Global Greenwashing - Planet of the humans

GLOBAL GREENWASHING – Mitten in der Corona-Krise stellt ein Dokumentarfilm eine düstere These auf

Was im Frühjahr schlecht für viele Menschen war, erlaubte der Umwelt eine kurze Verschnaufpause: weltweit wirkte sich die Corona-Krise positiv auf die regionale Luftqualität aus. Zahlreiche Satelliten-Bilder zeigten einen deutlichen Rückgang von Kohlendioxid- und Stickstoffdioxid-Emissionen. Experten befürchten allerdings einen heftigen Wiederanstieg, sobald der „normale“ Alltag wieder zurückgekehrt ist. Ob dann auch Fridays for Future zurückkehren und inwiefern man in der Corona-bedingten Wirtschaftskrise auf das „Luxus-Thema“ Klimaschutz Rücksicht nehmen wird, bleibt abzuwarten. Und dann wirft auch noch der neue (von Michael Moore produzierte) Dokumentarfilm „Planet Of The Humans“ mitten in der Corona-Krise die unbequeme Frage auf, wie nachhaltig die sogenannten „erneuerbaren“ bzw. „grünen“ Energien tatsächlich sind. Irgendwie bleibt einem dieser Tage aber auch wirklich nichts erspart…

Ist COVID-19 gut für die Umwelt?

 

COVID-19 legt(e) ganze Volkswirtschaften samt dem öffentlichen Leben lahm, die meisten Flugzeuge blieben am Boden, es fuhren nicht mehr so viele Autos und LKWs, zahllose Menschen arbeiteten im Home-Office und viele Fabriken standen still. All das hatte zum Ziel, die Verbreitung des unbekannten Erregers zumindest zu bremsen und so möglichst vielen Menschen das Leben zu retten. Als unbeabsichtigte Nebenwirkung gab es eine kurze Verschnaufpause für Mutter Natur. Fotos und Videos von erstaunlich klarem Wasser in den Kanälen von Venedig stehen so stellvertretend für eine Hoffnung, die viele Menschen angesichts dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise hegen: Hat das alles wenigstens einen positiven Effekt auf unser eh schon angeschlagenes Klima? Tatsächlich zeigen Daten von Erdbeobachtungssatelliten und irdischen Messstellen (in Kombination mit Computermodellen und Statistiken) ganz klar auf, dass die Schadstoff- und Treibhausgas-Emissionen über besonders schwer betroffenen Regionen (aber auch in einzelnen Städten) seit Beginn des COVID-19-Ausbruchs deutlich gesunken sind. Den Anfang machte die europäische Raumfahrtagentur ESA. Am 23. Januar hatten chinesische Behörden die Metropole Wuhan (das damalige Epizentrum des Ausbruchs) abgeriegelt und eine Ausgangssperre verhängt. Nur wenige Tage später zeigten Aufnahmen des ESA-Satelliten Copernicus Sentinel-5P die Region in himmelblau. In der Vergleichsperiode von 2019 war die dominierende Farbe noch schmutziges braun-gelb, mit einem dunklen Fleck an der Stelle des Stadtgebiets. Auch das übrige China erstrahlte plötzlich in luftigem Blau, da sich die Konzentration von Stickstoffdioxid/NO2 (einem Schadstoff, den Fabriken, Autos und Kraftwerke ausstoßen) in der Luft weitgehend verflüchtigt hatte.

Auch die Messwerte aus Norditalien, das besonders stark von der Corona-Krise betroffen ist, spiegeln wider, was sich auch in China zeigte. Nach einer Analyse des „Center for Research on Energy and Clean Air“ (CREA) sanken die Kohlendioxid-Emissionen dort im Februar um 25 % im Vergleich zum Vorjahr. Eine unfreiwillige „Einsparung“ von immerhin etwa 200 Millionen Tonnen CO2. „Im Tal des Po ist der Rückgang besonders evident. Obwohl es Variationen wegen Bewölkung und Wetteränderungen geben könnte, glauben wir, dass die Minderung der Konzentration auf weniger Verkehr und Industrieaktivität beruht.“ erklärte Claus Zehner, der Missionsmanager von Copernicus Sentinel-5P. Besonders deutlich war der Rückgang in der Region um Mailand, wo die NO2-Konzentrationen sogar um rund 40 % sanken. Vincent-Henri Peuch, der den europäischen Kopernikus-Atmosphären-Überwachungsdienst leitet, erklärte dazu: „Das ist beispiellos – bislang haben wir so große Änderungen nur wetterbedingt an einzelnen Tagen beobachtet, aber nie für eine so lange Periode.“

Jetzt registrieren Satelliten ähnliche Signale auch von anderen lahmgelegten Städten und Ländern. Für Indien meldete das finnische „Center for Research on Energy and Clean Air“ (CREA) sogar einen überraschenden Rekord: Bereits nach einer eintägigen Ausgangssperre sanken in Indien die NO2-Konzentrationen auf den niedrigsten (je in einem Frühjahr gemessenen) Wert. In New York wiederum ging die Menge des giftigen Kohlenmonoxids in der Luft (laut Forschern der Columbia University) gegenüber dem Mittelwert von 2019 um rund die Hälfte zurück. Das Kohlenmonoxid (CO) resultiert hauptsächlich aus dem Straßenverkehr, der sich in dieser Stadt (die ja angeblich nie schläft) dank COVID-19 um 35 % reduzierte. „New York hatte während der vergangenen eineinhalb Jahre extrem hohe CO-Werte“, bestätigte Columbia-Professor Róisín Commane (der das Messprogramm leitet) gegenüber der britischen BBC und fügte hinzu: „Und jetzt haben wir die sauberste Luft, die ich je sah.“ Ähnliche Beobachtungen werden auch aus Los Angeles gemeldet. Auch hier freuen sich die smoggeplagten Einwohner über ungewöhnlich saubere Luft. Das Gleiche gilt für Paris und weite Teile Frankreichs.

Die Verbesserung der Luftqualität dürfte sich auf viele Menschen gesundheitlich unmittelbar positiv auswirken – schließlich schädigt NO2 Bronchien und Lungenbläschen. Dies ist besonders bei Atemwegsvorerkrankungen problematisch, da NO2 die Bronchien verengen und Entzündungen auslösen kann. Außerdem gilt NO2 auch als Vorläufer- substanz für Feinstaub und Ultra-Feinstaub. „Höchstwahrscheinlich wird die Verminderung des Schadstoffs gut für Menschen mit Atemwegsproblemen sein. Sie könnte die Ausbreitung solcher Leiden bremsen, aber auch der Landwirtschaft helfen, denn NO2 beeinträchtigt das Pflanzenwachstum.“ erklärte der Atmosphärenchemiker Paul Monks von der britischen University of Leicester. Überdies könnten hohe Konzentrationen des Gases die Aufnahme von Viren in den Körper beflügeln, denn sie lösen Entzündungen aus und schädigen das Immunsystem. Deshalb will die Weltgesundheitsorganisation WHO jetzt untersuchen, ob auch Luftschadstoffe zur Ausbreitung des Coronavirus beitragen. Dies bezieht auch Feinstaub-Partikel mit ein – und die Feinstaub-Konzentrationen gingen nach Angaben der ESA über großen Teilen Chinas nach Verhängung der Quarantäne ebenfalls um 20 bis 30 % zurück.

Die zweite bedeutende Veränderung ergab sich beim bekannten Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). In einer für das britische Internet-Klimaportal „CarbonBrief“ erstellten Analyse veröffentlichten Experten die entsprechenden Zahlen für das Reich der Mitte. Demnach sank dort der Energieverbrauch im Februar um 25 % – das riesige Industrieland emittierte demzufolge ein Viertel weniger CO2 als gewöhnlich. Dabei verheizten die Kraftwerke 36 % weniger Kohle, und die Auslastung der Ölraffinerien zur Kraftstoffproduktion sank auch um etwa ein Drittel. Aber insgesamt (so die Studie) werden die CO2-Emissionen Chinas in diesem Jahr wohl gerade mal um 1 % fallen. Nun erwarten Experten, dass sich diese Abwärtsentwicklung bei Schadstoffen und Treibhausgasen in anderen Ländern ganz ähnlich wiederholt.

