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Coca und Kokain – Gekaute Blätter und wunde Nasen

In dieser Folge unserer Drogeninfo befassen wir uns mit Coca und Kokain, mit Pflanze und Inhaltsstoff, mit traditionellem Rauschmittel und modernem Massenphänomen. Dass die Blätter des Coca-Strauchs eine psychoaktive Wirkung bescheren, lernte der Mensch von den Tieren: Vor über 5000 Jahren, in der Prä-Inka-Zeit, stellten die Menschen fest, dass Lamas von Erythroxylum coca naschten und anschließend euphorisch wurden. Seitdem unterhält der Mensch eine innige Beziehung zu der psychoaktiven Pflanze.

Die Ethnobotaniker Christian Rätsch und Jonathan Ott geben Auskunft über das spirituelle Verhältnis zwischen Coca-Pflanze und Mensch: „Coca ist eine heilige Pflanze. Sie ist das Geschenk der Mama Coca, sie ist Mama Coca, die „Mutter Coca“, der Strauch der Erde mit den Blättern des Himmels. Königin Coca, mit den aufstrebenden Blättern gekrönt. Dass der Mensch diese Beziehung zur Coca aufgebaut hat, bezeichnet Rätsch als „das Ergebnis einer Koevolution, die sich inniglich verbunden mit der Menschheit über die letzten fünftausend Jahre abgespielt hat. Die ältesten archäologischen Überreste von Coca zeigen eindeutig, dass der ethnomedizinische Gebrauch mindestens seit 1900-1750 v. Chr. zur menschlichen Kultur gehört“.

Was das Kokain angeht, so sind sich die Geschichtsschreiber noch uneinig, wer als erster das Kokain aus dem Cocastrauch isoliert hatte. Fakt ist, dass Albert Niemann 1959 in Göttingen den Stoff aus den Cocablättern isolierte und dem Molekül den Namen Cocain gab. Die ersten Exemplare einer Erythroxylum waren übrigens 1750 nach Europa gebracht worden. Es kann aber auch sein, dass der Chemiker Friedrich Gaedcke schon vor Niemann den Stoff aus Coca isoliert hatte, er nannte die Substanz Erythroxylin. Ein weiterer Wissenschaftler, der angeblich bereits 1858 Kokain extrahiert haben soll, ist der Mediziner Paolo Mantegazza von der italienischen Universität Pavia. 1923 gelang es dann dem Chemiker Richard Willstätter und zwei Kollegen erstmals, Kokain synthetisch zu produzieren.

Ein anderer Chemiker, der Korse Angelo Mariani, erfand den nach ihm benannten cocahaltigen Wein, den Vin Mariani, der aus süßem Wein und Coca-Blättern hergestellt wurde. Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter schreiben in ihrem Buch „Neues von der anderen Seite – Die Wiederentdeckung des Psychedelischen“ dazu: „Kokain wurde in Softdrinks gemischt. Es gab sogar einen mit Koka versetzten Wein, den Vin Mariani, dem die Päpste Leo XIII. und Pius X. ebenso frönten wie die gestrenge Queen Victoria. Gleich den meisten ihrer Zeitgenossen konnten sie den Gebrauch von derartigen Medikamenten und Genussmitteln in unbedenklichem Rahmen halten, als unschuldige Bereicherung eines Lebensvollzugs, der sonst in keiner Weise vom Substanzgebrauch geprägt oder gar definiert war“.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts enthielt auch die Coca Cola, die vom US-amerikanischen Apotheker John Stith Pemberton 1886 als Sirup erfunden worden war, einen kokainhaltigen Extrakt der Coca-Blätter, etwa ein Viertelgramm pro Liter!