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Schmerz lass nach! – Was medizinisches Cannabis in der Schmerztherapie bewirken kann

Dr. med. Teresa Thalmeier hat sich als Ärztin auf Cannabis als Medizin spezialisiert und berät Patienten rund um den Einsatz der alten Heilpflanze. In ihrer Privatpraxis hat sie auch oft mit Fibromyalgie-Patienten zu tun, denn statistisch leidet fast jeder Fünfte in Deutschland unter chronischen Schmerzen. Im THCENE-Interview beantwortete sie ausführlich unsere Fragen, wie und warum medizinisches Cannabis als Therapieoption infrage kommt.

Fast jeder Fünfte in Deutschland leidet unter chronischen Schmerzen, bei vielen Patienten belastet der dauerhafte Schmerz den Alltag sogar erheblich…

Dies trifft leider auch auf viele Patienten zu, die zu mir in die Praxis kommen. Viele haben durch ihre Schmerzen eine zusätzliche Depression oder andere Begleiterkrankungen entwickelt. Der Schlaf ist beeinträchtigt und das Sozialleben leidet extrem. Viele Patienten haben dauerhaft eine reduzierte Lebensqualität.

Was versteht man unter Fibromyalgie?

Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung, die durch weit verbreitete Muskel- und
Gelenkschmerzen sowie durch Müdigkeit und andere Symptome gekennzeichnet ist. Die genauen Ursachen der Fibromyalgie sind noch nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass eine Kombination von genetischen, neurologischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt. Der Leidensdruck ist sehr hoch, da es oft nur per Ausschlussverfahren zu dieser Diagnose kommt. Die Behandlung der Fibromyalgie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern – daher sind hier auch Cannabis-Therapien in Betracht zu ziehen.

Wie werden Schmerzen denn herkömmlich behandelt und wie zufriedenstellend sind diese Therapien für Patienten in der Regel?

Grundsätzlich orientieren wir Ärzte uns am WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie – es bildet die Grundlage der Therapie. In der ersten Stufe sollen Schmerzpatienten dem Schema zufolge ein Nicht-Opioid alleine oder in Kombination erhalten. Das Schmerzmedikament kann so mit einem Wirkstoff kombiniert werden, der normalerweise nur in Kombination mit einem Analgetikum schmerzlindernd wirkt, als Monosubstanz aber anders eingesetzt wird. Hierzu gehören auch Antidepressiva und Antiepileptika. Ebenso können Arzneistoffe verabreicht werden, die die Wirkung von Schmerzmitteln unterstützen, wie etwa Muskelrelaxanzien oder Glucocorticoide. Nur wenn die Schmerzen daraufhin fortbestehen, sollte in der zweiten Stufe ein schwaches Opioid gegeben werden. Dieses kann bei Bedarf mit Nicht-Opioiden und Adjuvanzien kombiniert werden. Bestehen die Schmerzen dann immer noch, kommen in der dritten Stufe starke Opioide – gegebenenfalls auch in Kombination mit Nicht-Opioiden und Adjuvanzien – zum Einsatz. Viele Patienten kommen in meine Praxis, nachdem sie bereits einige dieser Stufen durchlaufen haben. Ein möglicher Grund für den Wunsch einer Therapiealternative sind die zuvor aufgetretenen Nebenwirkungen unter der vorangegangenen Therapie und die damit einhergehende Frustration. Insbesondere Magenprobleme wie Übelkeit, Erbrechen und Schleimhautentzündungen sind bei nichtsteroidalen Antirheumatika häufig, aber auch Überhang- oder Wesensveränderungen werden von Patienten nach der Einnahme von Opiatderivaten beschrieben.