Werden diese niedrigeren Emissionen aber von Dauer sein? Paul Monks ist da recht optimistisch: „Ich glaube, wir werden letztendlich – weil wir dazu gezwungen sind – realisieren, dass es ein beträchtliches Potenzial gibt, unsere Arbeitswelt und unseren Lebensstil zu verändern. Künftig sind wir herausgefordert, darüber nachzudenken, ob wir wirklich Autos fahren und Kraftstoffe verbrennen müssen.“

Andere Sachkundige widersprechen. So warnte der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, schon Mitte März bei der Vorstellung der Klimabilanz 2019 im Hinblick auf das Reiseverhalten der Deutschen vor einem „Einmaleffekt“ bei Treibhausgasen: „Nach der Krise sind diese Emissionen wieder da.“

Auch weitere Experten mahnen zur Vorsicht bei der zu optimistischen Interpretation von Satellitenbildern – denn diese würden keine Schadstoffmessungen in Bodennähe ersetzen und daher auch nicht zeigen, welche Qualität die eingeatmete Luft tatsächlich aufweist. Nur Bodenstationen können den gemessenen Schadstoffgehalt in der analysierten „Luftsäule“ von unten bis oben erfassen.

„Satellitenbilder sind ein Indiz, jedoch kein Beweis“, meint auch Ute Dauert, Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt. Ob die Luft in Deutschland durch weniger Verkehr und den temporären Lockdown industrieller Anlagen wirklich vorübergehend sauberer wird, sei bisher kaum vorherzusagen. Seriös lasse sich dieser Corona-Effekt auf die Luftqualität nicht unmittelbar messen, erklärte Dauert: „Man kann sich das erst später angucken, wenn alle Daten wirklich vorliegen – abgerechnet wird zum Jahresende.“

Die sich abzeichnende Realität der einsetzenden Lockerungen stützt diese Einschätzung. So stiegen nach der Finanzkrise von 2008 die globalen CO2-Emissionen um 5 %, weil die für Banken und Industrie aufgespannten finanziellen „Rettungsschirme“ den Verbrauch fossiler Brennstoffe letztendlich anheizten. Und ganz ähnlich verläuft auch die derzeitige Entwicklung in China. Die NO2-Verschmutzung ist dort bereits wieder im „normalen“ Bereich – Kraftwerke, Industrieanlagen und der Verkehr laufen schon wieder wie vor der Corona-Krise.

Trotzdem: Dank COVID-19 wird Deutschland das selbstgestellte (und normalerweise gar nicht mehr erreichbare) Klimaziel 2020 nun wohl doch noch erreichen und (bezogen auf 1990) 40 % weniger Treibhausgase ausstoßen. Aber wenn die Corona-Krise vorbei ist und sich die Menschen wieder alle richtig sicher fühlen, dann werden sie wohl auch wieder anfangen zu vereisen. Autos werden sich wieder in alltäglichen Staus zusammenfinden, während die Industrie nun erst recht Vollgas gibt und versucht, das Versäumte irgendwie nachzuholen. Damit das gelingt werden Regierungen sicherlich wieder Hilfspakete schnüren und so könnte es erneut den sogenannten „Rebound-Effekt“ geben, den wir schon von der 2008er Finanzkrise kennen. Auch während dieser Krise sanken die CO2-Emissionen zunächst deutlich – nur um nach der Krise umso stärker wieder anzusteigen.

