sich werfen? Ich kenne keine. Ich möchte all den Hustlern und Strugglern eine Stimme geben. Denen, die täglich den Kampf um die einfachsten Dinge führen müssen, die schauen müssen, wo sie bleiben. Ich möchte ihnen Mut machen, Hoffnung geben, vielleicht auch mal einen guten Rat erteilen. Und wenn ich ihnen eine Message mit auf den Lebensweg geben kann, die sie im positiven Sinn weiterbringt, dann hab ich mein Ziel erreicht.
Hier das Video zu JAM´s „Coffeeshop Flavour“: