Ursprünglich machte mich ein australischer Freund auf Russell Brand aufmerksam, der damals noch ganz am Anfang seiner Karriere stand und gerade eine Talkshow aufmischte. Dann sah ich ihn in ein paar gelungenen Hollywood-Filmen und fand ihn erneut überaus amüsant. Erst vor einem guten Jahr schaute ich mir dann die Aufzeichnungen seiner zwei Comedy-Programme an und musste hier und da tatsächlich Tränen lachen – dabei wurde mir aber auch ganz deutlich klar, dass es Russell nicht nur darum geht, Lacher um jeden Preis abzustauben, sondern dass er sich überdurchschnittlich viele Gedanken um die entscheidenden Fragen des Lebens in unserer (westlichen) Gesellschaft macht. Diese hat er inzwischen niedergeschrieben und so ist ein Buch entstanden, dass wir derart lesenswert finden, dass wir es hier recht ausführlich vorstellen.
Das Mitte April diesen Jahres auch in Deutschland (bei Heyne/HARDCORE) veröffentlichte Buch ist ein dickes Ding – immerhin fast 500 Seiten stark und trotzdem durchgehend amüsant und informativ zugleich. Da hat sich wirklich einer eingehend mit der Materie beschäftigt und dabei mit vielen Experten gesprochen, die ihm bei der Suche nach Antworten weiterhalfen. Denn natürlich ist Russell Brand kein studierter Gesellschaftswissenschaftler, sondern ein mittlerweile 40jähriger britischer Comedian, der vielen eher als „der Ex von Katy Perry“ bekannt ist – was ihn in meinen Augen aber nicht ab- sondern eher Katy Perry aufwertet.
Wie soll aber nun jemand, der es nicht nur auf die Titelseiten der Boulevard-Blätter sondern sogar in Hollywood geschafft hat und selbst verdammt reich ist, uns etwas von der Revolution erzählen? Denn ist es nicht genau das, was sich heutzutage eh die Meisten insgeheim oder auch ganz offen wünschen: Reich und berühmt zu sein? Ist das nicht die Religion unserer Zeit? Und da ist nun einer, der aus einfachen Verhältnissen stammt, der sich diesen Traum tatsächlich erfüllen konnte und der auf dem Höhepunkt seiner Karriere merkte, dass Ruhm und Reichtum doch nicht die Schlüssel zum Glück sind und der daraufhin beginnt, sein Weltbild zu hinterfragen und zu erneuern. Das macht ihn in meinen Augen schon sehr glaubwürdig.
Vielleicht gefällt mir sein Buch aber auch nur deshalb so sehr, weil es meine eigene Weltanschauung in vielen Punkten bestätigt und mit neuen Informationen untermauert. Vielleicht hat er ja recht und die wichtigste Frage unserer Zeit ist, ob wir bereit sind, die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten der Gesellschaftsform des (unersättlichen, Menschen und Ressourcen ausbeutenden) Kapitalismus zu opfern, oder ob es uns noch rechtzeitig gelingt, ein nachhaltigeres Gesellschaftssystem zu etablieren.
Es geht hier tatsächlich um das große Ganze und was wir tun können, um etwas zu verändern – diese nicht immer ganz leichte Kost serviert uns Russell Brand nicht etwa oberlehrerhaft oder auch nur annähernd „pädagogisch wertvoll“, sondern auf seine freche, umgangssprachliche Art. Sein Verdienst ist es nicht, sich das alles ausgedacht, sondern das alles zusammengetragen zu haben. Mein „Verdienst“ ist allerdings noch viel geringer – ich habe nur sein Buch gelesen und ein paar geeignet erscheinende Stellen abgetippt. So zitiere ich hier nun Russell, wie er Helena zitiert und anschließend ausführlich kommentiert:
Ich fragte die Globalisierungskritikerin Helena Norberg-Hodge, was wir tun müssen, um die Welt zu verändern. Helena beschäftigt sich mit „Counter-Development“ – das bedeutet, praktikable Formen der Opposition gegen die von Regierungen und Großunternehmen vorangetriebene Globalisierung und die Machtfestigung der Konzerne zu finden. Helenas Augenmerk gilt Leuten, die sich dieser politischen Entwicklung widersetzen und eine Re-Regulierung der Handels- und Finanzwelt fordern sowie Modelle der landwirtschaftlichen Produktion und der Verteilung entwerfen, die nicht den elementarsten Gesetzen der Ökologie zuwiderlaufen. Als Reaktion auf meine Anfrage schickte sie mir umgehend die folgende Liste:
1. Durch neue Verhandlung von Wirtschaftsverträgen die Macht der Großkonzerne beschränken, um durchzusetzen, dass multinationale Konzerne rechtlich und steuerlich an die Gesetzgebung ihrer Standorte gebunden sind. Annullierung der Chartas sämtlicher Konzerne, deren Einnahmen höher sind als das niedrigste Bruttosozialprodukt. Zerschlagung der Welthandelsorganisation WTO und Schaffung einer Weltumweltorganisation. Kontrolle privater Spenden für politische Kampagnen.
Okay, das hört sich vielleicht ein bisschen langweilig an. Vielleicht empfindet Ihr dabei ein Unbehagen im Bauch oder Unsicherheit. Eure innere Stimme, die immer allem kritisch gegenüber steht, sagt: „Ich war so beschissen in der Schule, da sollte ich Worte wie ‚Konzerncharta‘ gar nicht lesen.“ Mir ging es genauso, aber ich habe mich trotzdem durchgewühlt.
Helenas Forderungen besagen nichts weiter, als dass die Institutionen und Regeln des Welthandels unter Mitwirkung großer und mächtiger Konzerne gestaltet wurden – darunter vermutlich auch die arroganten Arschgeigen von Monsanto – und dass reiche Organisationen immer reicher und die armen Leute immer ärmer werden, solange diese Regeln oder dieses „System“ bleiben, wie sie sind.
Der letzte Satz handelt von der privaten Finanzierung politischer Kampagnen. Wenn Du aus Amerika kommst, was ja gut möglich ist, dann bist Du noch nie von einer Partei regiert worden, die nicht vor ihrem Wahlkampfsieg mit dem höchsten Etat ausgestattet war. Ob Du jetzt für den roten oder den blauen Kandidaten gestimmt hast, den Esel oder den Elefanten, den braunen oder den rosafarbenen Burschen – Sieger wurde immer der Kandidat der Partei, die das meiste Geld in den Wahlkampf gepumpt hatte. Jedes. Einzelne. Mal.
Ich will hier nicht als Zyniker erscheinen, aber bedeutet das nicht, dass man sich den ganzen demokratischen Zirkus sparen und die Macht einfach der Partei zuschieben kann, die das meiste Geld in ihren Wahlkampfkassen hat? Genau das bedeutet es. Vielleicht nicht immer, aber im Verlauf der bisherigen Geschichte in hundert Prozent aller Fälle.
Wenn man bedenkt, dass immer die Partei mit dem meisten Geld an die Macht kommt, glaubt Ihr dann nicht auch, die regierenden Parteien empfinden eine gewisse Verpflichtung, die Wünsche und Bedürfnisse der Organisationen zu berücksichtigen, die ihnen dieses Geld haben zukommen lassen? Ich bin mir da ziemlich sicher.