Es gibt ein Phänomen, oder nennen wir es ein Paradox, vor dem wir offenbar alle gleich sind: die Zeit. Was soll das eigentlich sein … eine messbare Realität, ein universelles Gesetz oder doch nur ein Wort? Obwohl wir gar nicht genau wissen, ob so etwas wie „Zeit“ überhaupt existiert, haben doch die meisten von uns das Gefühl, zu wenig davon zu besitzen. Jetzt gerade, während ich diese Kolumne schreibe, scheint sie mir davonzurennen. Also nichts wie hinterher, schließlich hat auch dieses Magazin seine Deadlines!
Einst haben wir uns an der Sonne orientiert: Geht sie auf, fängt ein neuer Tag an, so legten wir es fest – geht sie unter, so ist der Tag vorbei. So einfach war das. Und damit es uns dazwischen nicht langweilig wird, haben wir irgendwann auch noch die Uhrzeit eingeführt. Den Kalender hatten wir da schon längst erfunden. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre: Sie alle sind unsere eigenen Erfindungen, unter denen wir seitdem ächzen. Denn was uns hilft, unseren Alltag zu planen, treibt uns auch vor sich her. Nach Albert Einstein wissen wir zwar, dass Zeit auch relativ sein kann – in der Realität, wie wir sie uns geschaffen haben, funktioniert sie allerdings weiterhin nach festen Einheiten.
Erfinden wir also einfach noch etwas hinzu: das Zeitmanagement! Es gibt unzählige Ratgeber und Methoden, um nicht zu sagen eine ganze Industrie, die uns in einer immer schnelllebigeren Zeit helfen sollen, genau diese Zeit besser einzuteilen. Zeitdiebe soll es geben, so erfahren wir, irgendwelche Dinge und Tätigkeiten also, die uns die Zeit rauben. Eine effektive Zeiteinteilung soll uns nun dabei helfen, sie zurückzuerobern – der Krieg um die Zeit tobt, es gilt, keine Sekunde mehr zu verlieren! Auch Minuten, Stunden und Tage müssen besser genutzt und sinnvoller verwaltet werden, auf dass wir mehr hineinquetschen können, mehr erledigt bekommen. Im Arbeitsalltag nimmt das mitunter absurde Formen an, die aber niemand wirklich zu hinterfragen scheint. So wird in vielen Unternehmen ein Drittel der Arbeitszeit nur mit der Planung und Optimierung derselben verbracht. Der Schriftsteller John Steinbeck meinte dazu einmal passend: „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“ Damit das Management unserer kostbaren Zeit aber nicht in Stress ausartet, sollen wir uns zwischendurch möglichst auch noch „Auszeiten“ nehmen. Seltsam. Es gibt also offenbar eine Zeit, die effektiv verplant und genutzt werden muss und eine, die man irgendwie anhalten darf, um sich von der genutzten Zeit wieder zu erholen. Je länger man darüber nachdenkt, desto sinnloser erscheint das Ganze, und: desto mehr Zeit vergeht natürlich auch… Und je mehr wir versuchen, die Zeit festzuhalten, desto schneller rennt sie uns davon. Hilfe, es ist schon wieder fünf vor zwölf!