Die psychische Gesundheit bzw. die seelische oder mentale Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem ein Mensch seine Fähigkeiten ausschöpfen, normale Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten kann. Sie ist eine Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe. Beeinträchtigungen der Psyche sind heute weit verbreitet und weisen ein Spektrum von leichten Beeinträchtigungen bis zur Pflegebedürftigkeit auf. An einer psychischen Erkrankung zu leiden, geht meist mit erheblichen individuellen und gesellschaftlichen (wie z. B. beruflichen) Folgen einher. Auch wirkt sich die psychische auf die physische Gesundheit aus, was sich besonders deutlich bei somatoformen Störungen zeigt.
Die psychische Gesundheit wird von einigen Risikofaktoren beeinflusst, aber auch von Schutzfaktoren. Zu Ersteren zählen berufliche Belastung, schwerwiegende Lebensereignisse, Persönlichkeitsfaktoren, sozialer Status und Lebensführung; zu den Letzteren gehören soziale Unterstützung, psychische Widerstandskraft und gesunde Lebensweise (diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit). Durch die hohe Verbreitung von Erkrankungen wie Depression, Angst, Sucht und Demenz, besteht auch eine hohe Relevanz für das öffentliche Gesundheitssystem. Um dies klarer zu machen: bundesweit hat jeder vierte Erwachsene innerhalb eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllt. Insgesamt sind dies 18 Millionen Betroffene und deren Angehörige, die massiv leiden. Sie sind der häufigste Grund für die Frührente und die zweithäufigste Ursache für Krankheitstage. Dem entgegen stehen in Deutschland 13.500 Psychiater und weitere Berufsgruppen wie Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Psychologen usw., welche den Patienten mit Psychotherapien, biologischen Verfahren, psychosozialen Interventionen und Pharmakotherapien zur Seite stehen. Letztere nehmen wir nun genauer unter die Lupe – denn nicht jede medikamentöse Therapie muss mit Nebenwirkungen einhergehen.
Heilen mit CBD
CBD ist momentan in aller Munde, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Es gibt Cafés, Globuli, Cocktails, Badesalze, Kapseln, Gummibärchen, Pasten, Kosmetika, Öle und inzwischen sogar Shots bei REWE. CBD ist ein riesiger Hype, und jeder will ein Stück vom Kuchen; es ist hip, teuer und meist viel zu niedrig dosiert, um eine Wirkung zu erzielen (zumindest weit unter den Mengen, die in Studien Wirkung zeigten). Kurz: CBD ist zu einem Lifestyle-Produkt geworden.
Italienische Forscher fanden anhand ihrer Stichproben aber nicht nur heraus, dass zwei Drittel des CBDs auf dem europäischen Markt nicht der angegebenen Dosierung entsprechen, sie stellten auch fest, dass oft die erlaubte THC-Menge (unter 0,2 %) überschritten und die Produkte mit Pestiziden verunreinigt waren. Das EU-Parlament hatte 2019 eigentlich entschieden, dass Hersteller von CBD-Erzeugnissen entweder eine Zulassung für Arzneimittel oder für Lebensmittel beantragen müssen. So wäre die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) für die Kontrollen zuständig oder das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Faktisch hält sich aber niemand an diese Auflage und so ist unser CBD zwar immer noch vergleichsweise günstig (medizinisch kontrolliertes CBD ist viel teurer), aber ebenso unsicher. Die WHO hat sich zum Thema Cannabidiol erstmals im Jahr 2018 geäußert und gab einen kritischen Bericht zur Datenlage, dem pharmakologischen Nutzen und den Risiken ab. Das Expertenkomitee kam zu dem Schluss, dass Cannabidiol möglicherweise ein wirksames Mittel bei einer Reihe medizinischer Indikationen sein könnte. Außerdem sei es gut verträglich und berge kein Abhängigkeits- oder Missbrauchspotenzial. Da CBD gegenüber THC keine psychoaktiven Eigenschaften aufweist und zusätzlich das dritthäufigste Cannabinoid ist, setzen Wissenschaftler, Forscher und Patienten weltweit auf momentan laufende klinische Studien bezüglich Schizophrenie, Autismus, Angst, Suchtproblematiken und Schlafstörungen. Aber auch in den letzten Jahren war man nicht untätig. Die Ergebnisse, zu welchen man kam, belegen unumstößlich das unglaubliche Potenzial, das
dieses Cannabinoid hinsichtlich psychischer Erkrankungen hat.
