29-Jahre-Hanf-in-Deutschland

20 Jahre Hanf in Deutschland

Anlässlich des 20jährigen Bestehens des Hanf Museums in Berlin fand im historischen Nikolaiviertel eine Podiumsdiskussion statt, die unter dem Motto „Die wilden Neunziger“ stand – wir fanden die Gesprächsrunde so spannend, dass wir sie hier noch einmal schriftlich für Euch zusammenfassen.

Sophie: Meine verehrten Damen und Herren, liebe Hanffreunde! Ich darf Sie ganz herzlich zu unserer kleinen Erzähl-Runde unter dem Motto “Die wilden Neunziger” begrüßen. Dazu haben wir uns einige Gäste aus der Hanfszene eingeladen, die sicherlich eine Menge über die Höhepunkte der Legalisierungsbewegung in den 90er Jahren berichten können. Beginnen wir unsere lockere Gesprächsrunde mit Herrn Neškovic – darf ich Sie bitten, uns zu erzählen, wie es damals zum sogenannten „Cannabisbeschluss“ gekommen ist?

Wolfgang Neškovic: Zunächst möchte ich kurz anmerken, dass ich ja immer irgendwie als Teil der Hanf-Szene angesehen werde – das mag für einen Richter unter seinen Kollegen etwas befremdlich sein, aber ich wehre mich nicht dagegen. Dann muss ich aber auch noch dazu sagen, dass ich nie in meinem Leben einen Joint oder auch nur eine Zigarette geraucht habe. Ich hatte in meinem persönlichen Umfeld nie Kontakt mit Drogen – ich habe immer Leistungssport gemacht und wusste, dass Rauchen hinderlich ist, wenn man leistungsorientiert ist. Merkwürdigerweise ist mir aber auch nie aufgefallen, wer damals schon in meinem Umfeld Cannabis rauchte – das habe ich dann erst viel später erfahren.

In den neunziger Jahren war ich Vorsitzender der SPD-Juristen in Schleswig Holstein und ein guter Freund von mir – Uwe Maeffert, ein sehr bekannter Rechtsanwalt – hatte mir zu Weihnachten ein Buch über den Niedergang der Strafjustiz geschenkt. In diesem Buch gab es ein Kapitel, das sich mit Drogenpolitik beschäftigte – und zwar insbesondere mit der Bestrafung. Und hier sah ich ein reines Gerechtigkeitsproblem, das mich interessierte. Wer weiß, was Alkohol in der Gesellschaft anrichtet bzw. anrichten kann und sich dann ein wenig damit beschäftigt, was sich auch hier in diesem Museum – und wie ich finde, sehr anschaulich – abbildet, der muss einfach feststellen, dass das ungerecht ist. Als Richter ist man ja der Wahrheit und Gerechtigkeit gegenüber verpflichtet – wobei ich nie sagen würde, dass ich weiß, was Gerechtigkeit ist. Aber ich weiß, was ungerecht ist. Das habe ich öfters gerne so auf den Punkt gebracht und gesagt: Wenn man in den Fußballstadien Cannabis ausgeben würde, würden die alle friedlich auf den Rängen sitzen und wir hätten keine Gewalt in den Stadien. Wenn man dagegen das Münchener Oktoberfest nach den Maßstäben der Cannabisprohibition betrachten würde, dann wäre das eine kriminelle Großveranstaltung. Jedenfalls hatte der Beitrag in diesem Buch meinen Freund Uwe Maeffert auf die Idee gebracht, den Versuch zu unternehmen, eine Kammer des Landgerichts Hamburg dazu zu bringen, einen sogenannten Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht zu richten. Uwe Maeffert war der Meinung, dass die gegenwärtige Rechtslage im Betäubungsmittelgesetz verfassungswidrig sei – das hat mich juristisch sehr interessiert und ich habe mir dann die Akten aus Hamburg besorgt, um darin zu sehen, wie er das begründet hatte. Nun bekam ich die Akten ausgerechnet zu jener Zeit, als ich Vorsitzender einer großen Strafkammer wurde und eine Berufung auf meinem Schreibtisch landete, in der von einer jungen Frau die Rede war, die ihrem Ehemann – der wegen Drogendelikten im Gefängnis saß – insgesamt 1,1 Gramm Haschisch ins Gefängnis geschmuggelt hatte. Sie war wegen ihrer Beteiligung an diesem Delikt – für das ihr Mann im Gefängnis saß – auf Bewährung. Und jetzt war die Bewährung widerrufen worden und es standen anderthalb Jahre Strafhaft für sie auf dem Spiel. Ich habe mich dann an diese Situation erinnert und die Sache ordentlich vorbereitet – auch mit sachverständigen Suchtforschern und Pharmakologen – und dann haben wir als kleine Strafkammer des Landgerichts Lübeck diesen Vorlagebeschluss verfasst, der auch die Formulierung „Recht auf Rausch“ enthielt. Das hat eine große öffentliche Diskussion hervorgerufen – infolge habe ich an über 120 Veranstaltungen teilgenommen und war damals auch schon mal hier im Hanf Museum. Ich habe damals schon mit Frau Merkel diskutiert – das war bei „Talk im Turm“. Ich erinnere mich noch sehr gut daran – Frau Merkel war damals gerade Jugendministerin und hatte von dem ganzen Thema eigentlich gar keine Ahnung.

Mathias Bröckers: Hat sie heute auch noch nicht…

Wolfgang Neškovic: Klar, aber es ist eben so, dass – wenn man sich mit dem Thema nicht eingehender beschäftigt – man dazu auch nicht den richtigen Zugang finden kann. Ich habe ja erlebt, was bei meinen Richter-Kollegen und -Kolleginnen auf der Richterakademie los war – die Ignoranz meiner Kollegen und Kolleginnen dort war sehr viel größer, als das, was ich bei der Führungsakademie der Polizei erlebt habe. Die Polizeibeamten sind schon damals sehr viel pragmatischer mit der Thematik umgegangen. Es gab eine regelrechte Bewegung der Polizeipräsidenten – insbesondere in Nordrhein-Westfalen – die sich damals schon aus polizeilicher Sicht für eine Freigabe eingesetzt haben. Und da schließt sich der Kreis – in diesen Tagen hat selbst der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft eingeräumt, dass man 2.000 Polizeistellen sparen könnte, wenn man sich diese ganze Hatz auf Cannabiskonsumenten sparen würde.