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Kratom – Ethnobotanik, Anwendung und Kultur

Die Blätter des Kratombaums (Mitragyna speciosa) blicken in Südostasien auf eine lange Geschichte als Heilmittel sowie als Genussdroge zurück. Besonders interessant ist das paradoxe Wirkverhalten, das dosisabhängig sowohl stimulierende, euphorisierende, belebende, aber auch sedierende Eigenschaften umfassen kann. Um mehr über dieses spannende Gewächs in Erfahrung zu bringen, habe ich mich mit Dirk Netter unterhalten, dem Autoren des Buches Kratom – Ethnobotanik, Anwendung, Kultur.

Wie bist du auf Kratom aufmerksam geworden und was ist für dich das Besondere an dieser Pflanze?

Als Kratom um das Jahr 2007 im europäischen Ethnobotanik-Handel verfügbar wurde, habe ich es im Sortiment eines niederländischen Händlers entdeckt und mich sogleich dafür interessiert – insbesondere wegen der Wirkungsbeschreibung. Für mich ist es faszinierend, dass eine Pflanze, die im entsprechenden Klima so einfach zu kultivieren ist, noch nicht früher im Westen bekannt wurde. Kratom ist meines Erachtens bekömmlicher als Kaffee – was die aktivierende Wirkung betrifft – und zeigt sich nicht schädlicher als dieser, wenn es maßvoll konsumiert wird. Als Genuss- oder Nahrungsergänzungsmittel steigert Kratom das Wohlbefinden, ohne den Antrieb zu rauben – wie ich finde, eine sehr schöne Mischung.

Sei so nett und erzähle bitte etwas über die Geschichte von Kratom. Wie lange werden die Blätter schon eingesetzt, und vor allem wofür?

Der Name „Kratom“ lässt sich vermutlich aus dem Sanskrit-Wort „Kadamb“ ableiten – das eigentlich dessen „Schwesterpflanze“ Mitragyna parvifolia bezeichnet, die jedoch ähnliche Eigenschaften aufweist. Diese erste schriftliche Erwähnung findet man im Bhagavatapurana, einem vedischen Text, dessen Entstehung im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung datiert ist. Die tatsächliche Verwendung reicht jedoch vermutlich noch viel weiter zurück – die Urbevölkerung des malaiischen Raumes ist der Meinung, Kratom wurde konsumiert, seit es dort Menschen gibt. Die Recherche in Thailand gestaltet sich dahingehend relativ schwer, es gibt wenige Aufzeichnungen und es finden sich kaum verlässliche Informationen – sicherlich auch aus politischen Gründen. Auch Claudia Müller-Ebeling und Christian Rätsch, zwei Koryphäen auf dem Gebiet der Ethnobotanik, berichten beispielsweise davon, dass Kratom in thailändischen botanischen Gärten die einzige unbeschriftete Pflanze sein soll.

Wo genau kommt der Kratombaum eigentlich her und welcher Familie wird er zugeordnet?

Heimisch ist der Kratombaum ursprünglich im phytogeografischen Gebiet Malesien, sprich im südostasiatischen Gebiet um Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea, den Philippinen und Thailand. Die kulturelle Bedeutung von Kratom konnte bisher jedoch nur in Thailand und Malaysia nachgewiesen werden. Hauptexporteur für den westlichen Konsum ist jedoch Indonesien, wo Kratom beispielsweise in der Provinz West-Kalimantan auf der Insel Borneo im großen Stil angebaut wird. Der immergrüne tropische Baum gehört zur Pflanzenfamilie der Rötegewächse. Die Gattung Mitragyna besteht im Übrigen neben dem Kratombaum aus neun weiteren Arten, die in Asien und Afrika heimisch sind und teilweise ebenfalls traditionell verschiedenartig genutzt werden.