Autismus
Autismus ist eine psychische Störung, welche an sich nicht behandelbar ist. Allerdings geht sie, vor allem auch bei Kindern, teils mit starken Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) einher. Diese können in Form von Schlafstörungen, Hyperaktivität, Ängsten oder Selbstverletzung bzw. Wutausbrüchen auftreten. Hier möchte ich anmerken, dass diese vermeintlichen Wutausbrüche Formen von Überforderung und Reizüberflutung darstellen, welche sich in einem Overload (Apathie, monotone Bewegungen, fehlende Ansprechbarkeit) oder einem Meltdown (Zusammenbruch, autoaggressiv, fremdaggressiv) äußern.
Eine aktuelle Studie aus den USA, in der 53 Kinder mit einem Durchschnittsalter von 11 Jahren und einer Autismus-Spektrums-Störung (ASS) für durchschnittlich 66 Tage ein CBD-Präparat erhielten, kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Meltdowns/Overloads reduzierten sich in 67,6 % der Fälle und verschlechterten sich in 8,8 %. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Hyperaktivität (mit einer Besserung von 64,4 % und einer Verschlechterung bei nur 2,8 %), Schlaf (der sich bei 71,4 % verbesserte und bei nur 4,7 % verschlechterte) und Angst (die bei 47,1 % besser wurde, aber bei 22,5 % auch schlimmer). Abschließend berichteten die Eltern der Patienten, dass die Komorbiditäten ihrer Kinder sehr gut auf CBD ansprachen. Nun sind Langzeitstudien erforderlich, um Langzeitschäden auszuschließen, einen Gewöhnungseffekt zu beurteilen und die Dosen zu bestimmen. Interessant ist, dass 25 % der Kinder mit therapieresistenter Epilepsie auch ASS haben. Diese Resistenz bezieht sich allerdings ausschließlich auf bisher angewendete Arzneien und nicht auf CBD. Gegen Epilepsie gibt es ein zugelassenes Arzneimittel auf Cannabidiol-Basis (Epidiolex), welches hier eventuell gleichzeitig die Symptome der ASS lindern könnte.
Schlafstörungen
Schlaf ist unheimlich wichtig für die normale Funktionsweise unseres Gehirns, aber auch um Emotionen regulieren zu können, widerstandsfähig, kreativ und sozial zu sein. Leider ist der Schlaf bei den meisten psychischen Leiden gestört. Oft ist schwer auszumachen, ob primär der Schlaf gestört ist und dadurch andere Symptome auftreten oder umgekehrt. Erstmals untersuchte man die „hypnotischen Effekte“ von CBD 1977 und es stellte sich heraus, dass Cannabidiol wahrscheinlich unterschiedliche Effekte auf schlafgesunde und schlafkranke Probanden hat. Allerdings gibt es leider nur sehr wenige Dosierungsstudien, so bleibt uns nur, die Bestehenden anzuschauen und unsere Schlussfolgerungen zu ziehen.
2018 wurde in Brasilien eine Studie an 27 schlaf- und auch sonst gesunden Personen durchgeführt. Man gab ihnen 30 Minuten vor dem Zubettgehen 300 mg CBD, was eine relativ hohe (und laut anderer Studien angstlösende) Dosis ist. Dann folgten acht Stunden Schlafaufzeichnungen. Man kam zu dem Schluss, dass auch eine hohe Dosis CBD auf einen schlafgesunden Menschen keine Auswirkungen (bzgl. des Schlafes) hat. Eine ähnlich gelagerte Studie zeigt, dass auch schlafgesunde Menschen bei 600 mg CBD eine leicht sedierende Wirkung verspüren, bei Patienten mit Schlafstörungen reichten dagegen deutlich niedrigere Dosen (160 mg). Bei diesen Patienten war die Gesamtschlafdauer signifikant erhöht. 25 mg hatten dagegen auf keine der Testpersonen eine Auswirkung.
