Drogen-und-Macht-(01)

Zugeknallt an den Hebeln der Macht

Wie Süchtige das Weltgeschehen bestimmen

Schon seit grauer Vorzeit greift der Mensch zu bewusstseinserweiternden Substanzen. Häufig sind ausgerechnet Menschen in exponierter Position besonders anfällig dafür, zu diesen Hilfsmitteln zu greifen. Mächtige Staatenlenker in der Antike waren dagegen genauso wenig gefeit wie moderne Diktatoren, welche die Erde in einen Weltenbrand stürzten. Der folgende Artikel zeigt hiervon eine kleine Auswahl.

Schamanen der Vorzeit

Doch, wo beginnen? Und: Woher stammt quasi die Legitimation, dass Herrscher dem Rausch zusprechen dürfen?

Bereits in archaischen oder traditionellen Gesellschaften zeichnete sich ab, dass exponierte Personen des Stamms oder der Gesellschaft für Drogenkonsum zuständig und anfällig waren. Schamanen praktizierten den Drogenkonsum über die ganze damalige bewohnte Welt verteilt. Der Konsum bezog sich in erster Linie auf Halluzinogene, welche seinerzeit die entscheidende Rolle bei berauschenden Substanzen spielten. Dabei standen beim Drogenkonsum meistens nicht hedonistische Zwecke im Vordergrund, sondern religiöse und magische Aspekte. Im Sinne der bereits damals um sich greifenden Ausdifferenzierung von Gesellschaften (nach dem berühmten Soziologen Max Weber) oblag es dem Schamanen, sich selbst durch den Drogenkonsum in einen Zustand der Ekstase zu versetzen. Um von der Alltagswelt in die spirituelle Welt zu gelangen waren aber zudem umfangreiche zusätzliche physische und psychische Vorbereitungen nötig. Heute würde man wohl von einer optimalen Vorbereitung des Sets und Settings sprechen.

Die Schamanen benutzten ihre Ekstasen in erster Linie zur Realisierung von Divinationen, Opferungen, Heilungen, Diagnosen sowie dem Heraufbeschwören erwünschter Zustände wie Herbeiführung von Jagderfolg und Eintreten von Regen. Funktional gesehen hatten die Schamanen somit die Aufgabe, die jeweilige Gesellschaftsform zu stabilisieren und kulturelle Identität zu stiften. Schamanen waren Experten, denn nicht jedem war es vergönnt, durch Drogenkonsum in andere spirituelle Welten vorzudringen, sondern es bestand die ausdrückliche Gefahr eines Absturzes. Das individuelle Risiko einer solchen Verirrung wurde vor allem dadurch gemindert, diese Reisen den Experten zu überlassen. Dazu passt, dass die Einnahme von Halluzinogenen nicht selten durch Mythen und Sagen unterstützt wurde, die darlegten, wie die Droge entstand, wie die Menschen den Umgang mit ihr erlernten und wie dadurch mit den Göttern kommuniziert werden konnte. Nicht selten verband sich diese religiöse Dimension mit atavistischen Aspekten, d.h. die Vorzeit galt als ein goldener Urzustand und durch die Transzendenz des Rauschs wurde in Kontakt mit den Ahnen getreten. Die Aufgabe des Schamanen als exponiertem Mitglied der archaischen Gesellschaft bestand insbesondere in seiner mehr oder weniger professionellen Vermittlung zwischen der Alltagswelt und der Welt der Götter und Geister, denn er wusste um die Kartographierung der Seelenreise. Dadurch lieferte er den praktischen Beweis, dass die bestehende Ordnung ihre Richtigkeit hatte – im Gegensatz zu heute besaß also dieser gesellschaftlich akzeptierte und sogar noch geförderte Genuss von Drogen eindeutig systemstabilisierende Wirkungen. Die pharmakologische Ekstase-Technik umfasste also zu diesem Zeitpunkt eine bedeutende psycho-physische Dimension, die letztlich für den Zusammenhalt der einfach geprägten Stammeskulturen essentiell war.