In der letzten Ausgabe wurde bereits dargestellt, wie allein durch die geopolitischen Interessen von europäischen Kolonialstaaten der internationale Drogenhandel entstand und wie sich infolge mit den USA und China erstmals zwei große Staaten für ein internationales Drogenverbot einsetzten, nachdem alle Versuche gescheitert waren, die inzwischen weltweit verbreitete Opium-Sucht einzudämmen. Man versuchte ihr mit neu entwickelten Mitteln wie Morphium, Kokain und Heroin zu begegnen, erschuf damit aber nur viele weitere Abhängigkeiten. 1914 wurden fast alle Drogen in den USA verboten, wodurch ein riesiger Schwarzmarkt entstand. Die Nachfrage blieb bestehen und ermöglichte den rasanten Aufstieg international agierender krimineller Organisationen, um die es in diesem zweiten Teil gehen wird.
Ernesto Zedillo, der ehemalige Präsident Mexikos, erklärte einmal ganz sachlich in einem Interview: „Wenn der Staat sagt: ‚Ich verbiete dir, dieses Produkt zu kaufen und zu verkaufen‘, dann entsteht – wie wir wissen – ein illegaler Schwarzmarkt. Und wer verstößt gewohnheitsmäßig gegen das Gesetz? Kriminelle.“
Das hätte man auch Anfang des 20. Jahrhunderts ahnen können, als das Drogenverbot in den USA dazu führte, dass sich die organisierte Kriminalität nun auch mit der Herstellung und dem Verkauf von Heroin zu beschäftigen begann. Denn da gab es eine unverändert hohe Nachfrage, die hohe Gewinne für all jene versprach, die in der Lage waren, sie zu decken.
Auf den fruchtbaren Böden des mexikanischen Bundesstaates Sinaloa bauten die Bauern schon seit Jahrzehnten Schlafmohn für die US-amerikanische Pharmaindustrie an, als Anfang der 20er Jahre (also vor ziemlich genau 100 Jahren) bei vielen Bauern verstärkt neue, regionale Abnehmer auftauchten, die gut und zum Großteil auch besser zahlten, als die Amerikaner.
Der erste große Boss des illegalen mexikanischen Drogenhandels war eine Frau: Ignacia Jasso la Viuda de González, kurz „La Nacha“ genannt. Auch sie kaufte regelmäßig Rohopium in Sinaloa und ließ es in der Grenzstadt Ciudad Juarez von ihren Chemikern in getarnten Laboren zu bräunlichem Heroin (von mäßiger Qualität) weiterverarbeiten. Die Gründe für die Standortwahl erläuterte der mexikanische Historiker Froylan Enciso so: „Ciudad Juarez geht unmittelbar in El Paso auf der texanischen Seite der Grenze über. Es ist also ein idealer Ort für legalen und illegalen Grenzverkehr. Daher findet man hier alles: Waffen, Geld, Drogen und was immer man sich sonst noch vorstellen kann, fließt durch Ciudad Juarez.”