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Ein Nachruf auf Alexander „Sasha“ Shulgin

Bewusstseinsverändernde, geistbewegende Substanzen und Techniken sind Werkzeuge selbstgerichteter Innenschau, spirituellen Wachstums und – allgemein gesagt – einer alternativen Lebensart fernab vom kapitalistischen und ausbeuterischen Lebensstil, der unsere zivilisierte Welt zurzeit ausmacht. Mit der Erforschung jener psychoaktiven Moleküle bearbeiten einige Wissenschaftler weltweit ein Themenfeld, dem die Mehrheit der Menschen mit Vorurteilen, Angst und schließlich sogar mit Hass begegnet und das vonseiten der Regierungsapparate mit Verboten und Repression kleingehalten wird. In unserer losen Serie wollen wir die größten Forscher auf diesem Gebiet vorstellen, ihre jeweiligen Werdegänge beleuchten und ihnen somit ein Denkmal setzen. Beginnen wollen wir mit einem Nachruf auf den erst kürzlich verstorbenen Sasha Shulgin, dem Wiederentdecker des MDMA.

Man nennt ihn den Vater, Stiefvater oder auch den Paten des „Ecstasy“, obwohl er selber diesen Ausdruck nicht mochte: Alexander Theodore Shulgin, von seinen Freunden Sasha genannt, war ein Chemiker, Pharmakologe, Autor und Psychonaut russischer Abstammung. Shulgin lebte in den USA, wurde am 17. Juni 1925 in Berkeley, Kalifornien, geboren und verstarb am 2. Juni 2014 im Alter von 88 Jahren ebenfalls in Kalifornien, nämlich in Lafayette, seinem Heimatort.

Sasha Shulgin war ein Ausnahmewissenschaftler. Nach seinem Studium der Biochemie an der Universität Berkeley und einem Intermezzo als Forschungschef in einem Unternehmen für Lebensmittel-, Umwelt- und Veterinäranalytik ging Shulgin in die Forschungsabteilung des US-amerikanischen Chemieunternehmens Dow Chemical. Er erfand und entwickelte ein potentes Insektizid namens Mexacarbat, das seinem Arbeitgeber das Geld nur so in die Kasse spülte. Genau dieses Faktum sollte den Weg Sasha Shulgins maßgeblich ebnen und ihm künftig auch bislang verschlossene Türen öffnen. Denn weil Sasha Shulgin der Dow Chemical de facto die Möglichkeit eröffnete, sich im Nu eine goldene Nase zu verdienen, ermöglichte der Konzern dem Chemiker im Gegenzug fürderhin, sich mit jener Disziplin zu befassen, die Shulgin ohnehin am meisten interessierte: mit der Arbeit über die psychoaktiven, oder besser gesagt: die psychedelischen Moleküle. Bis 1994 war Sasha Shulgin, nach seiner Arbeit für die amerikanische Anti-Drogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) und für die NIDA (Nation Institute on Drug Abuse), sogar im Besitz einer Genehmigung für die Arbeit mit illegalisierten Schedule-I-Substanzen.

Alexander T. Shulgin war und ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der psychonautischen Bewegung, und es könnte ein ganzes Buch über ihn und sein Werk verfasst werden. Wir schauen uns hier nur einige Beispiele an, um zu verdeutlichen, wie wichtig die Arbeit Sasha Shulgins für die Drogenforschung und die psychedelische Kultur war und ist. Denn zusammen mit seiner Frau Ann revolutionierte Sasha die subversive Bewegung des psychonautischen Untergrunds mehrere Male gewaltig. So entwickelte er mit seiner Gattin nicht nur für die Psychotherapie eine Reihe wichtiger pharmakologischer Werkzeuge, wie zum Beispiel das 3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin, kurz MDMA, sondern etablierte die von ihm wiederentdeckten oder selbst synthetisierten Psychoaktiva auch in der freigeistigen Welt der Psychonauten.

Sasha Shulgin befasste sich jedoch als Psychonaut nicht bloß mit der reinen Chemie bzw. Pharmakologie von Substanzen. Vielmehr gelangte er im Lauf seines Lebens zu der Überzeugung, dass die Existenz von psychoaktiven Molekülen einen höheren Sinn haben muss, als von der Wissenschaft gemeinhin angenommen. So könne es schlichtweg nicht sein, dass Pflanzen die Verbindungen nur deswegen produzieren und enthalten, um Fraßfeinde abzuwehren, genauso wenig, wie es plausibel sei, dass wir Menschen diese Substanzen ausschließlich für das Funktionieren unserer Vitalfunktionen ausbilden. Sasha Shulgin hat eine anders geartete Erklärung, die zwar sicherlich auch nicht der Weisheit letzten Schluss abbildet, jedoch deutlich die psychonautische Tendenz unterstreicht: „In unserem Inneren existiert eine Fülle an Informationen … versteckt im genetischen Material einer jeder unserer Zellen … psychedelische Drogen erlauben die Erkundung dieser inneren Welten und vermitteln Einblicke in deren Natur.“