Ich wollte schon lange mal Nordlichter sehen, hatte aber nie das Glück oder die Gelegenheit dazu. Auf der größten Vulkaninsel der Welt sollen diese, auch “Aurora Borealis“ genannten Naturphänomene in manchen Monaten nahezu alltäglich sein. Das zumindest las ich bei der Recherche im Internet – so auch, dass die beste Zeit für die Nordlichtjagd der Oktober sei.
Es waren sechs Tage im Oktober – und alles verlief so ganz anders als erwartet. Ich hatte mich eingehender mit der Nordlichter-Thematik beschäftigt und auf einer Internetseite* eine amtliche Nordlichter-Vorhersagekarte gefunden, die für den Anreisetag die besten Chancen im Raum Reykjavík versprach. Danach wurde tagelange Bewölkung prophezeit, sodass praktisch keine Chance auf die Sichtung von Nordlichtern bestand. Denn diese sind nur bei klarem oder zumindest weitgehend klarem Nachthimmel (und viel Glück) zu sehen – bei weiteren Recherchen (lange nachdem ich Flug und Unterkunft gebucht hatte) stellte ich dann auch fest, dass wir uns ausgerechnet den niederschlagsreichsten und damit sonnenlosesten Monat für unseren Kurzurlaub ausgesucht hatten. Und die einzige Chance auf Nordlichter schien nun unser erster Abend auf der vereisten Lavainsel zu bieten. So fuhren wir kurz vor Sonnenuntergang raus aus Reykjavík und in Richtung Nordosten – hier sollten die Nordlichter ab 20 Uhr gut zu sehen sein.
Schon eine Stunde vor Sonnenuntergang hatten wir einen schönen Spot in der Eislandschaft gefunden und zumindest direkt über uns freien Himmel. Wir rauchten ein Tütchen und noch während es brannte, brachte ich mein neues Spielzeug an den Start – eine kleine Actioncam, die direkt an einem einfach zu fliegenden Quadrocopter angebracht war. Wie zuvor schon in Berlin getestet, flog ich los und konnte bereits während des Fluges die eingefangenen Live-Videobilder auf einem kleinen Monitor betrachten. Das Gute an diesem Hightech-Spielzeug ist die „Homecoming“-Funktion, die bei Funkabriss dank GPS-Daten und Kompass den Quadrocopter automatisch zurück zum Startplatz leitet. Das hatte bei allen Testflügen auch immer prima geklappt, also gab ich richtig Gas und flog eine weite Strecke über das idyllische Gebirgstal, bis ich das Gerät kaum noch sehen konnte. Um mein Spielzeug nun zurückkehren zu lassen, schaltete ich die Fernbedienung aus, wodurch sich die Flugautomatik auf den „Homecoming“-Modus stellte. Doch anstatt nun automatisch zurückzukommen, flog das Teil sehr schnell und schräg auf die isländische Schneelandschaft herab und stürzte irgendwo ins Nirgendwo. So ganz genau konnte ich das gar nicht sehen, ich starrte nur ungläubig und mit klopfendem Herzen den kleinen Monitor an, der die Live-Bilder noch bis in die letzten Sekunden vor dem Crash übertrug.
Das Ding war tatsächlich abgestürzt. Einfach so, direkt beim ersten Auslandseinsatz. Mit dem Jointstummel im Mund und einer Wasserflasche in der Hand lief ich los – das konnten ja eigentlich nur ein, zwei Kilometer bis zur Absturzgegend sein, vielleicht konnte ich zumindest die SD-Card mit den (Absturz)Aufnahmen und den Akku retten. Nach einer halben Stunde bergab durch eine unberührte Schneelandschaft kam ich auf der anderen Seite eines zum Glück recht schmalen Baches an, der sich malerisch durch das kleine Tal zog. Nun ging es wieder eine Weile bergauf, und da war dann das Gebiet, im dem ich die Überreste meiner nun nicht mehr fliegenden Kamera vermutete. Ich begann, von einer Fata Morgana zur nächsten zu stolpern – die mit Schnee überzogene Landschaft gaukelte mir in der Entfernung immer wieder Bilder vor, die einer abgestürzten (weißen) Kameradrohne ähnelten. Obwohl es nur knapp über null Grad war, war ich durch die Schneestapferei mittlerweile arg verschwitzt und merkte langsam, wie es mir immer schwerer fiel, durch den tiefen Schnee zu staken. Und den heftigsten Aufstieg hatte ich ja noch vor mir: den Weg zurück zum Auto. So gab ich schließlich die Suche auf – und schrieb das Fluggerät unwiederbringlich ab. Am ersten Abend schon. Ohne genau zu wissen, was da eigentlich schiefgegangen war. Hoffentlich würden mich die Nordlichter dafür entschädigen. Doch auch die ließen sich nicht blicken – der Himmel zog sich mit der Zeit immer weiter zu, ohne dass sich eines der wandernden grünen Lichter gezeigt hätte. Meine Stimmung sank rapide – da war nun nicht nur meine fliegende Kamera direkt abgestürzt, auch die Hoffnung auf Nordlichter war dahin, und wie es aussah, standen uns nun drei Tage mit null Sonnenstunden und 99 Prozent Regenwahrscheinlichkeit bevor. Ganz toll – das konnte wirklich nur noch besser werden.