Über diesen unglaublichen Fall sprachen wir auch mit einer praktizierenden Unfallärztin, die uns ihre fachliche Meinung dazu mitteilte – allerdings war sie nur bereit, anonym mit uns zu sprechen, da Cannabis ihrer Meinung nach noch immer ein sehr schlechtes Image unter der deutschen Ärzteschaft habe und sie nicht unter dieser Fehleinschätzung leiden wolle…
Was halten Sie ganz grundsätzlich von einer medizinischen Behandlung nach Schema F? In dem vorliegenden Bericht ist ja während der Chemotherapie von acht Tabletten täglich die Rede, die z. T. nur dazu dienen, die jeweiligen Nebenwirkungen abzumildern…
Dass ein Medikament eine Nebenwirkung hervorruft, die mit einem anderen Medikament therapiert wird, kommt durchaus vor – auch unabhängig von einer Krebserkrankung. Und die Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind tatsächlich vielfältig und können jedes Organsystem betreffen, da eine Chemotherapie immer auch die gesunden Zellen des Körpers schädigt. Es ist auch nach wie vor der medizinische Standard auf entsprechende Schemata zu schauen, die bestimmte Einnahmezyklen für bestimmte Wirkstoffe vorschreiben. Diese Schemata werden – je nach Studienlage – zwar auch immer mal wieder aktualisiert, aber das hängt letztendlich davon ab, ob in den entsprechenden Bereichen neue Forschungsergebnisse erzielt und veröffentlicht wurden. Außerdem werden Patienten heutzutage in ihrer Empfänglichkeit für Medikamente auch immer individueller betrachtet – so werden z. B. auch Unterschiede zwischen Mann und Frau in Bezug auf die Symptome gemacht. Denn manchmal zeigen sich geschlechtsspezifisch ganz verschiedene Symptome bei identischen Krankheitsbildern. Hier ist noch viel Forschung nötig, aber ich kann Ihnen ganz grundsätzlich versichern: Auch Ärzte machen sich Gedanken.
Selbst offene und dem Wohl der Patienten verpflichtete Ärzte scheuen sich immer noch oft, Cannabis als Medizin zu verschreiben – sie verweisen dann auf den großen bürokratischen Aufwand, die hohen Kosten und fehlende Studien. Sind das Schutzbehauptungen oder ist da was dran?
Das Problem in Sachen Cannabis als Medizin ist das fehlende Wissen und die fehlende Erfahrung. Zudem steckt auch noch oft eine veraltete Sichtweise in den Köpfen vieler Mediziner. In der Schulmedizin ist ja kaum traditionelle Naturheilkunde enthalten, dafür aber so etwas wie Homöopathie, die kurioserweise – auch ganz ohne klaren Wirkungsnachweis – von Krankenkassen bezahlt wird. Hier werden Präparate, die nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirken, von den Krankenkassen erstattet.