In einer weiteren Studie hat man herausgefunden, dass Parkinson-Patienten mit einer REM-Verhaltensstörung ebenfalls von CBD profitieren können. Diese Menschen erfahren in ihrer lebhaftesten Traum- und Schlafphase keine Lähmung, die sie vor Verletzungen schützt – sie agieren ihre Träume aus. Bei einer Dosis zwischen 75 und 300 mg ist diese körperliche Regulierung wieder gegeben. Eine Studie aus dem Jahr 2019, welche an 103 Patienten mit einer Angst- und Schlafstörung durchgeführt wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Hier hatte die Angst bei 79,2 % ab- und der Schlaf bei 66,7 % zugenommen. Alle hatten die Behandlung gut vertragen. Allerdings ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass auch die Angst an sich den Schlaf verschlechtert und die Schlafstörung deshalb eventuell als Komorbidität anzusehen ist. Eventuell hat also ausschließlich die Angst auf die Behandlung angesprochen, womit sich aber auch der Schlaf verbesserte. Womit wir beim nächsten Anwendungsgebiet wären:
Angststörungen
Angst ist an sich eine gesunde Eigenschaft, die uns vor Gefahren schützt – nur leider gerät sie im Zuge psychischer Erkrankungen allzu oft außer Kontrolle. Oft ist diese Angst generalisiert, also unspezifisch. Es gibt somit nicht die eine Situation, von der man nur lernen muss, dass sie ungefährlich ist. Dies wäre bei einer Phobie der Fall, Angststörungen sind hingegen deutlich komplexer. Doch auch hier gibt es Fortschritte in der Cannabisforschung zu verzeichnen. Anfangs machte man Studien mit Ratten, in welchen man die Beeinflussung des Serotonin-Stoffwechsels nachweisen konnte. Serotonin ist einer der Hauptfaktoren, wenn es um Angst und Depressionen geht. Ist zu wenig davon vorhanden, beeinflusst dies beide Erkrankungen negativ oder löst sie sogar erst aus.
Eine sehr interessante Studie zu diesem Thema machte 2017 Antonio Zuardi an der Universität Sao Paulo. Er setzte 60 gesunde Erwachsene einer Stresssituation aus und ließ sie vor Publikum einen Vortrag halten. Er teilte die Gruppe und gab einem Drittel Clonazepam (ein angstlösendes Benzodiazepin) einem weiteren Drittel CBD und dem letzten Drittel ein Placebo. Sowohl das Benzodiazepin als auch das CBD zeigten Wirkung: die Probanden waren deutlich weniger gestresst und ängstlich als die Kontrollgruppe. Allerdings waren die Probanden der Clonazepam-Gruppe primär sediert, die Probanden der CBD-Gruppe waren primär angst- und stressfrei. Eine Sedierung ist daher als unerwünschte Nebenwirkung zu betrachten.
Wenn es um die Dosierung geht, geht man von einer umgekehrt U-förmigen Wirkkurve aus, was bedeutet, dass sich Dosen von 300 – 600 mg als wirksam herausstellten, Dosen von 100 oder 900 mg aber wirkungslos blieben. Hierzu fehlen allerdings noch weitere Studien, um die Evidenz zu verdichten.
Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwerwiegende chronische Erkrankung der Psyche, welche (einmal ausgelöst) schubweise zunimmt und die Betroffenen im fortgeschrittenen Stadium völlig von der Realität entfremdet. Sie sind in diesem Stadium meist nicht mehr ohne fremde Hilfe lebensfähig. Zu den Symptomen gehören Halluzinationen aller Art, die irgendwann nicht mehr von der Realität unterschieden werden können. Die Standardtherapie sind hier Antipsychotika, welche allerdings starke Nebenwirkungen wie Verlust der Freude und Motivation aufweisen – was ohnehin Symptome dieser Erkrankung sind. Auch kann es zu irreversiblen Bewegungsstörungen kommen. Die neue Generation dieser Neuroleptika kann auch zu Gewichtszunahme führen und erhöht das Diabetes-Risiko. Diese Nebenwirkungen sind weithin als Behinderung der Behandlung dieser Krankheit bekannt, da Patienten die Einnahme aufgrund der Nebenwirkungen oft ablehnen. Doch laut einer deutschen Studie von 2018 muss das nicht so bleiben. Bekannt ist bereits, dass Schizophrenie neben einer genetischen Disposition und einer zusätzlichen Belastung auch ein Auslöse-Erlebnis braucht. Dies wird häufig bei Cannabis gefunden, allerdings ist offenbar ein einziges Cannabinoid daran schuld: THC.