Diesmal kommt ein wichtiger Aspekt sogar noch hinzu: Erdöl ist derzeit super billig – zeitweise erhielt man sogar Geld für die Abnahme von Rohöl, da die geförderte Menge die Nachfrage während der weltweiten Pandemie massiv überstieg. Der nach wie vor sehr niedrige Rohölpreis wird also nicht gerade ein Anreiz für Unternehmen bieten, sich von dieser fossilen Ressource zu lösen. Ganz im Gegenteil – in den USA kündigte „Deal-Maker“ Trump an, den niedrigen Preis nutzen zu wollen, um die nationalen Ölreserven aufzufüllen. Gleichzeitig will er der fossilen Energiewirtschaft mit Milliardensummen aus der Krise helfen – damit sie weiter Erdgas und Erdöl fördern kann, was mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist.

 

Planet of the Humans

 

Nicht zuletzt war das einer der Gründe, warum sich Produzent Michael Moore und Regisseur Jeff Gibbs entschlossen, ihren Dokumentarfilm „Planet Of The Humans“ nicht erst wie geplant im Herbst diesen Jahres im Kino zu veröffentliche, sondern schon im April – mitten in der Corona-Pandemie, die zu dieser Zeit auch die USA mit voller Härte erreichte und das Land in Sachen Infektions- und Todesraten auf eine uneinholbare Pol-Position katapultierte. Michael Moore erklärte zu COVID-19: „Mutter Natur sendet uns damit eine enorme Warnung. Und sie zeigt uns, dass wir unmittelbar reagieren und uns von heute auf morgen einschränken und umstellen können, wenn es um unser Leben geht.“ Und genau darum geht es ja auch in der Klimafrage – wenn auch langfristiger. Dafür aber um so radikaler und tödlicher – denn gegen eine selbstverschuldete Klimakatastrophe (welche das Potenzial hat die Existenz der Spezies Mensch zu beenden) lässt sich kein Impfstoff finden. Oder wie Jeff Gibbs es formulierte: „Unendliches Wachstum auf endlicher Erde ist kollektiver Selbstmord.“

Irgendwie haben wir sowas ja auch schon mal gehört. Und klar, Wachstum ohne Ende auf einem begrenzten Planeten – das kann nicht ewig funktionieren. Auch wenn der Kapitalismus das nach wie vor verlangt und die Erde es noch immer irgendwie hergibt (wenn auch nicht mehr so freigiebig wie früher). Doch das ist nur der philosophische Überbau der Doku – eigentlich geht es den Filmemachern um etwas anderes. Und diese Grundaussage ist ernüchternd bis erschreckend – denn sie stellt das Weltbild „grüner“ Geister auf eine harte Probe. Denn da scheint es auch eine sehr unbequeme Wahrheit zu geben, die noch viel zu oft (und fast vollständig) ausgeblendet wird: Danach gibt es gar keine wirklich „grünen“ bzw. „erneuerbaren“ Energien. Wir glauben nur, dass sie „grün“ und „erneuerbar“ sind – weil wir daran glauben wollen. Denn ganz so, wie Konservative oft an Gott und/oder das Geld glauben, glauben progressive Geister ihrerseits gerne an eine humanistische, ökologische Zukunft, in der wir im Einklang mit der Natur leben und unsere wachsenden Energiebedürfnisse zu 100 % aus rein „erneuerbaren“ und „nachhaltigen“ Quellen beziehen. Doch dieser Glaube hält einem Reality-Check wohl (leider) genauso wenig stand, wie der Glaube an (einen) Gott.

Für diese fast schon philosophische These wird „Planet of the Humans“ gerade von verschiedenen Umweltorganisationen heftig kritisiert. Gleichzeitig hat der Film manche Organisationen bereits zu Eingeständnissen bewogen, indem diese gewisse Geschäftszweige und die Bewerbung einiger „grüner“ Investment-Fonds aufgegeben haben. Tatsächlich sind die meisten NGOs in den USA wie Konzerne organisiert – und allein das spricht Bände.

