Es gibt Lebenswege, die sind wirklich einzigartig. Mit Anfang 20 wurde Chelsea Manning zum bekanntesten Whistleblower und Gefangenen der Welt, und ganz nebenbei auch noch zur Transgender-Aktivistin und Nobelpreis-Kandidatin. Nach nicht einmal einem Jahr in der Freiheit, will Manning nun für den US-Senat kandidieren.
„Wir leben in schwierigen Zeiten. Zeiten der Angst, der Unterdrückung und des Hasses … Wir brauchen keine neuen Anführer, wir brauchen jemanden, der bereit ist zu kämpfen.“ Mit diesen dramatischen Worten kündigte Chelsea Manning Anfang des Jahres in einem Videoclip einen neuen Abschnitt in ihrem Leben an: den Start in eine politische Karriere. Die neben Edward Snowden wohl bekannteste Whistleblowerin der amerikanischen Geschichte meint es ernst. Nur acht Monate nach ihrer Haftentlassung reichte sie im Januar ihre Kandidatur für die kommenden Senatswahlen ein. Knapp sieben Jahre ihres noch jungen Lebens hatte Manning zuvor in Militärgefängnissen verbracht, und hätte sie Barack Obama nicht drei Tage vor seiner Amtsübergabe noch begnadigt, würde sie wohl immer noch dort sitzen. Was auch immer man über Obamas Präsidentschaft denken mag, kurz vor Schluss hatte er auf jeden Fall noch etwas richtig gemacht. Offenbar wollte er das Schicksal von Chelsea Manning auf keinen Fall seinem Nachfolger Donald Trump überlassen. Dieser hatte Manning als Landesverräterin bezeichnet, die das Gefängnis „niemals hätte verlassen dürfen.“
Ihre Entscheidung, sich nun als Kandidatin für den US-Senat zu bewerben, zeigt, wie schnell Chelsea Manning wieder im zivilen Leben angekommen ist. Damit war nicht unbedingt zu rechnen, hatte sie doch eine der längsten und härtesten Haftstrafen hinter sich, die je wegen Geheimnisverrat von einem amerikanischen Militärgericht verhängt worden waren. Die ersten Monate davon verbrachte Manning unter extremen Bedingungen in Isolationshaft, die man durchaus als Folter bezeichnen kann. Auch danach war sie weitestgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt, ohne Zugang zum Internet und ohne Hoffnung auf Entlassung. In genau dieser Zeit wechselte sie dann auch noch ihre geschlechtliche Identität, denn bekanntermaßen hieß sie bei ihrer Verhaftung noch Bradley Manning. All das wäre für die meisten Menschen wohl genug, um sich erst einmal für ein paar Jahre zurückzuziehen und zu erholen. Chelsea Manning aber stellt sich jetzt erst recht der Öffentlichkeit. Um das zu verstehen, hilft es wahrscheinlich, an den Anfang der Geschichte von „Citizen Manning“ zurückzugehen.