Editorial-201902

Schritt für Schritt dem Ziel entgegen

Seit Anfang des Jahres ist es offiziell: Das Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat empfohlen, Cannabis aus der restriktivsten Kategorie (Schedule IV) – in der auch Substanzen mit sehr viel größerem Suchtpotenzial  wie z.B. Heroin gelistet sind – des internationalen Einheitsabkommens über Betäubungsmittel („Single Convention on Narcotic Drugs“) von 1961 in die Kategorie I umzustufen. Sollten die Mitgliedstaaten der Empfehlung mehrheitlich zustimmen, wäre Cannabis laut WHO keine Substanz „ohne medizinischen Wert und Anwendung“ mehr.

Für die einen stellt dieser Vorschlag der UN-Experten „ein Meilenstein“ auf dem Weg zur Legalisierung dar, aber vielen Legalisierungsaktivisten – die fordern, dass Cannabis komplett aus der Single Convention gestrichen wird – geht die Einsicht der internationalen Bürokraten nicht weit genug. Tatsache ist, dass die Empfehlung des Expertenkomitees und die nun zu erwartenden Gesetzesänderungen den vielen bedürftigen Patienten weltweit in Zukunft den Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern wird. Vor allem, weil das Expertenkomitee Cannabidiol (CBD) und Produkte, die nicht mehr als 0,2 % THC enthalten, aus der Single Convention streichen und den Handel damit grundsätzlich freigeben will. Zur Zeit bewegen sich Hersteller, Händler und Konsumenten CBD-haltiger Hanfblüten aber noch in einer rechtlichen Grauzone und mitunter der Willkür der Behörden ausgeliefert.

Auch wenn man von unserer Regierung nicht erwarten konnte, dass sie die grundlegenden Fehler, die in der Vergangenheit in der Drogenpolitik gemacht wurden, von heute auf morgen eingesteht und z.B. gleich das Cannabis-Verbot kippt, so sind das doch alles kleine Schritte in die richtige Richtung. Unser Ziel ist aber erst dann erreicht, wenn die Hanf-Pflanze wieder ganz unabhängig von ihrem THC-Gehalt und in all ihren Formen auf Balkonen oder Feldern gedeihen kann. Denn neben dem vorrangigen Recht, Zugang zu einer dringend benötigten Medizin zu haben, muss langfristig auch das Recht auf persönliche Entfaltung und damit das Recht auf einen verantwortungsvollen Konsum psychoaktiver Substanzen durchgesetzt werden.

Die Geschichte hat uns eins gelehrt: Freiheit wird einem selten gegeben – man muss wohl so frei sein, sie sich einfach zu nehmen.