Schauen wir uns also diesen streitbaren Dokumentarfilm einmal etwas genauer an – und wer da eigentlich dahintersteckt. Michael Moore kennt man ja schon – ihn mögen zwar auch nicht alle, aber seine Filme stehen für sich und haben schon ganz verschiedene Schwachstellen des kapitalistischen Systems auf unterhaltsame (und manchmal wohl auch leicht inszenierte) Weise aufgezeigt. Bei „Planet of the Humans“ war Moore allerdings „nur“ als ausführender Produzent tätig, Regie führte Jeff Gibbs, der mit Michael Moore schon lange gut befreundet ist.

Bereits als Neunjähriger hat Gibbs wohl Sand in den Tank eines Bulldozers gegossen, der Bäume planieren sollte – und allein dafür muss man ihn einfach ein wenig mögen. Bald fielen dem jungen Umweltaktivisten allerdings gewisse Widersprüche auf und er entwickelte sich zunehmend zu einem Skeptiker. Eindrucksvoll kann Gibbs diese Skepsis in „Planet of the Humans“ an der Präsidentschaft Barack Obamas festmachen – mit dem „Hopey-Changey-Präsidenten“ sollte ja auch eine Welle grüner Energie die Welt beglücken. Dass an der Sache etwas faul war, fiel auch unaufmerksamen Beobachtern spätestens dann auf, als alle von der Obama-Administration initiierten Initiativen zur ökologischen Umgestaltung der Wirtschaft nach hinten losgingen. Die Milliardeninvestitionen führten letztendlich zu keinerlei Verbesserung – wie auch, wenn der Energiehunger weltweit immer größer und größer wird? Das liegt auch an uns selbst. Wer lebte vor zehn-zwanzig Jahren nicht ökologischer, weil energieärmer als heute? Ständige Flugreisen, häufige Paketpost, Mobiltelefone und frische Erdbeeren in der Weihnachtszeit waren damals noch unbekannt. Und „Planet Of The Humans“ zeigt es ganz klar: wenn Milliardäre, seien es Branson, Bloomberg oder die berüchtigten Koch- Zwillinge, investieren, dann tun sie dies zur Steigerung ihrer Profite – und die bedürfen eben der Ausweitung der handelbaren Güter und eines entsprechenden Zuwachses an Energie, die gerne auch „grün“ sein darf. Irgendwie wollen das ja die Kunden – entscheidend ist aber letztendlich, dass diese „grüne Energie“ einfach nur dem bisherigen gigantischen Konsumangebot hinzugefügt wurde.

Die Tücke steckt hier bereits im wohlmeinenden Versuch, ökologischer zu leben – das leitet der Film recht sorgfältig her, denn mit Sonnen- oder Windkraft ist es kaum möglich, ein Stromnetz stabil zu halten, weil dieses keine Energie(überschüsse) speichern kann. Deswegen müssen nach wie vor herkömmliche Kraftwerke einspringen – und dies tun sie auf Kosten ihrer eigenen Effizienz. Mitunter wäre es daher sparsamer, die Kohlekraftwerke durchlaufen zu lassen, ohne ihre Produktion durch einsetzende Solarleistungsspitzen zu unterbrechen.

Zudem ist jede „grüne“ Lösung an ungeheure Energieinvestitionen bei der Herstellung geknüpft – und dafür wird auch immer Kohle und/oder Erdgas gebraucht. Photovoltaik-Panele werden beispielsweise aus reinstem Quarz und Kohle gefertigt und ihre Haltbarkeit ist nicht sonderlich hoch. Überhaupt müssen sehr viele Rohstoffe abgebaut werden, um angeblich grüne Elektro-Installationen (insbesondere Batterien) zu fertigen. Das ganze Konzept des „keep it in the ground“ (also des Verzichts vom aufwendigen Abbau weiterer Rohstoffe) wird allein damit konterkariert. Und die großen Solartürme in Kalifornien sind (wie Robert F. Kennedy Jr. höchstselbst im Film zugibt) eigentlich nur getarnte Gaskraftwerke. Außerdem benötigen auch vermeintlich grüne Energieanlagen ein gewisses Maß an „Mountaintop-Removal“ – also sehr schwerwiegende Eingriffe in die Natur. Ob für Speicherkraftwerke oder für Windparks, immer muss tief in die Natur und Landschaft eingegriffen werden. Und dabei wird immer auch viel pflanzliches und/oder tierisches Leben zerstört.

