Im zweiten Jahr der (Teil-)Legalisierung vollzieht sich eine langsame, aber tiefgreifende Transformation der deutschen Cannabis-Szene und Drogenpolitik. Ähnlich wie bei der Aufzucht einer jungen Pflanze verläuft die Entwicklung anfangs eher langsam und schleppend – manchmal hat man sogar den Eindruck, es würde sich rein gar nichts tun, oder der Keimling würde bald eingehen. Doch mit fortschreitendem Wachstum nimmt die Pflanze dann an Fahrt auf und mündet schließlich in einem bemerkenswerten Ergebnis.
Im zweiten Jahr der Legalisierung werden auch wir nun Zeugen von etwas Bemerkenswertem: der Entstehung einer neuen rechtlichen und sozialen Realität, für die wir jahrzehntelang gekämpft und demonstriert haben, die viele Politiker und Mainstream-Medien aber immer noch nur ungern anerkennen wollen.
Die Legalisierung von Cannabis sah sich auch in Deutschland vorhersehbarer Kritik gegenüber, insbesondere von Politikern aus dem konservativen Lager, die sie als vorübergehendes, zum Scheitern verurteiltes Experiment darstell(t)en. Diese Falschdarstellung verkennt jedoch grundlegend die Natur des sozialen Wandels, der sich gerade vollzieht. Denn was wir erleben, ist kein Experiment, das sich ganz leicht wieder rückgängig machen lässt, sondern vielmehr die Entstehung neuer sozialer Normen und Praktiken, die mittlerweile im ganzen Land Wurzeln geschlagen haben.
In den letzten zwei Jahren haben Hunderttausende Deutsche auf Balkonen, Terrassen und in Gärten Cannabis legal angebaut und demonstrierten damit auch ein neues Freiheitsbewusstsein und wachsende Autonomie. Gleichzeitig überwinden im ganzen Land Hunderte angemeldete „Anbauvereinigungen“ zahllose bürokratische Hürden, um ihre Türen für all jene zu öffnen, die auch neue Formen des sozialen Handelns durch den gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis praktizieren wollen. Der Widerstand aus rechts-konservativen Kreisen der Politik und Gesellschaft offenbart gleichzeitig eine tiefgreifende Angst vor gesellschaftlichem und sozialem Wandel. Viele der lautstarken Kritiker, die die Legalisierung für zahllose Probleme verantwortlich machen, versäumen es, substanzielle Beweise für ihre Behauptungen zu liefern. Stattdessen scheinen sie vor allem mit der unbequemen Realität zu ringen, dass große Teile der deutschen Gesellschaft den prohibitionistischen Konsens, der jahrzehntelang dominierte und künstlich aufrechterhalten wurde, mittlerweile überwunden haben und sich nicht weiter bevormunden lassen.
Diese stille Revolution vollzieht sich auch durch praktisches Handeln: Jeder erfolgreiche Anbau und jede Ernte, jede funktionierende Anbauvereinigung, jede friedliche Interaktion zwischen Cannabis-Konsumenten und ihren nicht-kiffenden Mitmenschen schafft Präzedenzfälle, die dafür sorgen, dass die neue Realität und die gewonnenen Freiheiten zunehmend schwerer rückgängig zu machen sind. Die Infrastruktur der Legalisierung wird so schrittweise und unaufhaltsam – gesellschaftlich wie sozial – ausgebaut.
Der Maßstab für den Erfolg dieser Richtungswende wird sich allerdings nicht in politischer Rhetorik finden, sondern in den gelebten Erfahrungen mündiger Bürger, die jetzt Freiheiten ausüben, die ihnen zuvor lange verwehrt waren. Und während der Sommer 2025 und damit auch die zweite legale Anbausaison endet, setzt Deutschland seine stetige Entwicklung hin zu einem rationalen und humanen Ansatz in der Cannabis-Politik erfolgreich fort.
Bei all den Krisen in der Welt ist das doch zumindest ein kleiner, hoffnungsvoll stimmender Lichtblick.


