Der Autor, Journalist und Schriftsteller Mathias Bröckers gilt als Pionier der Hanfbewegung. Vor mehr als 20 Jahren hat er gemeinsam mit Jack Herer Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf – in der Szene auch als „Gelbe Bibel“ – bekannt verfasst, das seit langem als Standardwerk über Hanf bezeichnet wird. Vor kurzem erschien nun sein neues Buch Keine Angst vor Hanf. thcene wollte wissen, ob dieses Buch ein Nachtrag zur „Gelben Bibel“ ist und was es für neue Erkenntnisse über die Nutzpflanze Hanf gibt.
Hallo Mathias, deine letzten Veröffentlichungen haben sich größtenteils mit Thematiken außerhalb des Hanfkosmos beschäftigt. Ganz besonders die Bücher über „9/11“ dürften unseren Lesern bekannt sein. Was hat dich nun dazu bewegt, zwanzig Jahre nach dem Buch Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf, was gerne auch als die „Gelbe Bibel“ bezeichnet wird, zu diesem Thema zurück zu kehren?
Ehrlich gesagt war ich nie wirklich weit „weg vom Hanf“. Im Jahr 2010 habe ich das Buch Die Drogenlüge veröffentlicht, in dem die Prohibitionspolitik im allgemeinen und deren politische Hintergründe beleuchtet wurden. Hier ging es natürlich nicht nur um Hanf sondern um die gesamte Illegalisierung von Drogen. Dazu kommt, dass die „Gelbe Bibel“ auch weitere Veröffentlichungen wie zum Beispiel erläuternde Bildbände zur Folge hatte. In diesem Kontext habe ich auch immer wieder Artikel geschrieben und wurde zu Podiumsdiskussionen eingeladen. In dem Buch, das ich mit Jack Herer geschrieben habe, wurde auf mehr als 500 Seiten eigentlich alles gesagt, was zu dieser Pflanze, ihrer Nutzbarkeit und ihrem Verbot zu sagen ist. Dass ich mich jetzt noch einmal hingesetzt und eine „nur“ knapp einhundert seitige Streitschrift zum Thema Hanf verfasst habe, hängt in erster Linie mit den Entwicklungen der letzten zwei Jahre zusammen. Dazu gehört unter anderem die Volksabstimmung in einigen Staaten der USA, die dazu geführt hat dass in mittlerweile 20 Staaten der USA medizinischer Hanf legalisiert wurde. Ebenso wichtig sind die Entwicklungen in Uruguay. All diese Bewegungen der letzten Zeit stehen im Kontrast zu den Fortschritten in Deutschland. Hierzulande scheinen die Uhren still zu stehen. Das berühmte Cannabisurteil des Bundesverfassungsgerichts ist mittlerweile auch schon 20 Jahre alt. Bereits damals wurde seitens des Gerichts geurteilt, dass keine Konsumenten verfolgt werden dürfen und dass eine geringe straffreie Menge festgelegt werden muss. Während rund um die Welt dahingehend sehr viel passiert ist, ist in Deutschland immer noch nichts geschehen. Deshalb habe ich all die Argumente, die für eine Legalisierung sprechen, prägnant und kurz zusammengefasst.
Kann man dein neues Buch also als eine Art „Update“ der Gelben Bibel bezeichnen?
Ja und nein. In Keine Angst vor Hanf gehe ich nicht auf neue Erkenntnisse hinsichtlich der Nutzpflanze Hanf ein. Dagegen habe ich konkrete Recherchen bezüglich belegbarer Statistiken betrieben. Hier geht es um die Anzahl der Strafverfahren die es in den letzten Jahren bezüglich vermeintlicher Cannabisdelikte gab. Welcher Aufwand wurde dafür betrieben und was kostet dieser ganze Wahnsinn eigentlich? Daneben steht der Vergleich des Nutzens: Fruchtet diese Politik? Wird wirklich weniger konsumiert? In welchen Altersschichten wird was und wie konsumiert? Die nüchterne Evaluierung der bestehenden Politik wird zum Debakel für die Regierungen. Wir geben mehrere Milliarden Euro dafür aus, dass sich in den letzten Jahren die Zahl der gelegentlichen Cannabiskonsumenten nahezu verdoppelt hat. Betrachtet man dagegen die Situation in den Niederlanden, stellt man fest dass dort besonders die Zahl der jugendlichen Konsumenten, die wir ja in allen Bereichen vor dem Konsum jeglicher Drogen schützen wollen, zurückgegangen ist. Obwohl also die deutsche Politik scheitert und es genügend positive Vergleichsbeispiele alternativer Methoden gibt, wird der Kurs hier weiter gefahren. Warum wird dieser Irrsinn immer weiter getrieben? Diese Überlegungen führten mich zum Titel des neuen Buches Keine Angst vor Hanf. Im Prinzip wird uns seit Harry Anslingers Zeit vor dieser Pflanze Angst gemacht. Ausgehend vom Vorsitzenden des Federal Bureau of Narcotics wurden seit jeher erfundene Schauermärchen in die Welt gesetzt und diese Mythen wurden permanent bedient. Leider funktioniert die Angstmache hauptsächlich beim „großen Publikum“, denn nur dadurch kann diese Politik beibehalten werden.
Kurz zusammengefasst könnte das von dir eben als „Streitschrift“ bezeichnete Buch also als statistisch belegter Aufruf zur Entkriminalisierung und Legalisierung bezeichnen werden?
Ja, so kann man das sagen. Das Buch beginnt mit den Worten „Es reicht!“. Und es reicht jetzt wirklich! Warum führen wir beispielsweise im Jahr 2012 sage und schreibe 130.000 Strafverfahren wegen Cannabis, wenn diese zum größten Teil eingestellt werden? Was wird damit bezweckt, dass ein 14 Jähriger von der Schule fliegt und sein komplettes weiteres Leben dadurch negativ beeinflusst wird, nur weil er mal mit einem Tütchen Gras erwischt wurde? Die Schäden, die wir mit den Strafen anrichten sind weitaus größer als die Schäden, die von der Pflanze selbst verursacht werden. Das muss aufhören und dafür habe ich sowohl Zahlen als auch Argumente konzentriert gebündelt dargestellt, ohne besonders polemische oder zornige Worte dafür zu verwenden. Jeder, der einen IQ hat der „höher als Zimmertemperatur“ ist, kann sich nach der Lektüre des Buches eine Meinung bilden, die jenseits der Angstpropaganda ausfallen wird. Gerade die Zahlen, die nun nach einem halben Jahr aus Colorado vorliegen, belegen sowohl die positive Veränderung der Steuereinnahmen als auch die Entlastung von Polizei und Justiz. Wenn sich dieser Trend noch zwei Jahre fortsetzt, werden die US Bundesstaaten fallen wie die Dominosteine. Wenn also nun schon im Mutterland der Prohibition, das Hanf weltweit ausrotten wollte, die Bevölkerung per Volksabstimmung die bestehenden Verbote revidiert, dann wird es definitiv Zeit dass wir, als Kolonie von Amerika, diese überfällige Änderung der Gesetze angehen.