Ja, das ist schnell mal gesagt, wenn man im Internet einkauft. Doch im Netz wird man überhäuft von verfügbaren Seedbanks und deren Angebot von Cannabis-Sorten. Das hatte mich als Grow-Anfänger bei der Auswahl rasch überfordert. Mal ganz ehrlich: Wie soll man da als Frischling auch den Überblick bekommen? Im Folgenden gehe ich darauf ein, welche Aspekte es beim Kauf von Cannabissamen zu beachten gibt und zeige mögliche Herangehensweisen auf, um die passenden Samen zu finden, sodass man auch „einfach bestellen“ kann.
Seit rund 150 Jahren wurzelt der Kapitalismus nun auf europäischem Boden und ist zu dem heutigen dicken Baum herangewachsen, dessen Äste unsere komplette Gesellschaft und Wirtschaft trägt – und ohne den unser System kollabieren würde. Auf einem dieser unabdingbaren Äste hockt auch eine kleine, (zumindest in Deutschland immer noch) illegale, aber nicht unbedeutende Maus, deren Leben voll und ganz von der Existenz des Kapitalismus-Baumes abhängt: Die Cannabis(samen)industrie.
Ursprünglich (etwa Mitte des 19. Jahrhunderts) mit dem Ziel, durch Gewinnmaximierung Unternehmen zu expandieren, Arbeitsplätze zu schaffen und somit für das Wohlergehen der Gesellschaft zu sorgen, ist man mittlerweile in eine bittere Ausbeutungsrealität abgedriftet. Das Resultat: Es gibt eine unglaublich große Vielfalt an zum Verkauf stehenden Produkten, bei der niemand mehr durchblickt. Der Drang von Exklusivität und Vielfalt hat auch in der Cannabisindustrie zu endloser Unübersichtlichkeit geführt.
In diesem Artikel möchte ich etwas Klarheit schaffen, was den Samenkauf angeht und Euch helfen, die Samen zu finden, die Euren Wünschen entsprechen.
Ich gehe natürlich von der Situation in Deutschland aus und nehme an, dass Ihr nicht den Händler Eures Vertrauens um Beratung fragen könnt und dann mit den passenden Samen aus dem Laden spaziert, so wie man das z.B. von Mobiltelefonen kennt, sondern ihr Euch durch das Wirrwarr im Internet kämpfen müsst, um dann online zu bestellen.
Schritt 1: Orientierung und Absicht
Bevor ich mich aktiv auf die Suche nach geeigneten Samen begebe, werde ich mir zuallererst meiner Ziele bewusst und gehe der Frage nach, warum ich Cannabis ziehen möchte:
– Ist es mir wichtig, dass ich am Ende des Grows möglichst viel Ertrag habe, da ich diesen dann verkaufe (was hoffentlich nicht die Motivation ist)?
– Lege ich vielleicht Wert darauf, dass die Pflanzen besonders groß wachsen oder will ich aufgrund meiner eingeschränkten Möglichkeiten eher kleine und unauffällige Pflanzen?
– Wenn ich schon Erfahrung mit Cannabis habe, welchen Effekt möchte ich später beim Konsum spüren? Soll es mehr schmerzlindernd und beruhigend oder eher belebend und kreativ-anregend wirken? Soll der Ertrag später konkret einem medizinischen Zweck dienen?
– Stelle ich einfach nur Tee bzw. ätherisches Öl oder Stoffe aus der Biomasse der Pflanzen her?
– Möchte ich eventuell sogar einfach nur experimentieren, ohne größere Hintergedanken zu haben?
– Auch den Umfang des Grows sollte man vor dem Kauf überlegen: Wo will ich growen? Wie viel Platz steht mir zur Verfügung? Wie viel Zeit will ich aufwenden? Soll es nur ein temporäres Projekt oder ein ganzjähriges Vorhaben sein? Und wie sieht mein Budget überhaupt aus?
Diese Rahmenbedingungen helfen – ungefähr so wie ein Skript bei einem Referat – ungemein weiter, die passenden Samen zu finden. Es hilft mir wirklich, aufzuschreiben, welche Kriterien ich mir selbst setze. Damit habe ich einen ersten, dünnen roten Faden, der mir später beim Kauf hilft, nicht den Überblick über meine Ausgangspunkte zu verlieren und dann lasse ich mich nicht so leicht von dem großen Angebot verwirren.
Von diesem präorientierten Standpunkt ausgehend, kann ich meine eigentliche Suche dann in den Tiefen des Internets fortsetzen.
Schritt 2: Schwerpunkte festlegen
Nachdem ich mir einen ungefähren Plan gemacht habe, ist es an der Zeit, Prioritäten festzulegen. Ich setze mich also an meinen Laptop und öffne den Internetbrowser. Dann gibt es zwei Arten, wie ich vorgehe:
A. Ich besuche Homepages von Cannabis-Samenhändlern, lasse mich von deren Angebot inspirieren und insofern zu den passenden Samen leiten, als dass ich mir deren Sortiment ansehe und in der Beschreibung zu den einzelnen Sorten nachlese, ob deren Eigenschaften meinen Anforderungen entsprechen. So suche ich mir dann die Samen heraus, die am nächsten an meiner Vorstellung liegen.
