Wenige Reiche und reichlich Arme

Wenige Reiche und reichlich Arme

In der Debatte über die Schere zwischen Reich und Arm gibt es in Deutschland immer wieder geradezu aberwitzige Argumente. Eines lautet regelmäßig, dass über 50 % der Einkommensteuer von den obersten 10 % der Bevölkerung erbracht wird. Unglaublich, oder? Während die unteren 50 % der Bevölkerung nur 6,5 % der Einkommensteuer einbringen. Der Wahnsinn! Ein Hammer! Ich bin erschüttert. Das ist den meisten ja gar nicht bewusst. Was für ein Gefälle! Dagegen ist die Eiger-Nordwand ja geradezu eine Horizontale.

Wobei ich voranschicken muss, dass ich von Wirtschaftsdingen ja eigentlich gar keine Ahnung hab. Alles, was ich über das Wirtschaftsleben weiß, hab ich von meinem Großvater gelernt. Der war früher noch Bergmann in Gelsenkirchen und hat da unter Tage gearbeitet. Oder mit anderen Worten: Der wusste noch, wie man an Kohle kommt. Und am Abend in der Kneipe hat er immer seine Zeche bezahlt. Er wusste also außerdem, wie man eine Wirtschaft ohne Schulden hinterlässt. Und mein Großvater hatte mir damals zwei Dinge beigebracht:

1.) Man soll das Fell des Bären nicht verkaufen, bevor man ihn erlegt hat.

2.) Bäume wachsen nicht in den Himmel.

Auf gut Deutsch: Mit Einnahmen kalkulieren, die noch nicht auf dem Konto sind, funktioniert nur, wenn man Wachstum für unendlich hält. Und damit wäre unsere derzeitige Wirtschaftspolitik auch präzise auf den Punkt gebracht. Oder anders formuliert: Endlos wachsen kann man nur im Winter sein Snowboard.

Und selbst das macht keiner.

Sollte also noch jemand von Wirtschaft keine Ahnung haben, dann sind wir ja jetzt immerhin schon zwei. Man kann auch sagen, dass wir, wirtschaftlich betrachtet, zu den Idioten gehören. Was uns aber nicht allzu sehr beunruhigen sollte. Denn wir machen ungefähr 99 % der Menschheit aus. Der Umkehrschluss bedeutet übrigens, dass der Anteil der Menschen, die sich mit der Wirtschaft auskennt, lediglich 1 % beträgt. Und das sind die Fachidioten. Die wiederum haben zwar Ahnung, aber nichts zu sagen. Denn die Entscheidungen treffen die Unwissenden. Was uns schon eher beunruhigen sollte. Denn das sind die Vollidioten.

Und aus Kreisen dieser Vollidioten hört man dann regelmäßig den Satz, dass über 50 % der Einkommensteuer von den obersten 10 % der Bevölkerung erbracht wird.

Weswegen diese obersten 10 % auch immer wieder darauf hinweisen und differenzieren, wer den Karren in Deutschland eigentlich zieht. Und dafür sollten wir anderen 90 % ihnen dankbar sein, unseren oberen 10 %. Dankbar! Dankbar! Dankbar! Schluchz!