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Frankreich zwischen Protest und Chaos

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – so lautete einst die Losung der französischen Revolution, mit der sich die Nation noch heute schmückt. Die Wirklichkeit dahinter aber bröckelt schon lange. In diesem Jahr haben Streiks und gewaltsame Proteste auf den Straßen des Landes ein neues Level erreicht. Zerbricht die französische Gesellschaft bald an ihren sozialen Spannungen? Und wie viel davon färbt auf Deutschland und den Rest Europas ab?

Mehr als 300 Jahre ist es jetzt her, dass das französische Volk die Monarchie gewaltsam abschaffte. Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 gilt als wichtigstes Ereignis der französischen Revolution. Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit lautet seitdem das Motto, für das sich das Land noch immer jedes Jahr am 14. Juli mit Militärparaden und jeder Menge Feuerwerk feiert. Ein blutiger Volksaufstand als Geburtsstunde des modernen Frankreichs – das erscheint mittlerweile eher wie eine historische Ironie. Denn es war ein Volksaufstand ganz anderer Art, der dazu führte, dass die offiziellen Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag 2023 beinahe komplett abgesagt worden wären. „Gefeiert“ wurde stattdessen auf den Straßen mit brennenden Autos und Plünderungen.

Protestkultur und Streiks haben in Frankreich zwar eine lange Tradition, die Unruhen im Sommer dieses Jahres hatten aber eine neue Größe und Stufe der Gewalt erreicht. Frankreich brannte teilweise ganz wortwörtlich, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Feuer wieder auflodern.

Die Spannungen begannen bereits Anfang 2023, wenn auch aus anderen Gründen. Im Januar kam es auf den Straßen Frankreichs zu Massenprotesten, die sich gegen die geplante Rentenreform der Regierung Macron richtete. Bis zu 1,5 Millionen Menschen beteiligten sich an diesen Demonstrationen und Streiks, die Teile des Landes wochenlang lahmlegten. Das Thema Rentenreform ist in Frankreich zwar schon seit den 90er Jahren umstritten, so viel Widerstand wie in diesem Jahr gab es aber noch nie. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind (Umfragen zufolge) gegen die Reform, umgesetzt wird sie aber wohl trotzdem.