B. Ich habe mir in der Vergangenheit schon einige bestimmte Sorten ausgeguckt oder mir Empfehlungen von Freunden eingeholt und rufe sie direkt in verschiedenen Tabs auf. So kann ich sie vergleichen und erkennen, welche meinen Wünschen gerecht werden und welche nicht.
Bei beiden Methoden achte ich auf folgende Kriterien und behalte die in Schritt 1 festgelegten Rahmenbedingungen stets im Blick.
Ich schaue also:
– Wie viel Gramm Ertrag haben die Pflanzen laut Händler?
– Wie setzt sich deren Genetik zusammen? (Anteile von Sativa, Indica, Ruderalis)
Danach weiß ich – zum einen, wie üppig die Pflanzen werden und
– zum anderen, wie groß die Pflanzen in etwa sein werden.
Indica sind meist kompakt und haben kleinere Blätter, Sativa breiten sich meist viel mehr aus und weisen größere Blätter auf. Bei Hybriden kann das je nach Zusammensetzung abweichen. Ruderalis kommt nur bei selbstblühenden Sorten vor (Siehe D).
Allgemein gilt: Je mehr Sativa, desto größer, je mehr Indica, desto kleiner, Ruderalis bedeutet in diesem Fall auch klein, da die Pflanzen nicht viel Zeit haben, groß zu werden.
C. Möchte ich weibliche (Synonym = feminisierte), reguläre oder gemischte Samen?
– Habe ich genügend Geld und will potentes Gras, kaufe ich definitiv weibliche Samen, sodass ich auf der sicheren Seite bin.
– Will ich einfach nur heilende und gesunde Produkte für die Körperpflege oder zum Verzehr herstellen, dann reichen mir reguläre Cannabissamen, wo ich für weniger Geld quantitativ viel mehr Samen bekomme, also letztlich mehr Biomasse zum Verarbeiten habe. In diesem Fall ist ungewiss, ob die Samen sich später als männlich oder weiblich entpuppen.
– Bin ich ein Cannabis-liebender Biologiestudent und experimentiere gern mit der Paarung von Arten innerhalb einer Gattung (das ist ein sehr spezifisches Beispiel, aber Ihr versteht die Pointe), dann kommen entweder reguläre Samenpakete infrage, bei denen ich nicht weiß, ob und wie viele männliche oder weibliche Samen enthalten sind oder ich nehme zusätzlich weibliche Samenpakete dazu, um sicherzugehen, auch feminisierte Samen dabei zu haben (die ja für die Fortpflanzung essenziell sind). Diese Variante nenne ich frei heraus „Das Samenpaket gemischter Art“.
D. Wie lange ist die genetisch vorprogrammierte Growzeit der jeweiligen Sorte?
Hier gibt es
– Autofloweringsamen, die meist innerhalb von ca. zwei Monaten erntereif und von dem natürlichen Sonnenzyklus unabhängig sind. Das hat mit der Genetik zu tun: Wenn Ruderalis – was von Natur aus eine sehr schnell blühende Cannabisart ist – in einem Samen enthalten ist, kann man davon ausgehen, dass eine automatische Blüte-Einleitung vorliegt.
– ganz gewöhnliche Samen, die je nach Sorte und zeitlichem Growbeginn oft zwischen fünf und acht Monate bis zur Ernte benötigen. Falls Ihr schonmal den Begriff AutoFem gelesen habt, hier nochmal die Erklärung: ‚Auto‘ kommt vom Wort Autoflowering und ‚Fem‘ ist die Kurzform von feminisiert. Die Abkürzung AutoFem sagt also aus, dass eine Sorte genetisch modifiziert schnell blühend und feminisiert ist.
E. Wie hoch ist der THC- oder CBD-Gehalt? Dies mache ich, um Wirkung und Intensität einschätzen zu können. Hierbei ist entscheidend:
– Je höher der THC-Gehalt, desto weniger Ernte brauche ich, um eine vergleichsweise starke Wirkung zu erleben und desto mehr Reserve habe ich, falls ich nicht angemessen fermentiere und mir deswegen Potenz entweicht. Ein THC-Gehalt von 20-25 % ist sehr hoch und für Beginner eine sehr hohe Dosis. In den 60er und 70er Jahren lag der Durchschnitt schätzungsweise bei etwa 10 %.
– Je höher der CBD-Anteil, desto ruhiger wird der Trip und desto betäubender bzw. schläfriger die Wirkung. Wenn ich einen schmerzlindernden und entspannenden Effekt haben möchte, setze ich mehr auf CBD, während wenn ich einen eher kreativen oder psychedelischen Effekt erleben will, ich eher auf die erhöhte THC-Zugabe setze.
F. Ist die Sorte für den Indoor- bzw. den Outdoor-Grow besser oder für beides gleichermaßen gut geeignet?
G. Welche Marke bevorzuge ich?
Hier hängt es vom Vertrauen ab, welche Samenbank ich wähle, denn nicht jede Samenbank hat jede Sorte im Sortiment. Wenn ich also einer Samenbank nicht traue und ich die Sorte mit genau den gewünschten Spezifikationen nicht woanders finde, dann kann das auch ein Ausschlusskriterium sein. In einen namhaften Händler mit Image, das es zu verlieren gibt, kann ich eben mehr Vertrauen setzen, dass die Samen in geeigneter Verpackung zeitnah ankommen, als in unbekannte Kleinhändler.
