Editorial-201502-002

thcene 02/2015 (März-April)

Zunächst könnte man meinen, es gäbe Grund zur Hoffnung für all jene Menschen in Deutschland, die Cannabis als Medizin  nutzen.

In einem Interview mit der Zeitung Die Welt kündigte die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler jüngst an, dass die Regierung noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur Kostenübernahme von Cannabis-Präparaten und -Blüten durch die Krankenkassen in den Bundestag einbringen wird. Damit reagieren Merkel, Mortler & Co auf den Druck vom Deutschen Hanfverband, dem Selbsthilfenetzwerk Cannabis als Medizin und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin – und auf Umfrageergebnisse, nach denen über 80% der Befragten für Patienten einen leichteren Zugang zu Cannabis als Medizin fordern.

Ankündigungen wie diesen sollte man allerdings mit Skepsis begegnen – lässt sich den vagen Statements zufolge doch vermuten, dass die Politik hier nicht von der Freigabe von medizinischem Cannabis redet, welches man dann auch in der eigenen Wohnung oder im Garten ziehen könnte, sondern vor allem von teuren synthetischen Präparaten wie Dronabinol und Sativex aus den Labors der Pharmaindustrie.

Seit 2006 das Verfassungsgericht entschieden hat, dass die Versorgung von Patienten mit einem notwendigen Medikament durchaus im öffentlichen Interesse liegt und seit der Druck durch Patienten und Öffentlichkeit weiter zunimmt, sieht sich die Bundesregierung immer mehr gezwungen, gewisse Zugeständnisse zu machen. Aber anstatt eine zeitgemäße, notwendige und mutige Politik zu machen, stellt sie sich eher träge an. Die kostengünstigste und beste Lösung (auch den Anbau für den Eigenbedarf zu legalisieren) wird politisch und juristisch bisher blockiert.

Wann man als Freizeitkonsument mit einer Verbesserung der Situation oder gar einer Legalisierung rechnen kann, darüber diskutierten im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit dem Titel “Die wilden Neunziger” einige Pioniere der Bewegung: Autor Mathias Bröckers, Anwalt Mathias Schilo, Richter Wolfgang Neskovic, Hanfparade-Aktivist Martin Müncheberg und Rolf Ebbinghaus vom Hanf Museum Berlin. Die Runde war so interessant und reich an Informationen, dass wir das Ganze schriftlich festgehalten haben – aber auch sonst hoffen wir, Euch mit dieser Ausgabe wieder eine gelungene Mischung Lesestoff geliefert zu haben.