Loving-the-alien-01 (1)

Unabhängigkeitstag – Loving the Alien

Überall formieren sich die Gegenbewegungen einer offenen Weltordnung. Fremdenfeindlichkeit und nationale Abschottung sind wieder auf dem Vormarsch. Gleichzeitig lässt Roland Emmerich die Menschheit vereint gegen einen gemeinsamen Feind aus dem Weltall kämpfen und Hillary Clinton verspricht ihren Wählern, die X-Akten zu öffnen. Steht uns in diesem so turbulenten Jahr tatsächlich auch noch ein Kontakt mit Außerirdischen bevor oder spiegelt sich darin doch wieder nur die Angst vor dem Fremden hier unten auf der Erde?

Der Besuch aus dem Weltall kommt diesmal noch gigantischer und bedrohlicher angereist – den gesamten Atlantik überspannt das monströse Mutterschiff der Aliens und die Zuschauer ahnen: auch diesmal wird es wohl keine freundliche Begegnung werden! Das seltsamste an diesem Besuch ist aber wohl, dass Roland Emmerich uns ganze 20 Jahre darauf hat warten lassen. Immerhin war „Independence Day“ damals sein großer Durchbruch als Blockbuster-Regisseur und bleibt bis heute sein kommerziell erfolgreichster Film. Ginge es nach den Buchhaltern von Hollywood, wäre eine möglichst eilig produzierte Fortsetzung nur die logische Konsequenz gewesen. Aber Emmerich ist nach eigener Aussage kein Freund von Sequels. An neuen Ideen für Katastrophenfilme hat es ihm seitdem zumindest nicht gemangelt. Ob durch UFOs, die Riesenechse Godzilla oder Super-Tsunamis – niemand schafft es, unseren Planeten immer wieder so kunstvoll in seine Einzelteile zu zerlegen. Aber selbst Emmerich meinte nach seinem letzten Film dieser Art, dem Weltuntergangs-Spektakel „2012“ (von ihm selbst auch als „Mutter aller Desaster Movies“ bezeichnet), dass er wirklich nicht wüsste, was er jetzt noch zerstören sollte.

Nun, irgendwann wusste er es dann wohl doch und so kam in diesem Sommer „Independence Day 2: Resurgence (die Wiederkehr)“ in die Kinos –  natürlich noch größer, teurer, lauter und spektakulärer als das Original, anders war es wohl nicht zu erwarten. Das Bemerkenswerte daran sind aber weniger die Special Effects, an denen man sich schnell satt gesehen hat, sondern eine Zukunfts-Vision, die Emmerich schon am Ende von „2012“ präsentiert hatte: Die Vereinigung der Menschheit im Angesicht einer globalen Katastrophe. 1996 setzte „Independence Day“ noch ganz auf die Symbolkraft des amerikanischen Unabhängigkeitstages (die Aliens griffen natürlich ausgerechnet kurz vor dem 4. Juli an) und auf einen alles zukleisternden US-Patriotismus. 20 Jahre später präsentiert uns Emmerich nun eine im Kampf gegen den außerirdischen Feind zusammengeschweißte Staatengemeinschaft und ist damit leider Lichtjahre entfernt von den politischen Realitäten des Jahres 2016.

„Independence Day – Britain’s Resurgence“, so titelte die britische Boulevard-Zeitung THE SUN nur wenige Tage vor der Weltpremiere des Films und stellte mit dieser Anspielung mal eben Emmerichs eigentliche Botschaft komplett auf den Kopf. Denn natürlich ging es dabei um das anstehende Brexit-Votum, das die SUN in ihrem Sinne beeinflussen wollte. Mit Erfolg: Die Briten haben kurz darauf mehrheitlich für ihre Unabhängigkeit und den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Good bye, Staatengemeinschaft! In London reagierte man darauf mit Frustration und Wut, denn die Bewohner der Hauptstadt hatten zum größten Teil gegen den Brexit gestimmt. Auch ein Kinobesuch hätte sie in dieser Situation wohl wenig getröstet, denn ausgerechnet London wird in „Independence Day 2“ gleich zu Beginn von dem außerirdischen Raumschiff pulverisiert. Eine wahnsinnigere Kombination aus unfreiwilligem Cross-Marketing und Realsatire kann man sich kaum vorstellen.