Ich betone aber immer gern, dass ich noch keine negativen Erfahrungen mit dieser Thematik hatte und bestellte Samen bei mir immer diskret ankamen, auch von unbekannteren Firmen. Einmal kam es bei mir sogar zu einer Verzögerung durch Vergessen meiner Bestellung bei einer sehr großen und bekannten Samenbank. Ja – ich musste erst nochmal nachfragen, um den Bestellvorgang in die Gänge zu leiten (was dann zu meiner Zufriedenheit mit extra Gratissamen entschädigt wurde).
Trotzdem ist es schwierig, in Deutschland gegen das Ausbleiben einer Cannabis-Samenbestellung per Anwalt vorzugehen, weswegen die Authentizität einer Samenbank nie schadet, bevor man auf seinen Kosten sitzen bleibt, ohne Ware zu erhalten.
Anschließend sortiere ich die Punkte A bis G nach Wichtigkeit und Priorität, um die grobe Auswahl nach Werten zu rangieren. Die Sorte, deren Spezifikationen am höchsten mit meinen priorisierten Anforderungen übereinstimmt, kommt auf Platz 1, die mit der unwichtigsten und am wenigsten übereinstimmenden Beschreibung auf den letzten Platz oder direkt in den Papierkorb.
Schritt 3: Genauere Recherche
Habe ich dann eine grobe Auswahl getroffen, schaue ich noch einmal in die Sorten, die mir von den Anbietern vorgeschlagen werden und wahrscheinlich ähnliche Spezifikationen aufweisen, suche mir eventuell noch den ein oder anderen Samen aus und ergänze ihn in meiner Auswahl.
Steht meine grobe Auswahl nun fest, so betreibe ich genauere Recherche, um zu filtern und zu meiner engeren Auswahl zu gelangen. Dazu nehme ich mir Kommentare und Erfahrungsberichte in Schrift und Ton von verschiedenen Growern auf diversen themenspezifischen Plattformen und auf YouTube zur Hilfe, um mehr über die gesammelten Sorten herauszufinden. Eine der wichtigsten Seiten für mich ist dabei „SeedFinder.eu“. Diese Seite bietet eine genauere Erklärung über die genetische Zusammensetzung, Herkunft und Geschichte, sowie Effekt bzw. Wirkung von satten 3.821 Strains. Manche Strains sind doppelt aufgeführt, da sie von unterschiedlichen Herstellern gelistet wurden, doch trotzdem sind auf der Seite viele und detailreiche Beschreibungen zu etlichen Cannabissorten vorhanden, die oft wesentlich vielsagender als die auf den Homepages der Händler vorzufindenden Aussagen sind und diese dazu entsprechend neutraler und kritischer beäugt. Auch das Hanfburgforum hilft mir bei manchen Entscheidungen, sowie das Forum Grower.ch.
Und nicht zuletzt stöbere ich natürlich auch in der breiten Literatur der THCENE, ziehe mir die guten alten THCENE-Magazine zu Rate oder suche auf der Homepage (www.thcene.com) nach geeigneten Sortenportraits. So mache ich mir ein genaueres Bild über die Sorten und entscheide, welche meiner engeren Auswahl würdig sind oder dann eben doch ausscheiden.
Innerhalb meiner engeren Auswahl gilt es dann nur noch, zu priorisieren (Punkte A-G) und durch Bewertungen zu gewichten, welche Samen es in die finale Auswahl und in den Warenkorb schaffen.
Schritt 4: Wie viele Samen?
Und wenn ich nun an dem Punkt angelangt bin, dass ich mir die geeigneten Samen der gewünschten Marke anhand der obigen Kriterien ausgesucht habe und bevor ich den finalen Mausklick „jetzt kaufen“ betätige, muss ich nur noch entscheiden, wie viele Samen ich bestelle.
Hier habe ich meistens die Qual der Wahl: Soll ich besser weniger Samen bestellen, da ich sowieso keine Kapazität für mehr als drei Stück habe – oder soll ich mir besser gleich das größere Paket mit dem Mengenrabatt holen und schon für nächstes Jahr einkaufen? Bei mir persönlich endet es meistens mit dem kleineren Paket – oft auch sogar nur mit einem einzelnen Samen, da ich weiß, wie neugierig ich auf neue Samen anderer Cannabissorten bin und jedes Jahr am liebsten 50 neue Sorten ziehen würde.
Nachdem Ihr Euch die Anzahl der Samen ausgesucht und bezahlt habt, habt Ihr erfolgreich „einfach bestellt“! Und selbst wenn die Auswahl nicht einfach fällt und etwas Zeit beansprucht, ist das voll in Ordnung. Bereuen werdet Ihr es nicht, wenn Ihr erst einmal den Samen in die Erde gesetzt und ihm Leben eingehaucht habt.