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Dr. David Nutts Kampf gegen eine verlogene Drogenpolitik

Wenn man sich für die Legalisierung von Cannabis, die Beendigung des „War on Drugs” und eine andere Drogenpolitik einsetzt, wird man schnell als Süchtiger, Krimineller oder gar als ein allgemein die gesellschaftliche Ordnung bedrohendes Individuum abgestempelt. Umso schöner, wenn sich hin und wieder renommierte Experten (die aufgrund ihrer Reputation nicht so einfach zu diffamieren sind) zu Wort melden und einen anderen Umgang mit Drogen fordern. Der britische Neuropsychopharmakologe und Psychiater Prof. Dr. David Nutt kämpft seit Jahren für eine Beendigung des nach seinen Worten „idiotischen” Krieges gegen die Drogen und eine akzeptierende und der Realität angepasste Drogenpolitik.

2009 geriet Professor Nutt erstmals in das Rampenlicht der Medien, nachdem er seinen Job als leitender Berater des Komitees für den Mißbrauch von Drogen (Advisory Council on the Misuse of Drugs, ACMD) verlor – zuvor hatte er in einem Bericht erklärt, dass der gesellschaftliche Schaden, der durch den Gebrauch von Cannabis und MDMA entstehe, geringer sei als der von Alkohol und Zigaretten. Aber anstatt seine Entlassung kleinlaut hinzunehmen, wandte sich Prof. Nutt offensiv an die Medien und verteidigte dort erklärungsfreudig und bereitwillig seine Aussage. Anschließend gründete er zusammen mit einigen Kollegen – die das ACMD aus Protest ebenfalls verlassen hatten – das „Unabhängige Wissenschaftliche Komitee für Drogen” (Independent Scientific Committee on Drugs, ISCD) und setzt sich seitdem auch weiterhin als Wissenschaftler, Redner und Autor für einen auf wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fakten basierenden Umgang mit Drogen ein. Zuletzt geriet Prof. Nutt in die Schlagzeilen, weil er „kokainsüchtige Investmentbanker” für die anhaltende Finanzkrise verantwortlich gemacht hatte. Diese aus dem Zusammenhang gerissene Aussage wurde von der englischen Sensationspresse aufgegriffen, ausgeschlachtet und wieder einmal dazu benutzt, David Nutt als einen den Drogen zugeneigten Spinner zu diffamieren. Unbeachtet blieben dabei die interessanten Ergebnisse, zu denen Prof. Nutt und sein Team von Forschern im Rahmen einer ausführlichen Studie mit Psilocybin – dem psychoaktiven Stoff sogenannter Zauberpilze – gekommen sind.

Dr. Nutt, Sie geraten vor allem in England immer wieder mit Aussagen wie „Reiten ist gefährlicher als Ecstasy” oder, wie erst vor Kurzem, mit „Kokain ist Schuld an der Finanzkrise” in die Schlagzeilen …

Ja, allerdings. Die Sensationspresse hat mich unter anderem auch schon „Dr. Giftig” und „Der Drogen-Zar” genannt. Seit Neuestem nennen sie mich wegen meiner Psilocybin-Forschung „Professor Pilz”. Die Äußerung, dass Reiten gefährlicher als Ecstasy ist, stammt von mir – aber ich habe nicht gesagt, dass die Finanzkrise durch Kokain ausgelöst wurde. Ein Journalist hatte mich in einem Interview gefragt, ob verschiedene Menschen unterschiedliche Drogen bevorzugen, und ich habe ihm geantwortet: ‚Ja, Hippies nehmen eher psychedelische Drogen wie Cannabis, LSD und Zauberpilze und Bänker greifen eher zu Kokain oder Speed.‘ Daraus wurde anschließend die Schlagzeile „Kokain hat die Finanzkrise verursacht!”, die in über 500 Tageszeitungen erschien. Dabei ist es eine Tatsache, dass Investmentbänker eher Kokain und andere aufputschende Stimulanzien konsumieren und dadurch womöglich auch risikofreudigere und oft fragwürdige Entscheidungen treffen.

Ist es frustrierend für Sie, dass solche sensationsheischenden Berichte die Ergebnisse Ihrer Forschung immer wieder falsch interpretieren oder ganz außer acht lassen?

Einerseits finde ich es schon bedauerlich, wenn aus einem ernsthaft geführten Interview ein die Tatsachen verdrehender Artikel gesponnen wird, bei dem mir meine Worte im Mund umgedreht werden und die Sensation oder eine Kontroverse im Vordergrund steht und nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Realität zum Thema Drogen ist nicht nur für die Politik eine unbequeme Wahrheit –jahrelang gab es überhaupt keine unabhängige Auseinandersetzung mit dem Thema. Insofern ist mir eine sensationsheischende Berichterstattung immer noch lieber als gar keine. Die Wahrheit ist schon zu lange unter den Tisch gekehrt worden, weil niemand den Mut aufgebracht hat, sie zu äußern – und so wird nun wenigstens darüber geredet. Dass gerade die englische Presse immer wieder versucht, mich lächerlich zu machen, zeigt mir außerdem, dass ich irgendetwas richtig machen muss.

Seit Ihrer Kündigung als Vorsitzender des Komitees für den Mißbrauch von Drogen 2009 haben Sie sich vor allem in England zu einem Vorreiter für eine Änderung der Drogenpolitik und des gesellschaftlichen Umgangs mit Drogen entwickelt. Gefallen Sie sich eigentlich in dieser Rolle?

Ich habe mir diese Rolle ja nicht ausgesucht, aber ich empfinde es inzwischen als meine Pflicht zu sagen, was gesagt werden muss. Als Wissenschaftler muss ich die Fakten meiner Forschung kundtun, auch wenn sie von der politischen Meinung abweichen. Alles andere wäre heuchlerisch und moralisch verwerflich.