Daran ist auch Deutschland (mit) Schuld – „Planet Of The Humans“ hat daher (nicht zu Unrecht) auch darauf hingewiesen, dass international Deutschland gerne als strahlendes Beispiel für eine angeblich erfolgreiche Energiewende herhalten muss. Dabei entsteht auch in Deutschland die meiste „grüne“ Energie aus Biomasse. Und die meisten Biomasse-Anlagen sind auch bei uns maskierte Gaskraftwerke oder (Holz)Verbrennungsanlagen.

Planet Of The Humans“ zeigt uns nun anhand verschiedener Anlagen in den USA, dass beispielsweise Holzschnitzelverbrenner nie genug Brennmaterial haben. Sie werden deshalb meist auch mit anderen Stoffen gefüllt, wie etwa gebrauchte Autoreifen. Dies muss teilweise sogar geschehen, um genügend Hitze in den Brennkammern zu erreichen. Der daraus resultierende Schadstoffausstoß ist enorm und die besagten Holzschnitzel sind nicht etwa Abfallstoffe aus der Holzindustrie, sondern eigens zum Verbrennen gefällte und zerhäckselte Bäume. Und das läuft nicht nur in den USA so – für den deutschen „grünen“ Biomasse-Markt (Brennholz) werden sogar Bäume aus Brasilien oder Indonesien importiert, was zusätzlich viel (Transport)Energie verbraucht. Um nun auch nur annähernd genügend Bäume für die Biomasse-Verbrennungsanlagen nachwachsen zu lassen, ist eine Düngung der Böden unverzichtbar – und diese Düngung erfolgt nun mal hauptsächlich mit Erdölprodukten. Ein Teufelskreis, der nicht wirklich als „grün“ oder „nachhaltig“ bezeichnet werden kann.

Gibbs und Moore verdeutlichen in ihrer Doku, dass sich die Probleme einer modernen Industriegesellschaft kaum mit (einfach noch moderneren) industriellen Mitteln lösen lassen. Zwar ist die Energie der Sonne und des Windes „erneuerbar“ und nahezu „unendlich“ – aber nicht die Erzeugnisse bzw. Produkte, die diese Energie umwandeln. Diese müssen auf ganz herkömmlichem Weg mittels Aufwendung großer Mengen Energie (aus Gas, Kohle und Atomkraft) hergestellt werden und bestehen selbst wiederum aus Materialien, die endlich und kaum recyclebar sind. Auch die Haltbarkeit der unterschiedlichen Industrieprodukte der angeblich erneuerbaren Energieversorgung (wie Photovoltaik/Solar-Panele oder Windräder) ist teilweise erschreckend kurz. Recycling ist mitunter unmöglich oder einfach zu energieaufwendig und damit (im kapitalistischen Sinne) nicht finanziell effizient.

Regisseur Gibbs befürchtet nun, die Umweltbewegung wäre hier einem betrügerischen Plot reicher Investoren aufgesessen, denen es geschickt gelungen sei, das alte industrielle Regime in seiner Logik aufrechtzuerhalten und einfach etwas grün einzufärben – weil es der Markt nun einmal so verlangt. Wie schön, dass sich „grün“ gut verkaufen lässt. Und so vollzog sich in den letzten Jahren eine „grüne Revolution“, bei der die Reichtums- und Machtverhältnisse unverändert bestehen blieben und das zerstörerische Werk des (auf ewiges Wachstum angelegten) Kapitalismus ungehindert fortgesetzt werden konnte.

Gibbs ganzheitliche Sicht auf die Lage kann sachlich durchaus überzeugen und ist gerade dehalb so niederschmetternd. Unendliches Wachstum auf einer begrenzten Erde ist eben kollektiver Selbstmord. Die dem zugrundeliegende Analyse ist bereits hundert Jahre alt und damit doppelt so alt wie die Umweltbewegung. Sie stammt von Sigmund Freud: Es kann keine befriedigende industrielle Lösung für Probleme des Lebens in der Industriegesellschaft geben, weil jede Lösung die gleichen Probleme in leicht gewandelter Form erneut schafft. Das ist das sogenannte „Unbehagen in der Kultur“.

