Vier Jahre Haft für ein paar Hanfpflanzen nach einer Verurteilung ohne Beweise, gefolgt von einem Hungerstreik gegen unmenschliche Haftbedingungen. Auf ungewöhnlichem Weg stellt uns der Deutsche Georg Huß seine Hanf-Horrorstory aus der Alpenrepublik Österreich vor.
Juni 2014. Aufruhr in der Redaktion: Wir haben einen Brief bekommen. Handgeschrieben. Im Zeitalter der E-Mail nahezu unvorstellbar. Warum schreibt uns jemand einen Brief, mit Tinte, auf Papier, im Umschlag? Die jüngeren Mitarbeiter staunen ehrfürchtig. So etwas haben sie noch nie gesehen. Hier muss etwas Sonderbares vorgefallen sein. Und tatsächlich: Der Brief kommt aus einem Gefängnis in Eisenstadt. Aus Respekt gegenüber dem beschriebenen Papier bin ich schon fast versucht, diesen Ort im Atlas nachzuschlagen. Schließlich gebe ich die Anfrage dann doch in die bekannte Weltkartendurchsuchungsmaschine im Internet ein.
Eisenstadt liegt in Österreich, knapp 70 Kilometer südlich von Wien im Burgenland. Das hört sich sehr idyllisch an, doch der Verfasser des Briefes ist ganz anderer Meinung: „Ich bin in der Hölle gelandet.“
Auf den folgenden vier Seiten beschreibt Georg Huß zunächst die Umstände in der Justizanstalt (JA) Eisenstadt. Von „Geständnis-Geiselhaft“ ist die Rede und von Verschlusszeiten bis zu 23 Stunden am Tag. „Mangels Beamten“ gibt es keinerlei Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, nicht einmal eine Bibliothek steht den Häftlingen zu Verfügung. „Wer Arbeit hat, kann diese nicht verrichten, da kein Aufsichtspersonal verfügbar ist“, schreibt der 41jährige Deutsche, der mit seiner Lebensgefährtin in Slowenien lebte.
Der Grund seiner Haft: Ihm wird vorgeworfen, 75 erntereife Hanfpflanzen, 181 Setzlinge und „vermutete 100 bereits geerntete Pflanzen“ zu „kommerziellen Zwecken in einem angemieteten Haus im Burgenland angebaut und veräußert“ zu haben. Darüber hinaus sei er Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Im November 2013 wurde er in Untersuchungshaft genommen. Auf seinen Prozess wartete Huß fast sechs Monate lang. Als einer der Mitbeschuldigten dann zu Prozessbeginn am 13.05.2014 ein Teilgeständnis ablegte und Huß als Hauptschuldigen und „Kopf der Bande“ bezeichnete, wird die Prozessfortsetzung um einen weiteren Monat verschoben. Nach wie vor gibt es außer der Aussage des Mitbeschuldigten keine Beweise gegen Huß. Während seiner ungewöhnlich langen Zeit in U-Haft sieht er „viel schwerwiegendere Fälle kommen und gehen“. So wird beispielsweise ein Häftling, der mit 2 kg Kokain erwischt wurde, nach nur fünf Wochen in U-Haft bis zu seinem Prozess freigelassen. Huß beschließt, auf seine Situation aufmerksam zu machen und kündigt an, in Hungerstreik zu treten. An dieser Stelle endet der erste Brief.
Noch bevor wir in der Redaktion entschieden haben, wie wir mit diesen Informationen umgehen sollen, erreicht uns ein zweites Schreiben, datiert auf den 25.06.2014. Zwei Tage nach der Prozessfortsetzung informiert uns Huß, dass er zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Das ist auch in unseren Augen ein äußerst hartes Urteil. Wir versuchen, mit dem Häftling, der den angekündigten Hungerstreik nach dem Urteilsspruch begonnen hat, auf die einzig mögliche Art und Weise Kontakt aufzunehmen: per Brief. Fast zwei Monate vergehen, bis wir eine Antwort erhalten, doch die hat es in sich: Huß schickt uns zehn handgeschriebene Seiten sowie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.