Jo B.

„Keine Entkriminalisierung ohne die Öffentlichkeit!“ Jo Biermanski von der Grüne Hilfe

Die einen growen, die anderen konsumieren und wieder andere singen und schreiben darüber. Hanf ist ein Thema, das vielen eine Bühne gibt, im Großen und im Kleinen. Doch meistens dreht es sich um einen Markt, der von allen Beteiligten zum eigenen Vorteil genutzt wird. An vorderster Front gibt es jedoch auch eine Spezies, die sich völlig uneigennützig engagiert. Um zu informieren. Um aufzuklären. Um etwas zu bewegen. Und das ganz ohne finanzielle Hintergedanken. Diese seltene Spezies nennt man „Aktivisten“. Sie sind die wahren Experten, die dann zu Rate gezogen werden, wenn man mal wieder Hilfe braucht. Oder Informationen.

Bei meinem letzten Expertengespräch mit Rolf „Rollo“ Ebbinghaus vom Hanf Museum Berlin hatte ich in ein regelrechtes Wespennest gestochen: Das Hanf Museum beherbergt eine ganze Reihe an Spezialisten, die sich in verschiedensten Bereichen des Hanf Aktivismus engagieren. Unter anderem ist dort auch ein Regionalbüro der Grünen Hilfe e.V. angesiedelt, in dem kriminalisierten Hanffreunden jedwede Hilfestellung bei Konflikten mit dem Gesetz kostenlos ermöglicht wird.

Auf meine Nachfrage nach einem Gesprächspartner bei der Grünen Hilfe vermittelte mich Rollo direkt an Jo Biermanski. Ein „Urgestein der Szene“, wie Rollo mir versicherte und in der Tat: Bei meiner Vorarbeit zum Interview stieß ich auf Dokumente eines Aktivisten, der sich bereits seit langer Zeit nachhaltig für die Entkriminalisierung von Konsumenten und die Wiederfreigabe von Cannabis einsetzt.

Jo, du bist der ehemalige Pressesprecher der Grünen Hilfe e.V. und Leiter des Regionalbüros Hessen. Kannst du zur Einleitung schildern, worin die Aufgaben dieser Initiative bestehen?

Anfang der Neunziger gab es eine relativ starke Cannabis-Bewegung. In der Zeit wurde zwei Mal eine Cannabis-Bundeskonferenz abgehalten. Dort kam es zu der Überlegung, was man – außer sich öffentlichkeitswirksam für die Legalisierung von Cannabis einzusetzen – noch aktiv machen könnte. Der Konsens der Gespräche lautete: Man hilft am Besten denjenigen, die Ärger mit dem Apparat haben, also sozusagen den „Opfern der Prohibition“. Daraufhin haben wir uns 1994 als Informations- und Kontaktbörse zu den Themen Cannabis und Recht, Cannabis als Medizin und der Gefangenenbetreuung zusammengeschlossen. Im Zuge dessen entstand eine Anwaltsliste mit engagierten Spezialisten in Sachen Betäubungsmittelgesetz, um den Betroffenen gute Anwälte vermitteln zu können. Die Kontaktaufnahme mit uns erfolgt in der Regel per Telefon oder per Email, in seltenen Fällen auch per Post. Auf diesen Wegen beantworten wir Fragen zu den individuellen rechtlichen Problematiken und erstellen eine erste Falleinschätzung: Wie dringend besteht Handlungsbedarf? Kann derjenige erstmal abwarten, wenn zunächst lediglich ein Ermittlungsverfahren läuft? Muss er überhaupt eine polizeiliche Aussage machen? Lohnt es sich, jetzt bereits einen Anwalt einzuschalten? Zunächst ging es hier vor allem um Strafrecht, aber auch um Verkehrsrecht. Seit Ende der Neunziger Jahre aber wird das Fahrerlaubnisrecht zunehmend als Ersatzstrafmittel missbraucht. Da es immer noch keine vernünftigen Grenzwerte gibt, ist man als Cannabis Konsument permanent bedroht, den Führerschein zu verlieren. Es ist eindeutig festzustellen dass sich mindestens 90% der Fälle auf Führerscheinproblematiken und Ordnungswidrigkeitsverfahren im Straßenverkehrsrecht beziehen.