Das Forscherteam um Markus Leweke machte sich an der Uni Köln daran, Cannabis doch noch einen Nutzen bei Schizophrenie nachzuweisen. Sie führten eine randomisierte Doppelblindstudie an 39 Patienten durch, die mit einem akuten psychotischen Schub in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Sie behandelten 19 Patienten mit Amisulprid (einem Antipsychotikum) die restlichen 20 mit CBD. In der Wirkung war kein Unterschied festzustellen, beide wirkten gut. Nur waren bei CBD keine Nebenwirkungen feststellbar, was aufgrund der eingangs genannten Problematik einen großen Durchbruch darstellt. Mit CBD ist somit wahrscheinlich ein Medikament gefunden, das Schizophrenie-Patienten aufgrund der Nebenwirkungsarmut freiwillig einnehmen und welches ihre ohnehin herabgesetzten Emotionen nicht noch weiter beeinträchtigt. Es könnte helfen die Lebensqualität dieser Menschen auch während einer akuten psychotischen Episode zu erhalten oder wiederherzustellen. Professor Dr. Piomelli (Professor der Pharmakologie an der Universität Kalifornien) sagte dazu: „Die Ergebnisse waren erstaunlich. Nicht nur war Cannabidiol so wirksam wie das Standard-Neuroleptikum, es war auch frei von den typischen Nebenwirkungen der heute verabreichten Neuroleptika.“
Und Dr. John Krystal (Vorsitzender des Department of Psychiatry an der Yale School of Medicine) erklärte: „Diese aufregenden Befunde sollten die Forschung stimulieren. CBD hat nicht nur keine Nebenwirkungen, sondern arbeitet auch noch besser bei den negativen Symptomen der Schizophrenie, welche notorisch schwer zu behandeln sind.“
Abschließend wenden wir uns einer brandneuen Studie von GW Pharmaceuticals zu, deren Ergebnisse noch nicht vollständig zur Verfügung gestellt worden sind – jedoch hat uns GW einen Teaser kredenzt, den ich Euch nicht vorenthalten möchte. Es wurde eine Studie mit 88 „non-respondern“ (also Patienten, bei denen die Leitlinien-Therapie nicht anschlägt) durchgeführt. Es ist die Phase 2a – also eine kontrollierte, klinische Placebo-Studie. Preisgegeben wurde bereits, dass sowohl die Ansprechrate auf CBD höher war und dass CBD auch in den explorativen Endpunkten deutlich besser abgeschnitten hat, als das Placebo. Zu den Nebenwirkungen sagen GW Pharmaceuticals, das Sicherheitsprofil von CBD sei „besonders beruhigend“ und hätte keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zu verzeichnen – außerdem sei die Gesamthäufigkeit der des Placebos sehr ähnlich. Dies weist darauf hin, dass die Symptome eventuell keine Nebenwirkungen von CBD darstellen. Insgesamt traten bei 9,3 % der CBD-Gruppe Durchfallerscheinungen auf, ebenso bei 4,4 % der Kontrollgruppe. Ähnlich verhielt es sich mit Übelkeit (7 % zu 0 %), Kopfschmerzen (7 % zu 8,9 %) und Somnolenz (0 % zu 6,7 %). Der GW-Chef Justin Gover sagte dazu: „Diese Ergebnisse verstärken die potenzielle Rolle von Cannabinoiden auf dem Gebiet neuropsychiatrischer Erkrankungen.“
Fakt ist, dass Cannabis nun endlich auch offiziell den Weg eines Medikamentes für psychische Erkrankungen beschreitet – und zwar mit großen Schritten. Dies ist wünschenswert und längst überfällig, denn die häufigsten Anwendungsgebiete für Cannabis als Medizin sind seit jeher (und damit sind Zeiträume von Jahrtausenden gemeint) nicht nur Schmerzen, sondern vor allem auch Schlaf-, Angst- und Stress-Beschwerden.
Bild: Julia Teichmann – CBD-Infos.com