Dieses „Unbehagen“ scheint heutzutage immer mehr Menschen zu ergreifen – und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist die Grundaussage von „Planet Of The Humans“ ernüchternd. Manche halten diese unbequeme Wahrheit sogar für eine simple Lüge – und wer weiß schon zu 100 %, wie hier die ungeschminkte Wahrheit letztendlich aussieht. Wir können und sollten uns dazu aber eine eigene Meinung bilden.

 

Gegenwind

 

Natürlich gibt es auch Leute, die glauben alles viel besser zu wissen. Oder sie glauben einfach an die grüne Illusion. Das sind zum Großteil richtig gute Menschen, Menschen wie z. B. Josh Fox, der Macher der auch sehr empfehlenswerten Doku „Gasland„, der aber seinerseits dem Film „Planet Of The Humans“ ganz klar unterstellt, von einer völlig falschen Grundprämisse (die erneuerbaren Energien sind gar nicht wirklich und ewig erneuerbar) auszugehen. Zudem unterstellte Josh Fox Regisseur Gibbs und Produzent Moore sogar „Öko-Faschismus“, weil sie es wagten, in ihrer Dokumentation auch darauf hinzuweisen, dass die Menschheit ruhig mal darüber nachdenken sollte, ob sie sich immer weiter (und unbegrenzt) vermehren will – und damit die begrenzten Ressourcen der Erde (noch) schneller verbraucht und eine düstere Zukunft heraufbeschwört. Fox unterstellte Gibbs und Moore, dass sie die Menschheit am liebsten halbieren wollen (und das in den Zeiten der Corona-Pandemie!) – dabei ist davon in ihrem Film nicht einmal ansatzweise die Rede. Sie stellten lediglich die Frage, ob sich die Menschheit selbst in ihrer Anzahl limitieren kann oder würde, wenn sie dadurch länger und besser auf diesem Planeten überleben kann. Tatsächlich würde es der Erde heute schon deutlich besser gehen, wenn wir nur halb so viele wären. Mit nur halb so vielen unerfüllten Konsumwünschen. Vielleicht sollte man diesen Dokumentarfilm ja einfach so verstehen, wie er vermutlich gemeint ist: Als Anregung, weltweit eine entsprechende Debatte zu beginnen.

Wie es aussieht, hat diese Debatte bereits begonnen. Und während wir noch versuchen, das alles zu begreifen (ohne dabei etwas an unserer Lebensweise zu ändern) erschien plötzlich ein neuartiges Virus und zeigt uns weltweit den Weg. In wenigen Wochen Lockdown wurde mehr für die Luftqualität und Energieersparnis getan, als je durch die internationale Ökobewegung erreicht wurde. Denn machen wir uns nichts vor: Nur wenn die globale Wirtschaft schrumpft, atmet die Natur auf.

 

Fazit

 

Wer hofft, die erneuerbare Energien würden uns DIE Lösungen für unseren zukünftigen Energiebedarf bieten (weil sie eines Tages noch viiiiiiiiiiiiel effizienter sein werden) versucht nicht den Planeten zu retten, sondern die Illusion, wir könnten unseren derzeitigen Lebensstil doch noch irgendwie unverändert beibehalten. Wenn aber wirklich allen Menschen auf diesem Planeten ein würdiges Leben beschert werden soll, dann wird das ohne einen grundlegenden Wandel unserer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme nicht möglich sein. Denn dann müsste das gegenwärtige „immer mehr“ von einem „nur, was wir tatsächlich brauchen“ abgelöst werden. Und vielleicht sogar von einer Ein-Kind-Politik (Ja, genau wie das mal in China war!). Aber sind wir dazu wirklich bereit?

Schaut Euch „Planet Of The Humans“ auf YouTube an.