Ein-Jahr-Trump-(02)

Der Zwitscher-Präsident – ein Jahr mit Donald Trump

In seinem ersten Amtsjahr hat Donald Trump die Stange im politischen Niveau-Limbo eindeutig tiefer gelegt. Langweilig wird es mit ihm wohl auch in Zukunft nicht werden. Immerhin hat er noch keinen Atomkrieg ausgelöst. Noch nicht.

Ich war nicht ganz sicher, wie ich diesen Text beginnen soll. Am geeignetsten schien mir schließlich ein Zitat des amtierenden US-Präsidenten zu sein. Wo findet man die meisten Trump-Zitate? Auf Twitter natürlich. Dort kann man fast im Minutentakt nachlesen, was Trump so alles über protestierende Footballspieler, über Meryl Streep oder die aktuelle Tagespolitik denkt. Am 11. November 2017 zwitscherte @realDonaldTrump zu Beispiel: „Why would Kim Jong-un insult me by calling me old, when I would NEVER call him short and fat? Oh well, I try so hard to be his friend – and maybe someday that will happen!“ Er dachte also laut darüber nach, warum der nordkoreanische Diktator eigentlich so gemein zu ihm ist. Und wie so oft fragte ich mich beim Lesen, ob er das ernst meint und ob das wirklich der US-Präsident selbst ist, der da so ungefiltert durch die Gegend twittert und nicht vielleicht irgendein Sechsjähriger, der sich auf einer Tour im Oval Office von seinen Eltern losgerissen und sich das Smartphone des Präsidenten geschnappt hat. Aber worüber wundere ich mich bei Trump eigentlich noch? Er hat das Weiße Haus längst in eine Muppet Show verwandelt. Das ist unglaublich unterhaltsam und zugleich erschreckend – also eigentlich genau so, wie wir es von seiner Präsidentschaft erwartet hatten, oder?

Es ist jetzt fast genau ein Jahr her, dass ich meinen ersten Beitrag über Donald Trump für dieses Magazin verfasst hatte. Die Überraschung über seinen Wahlsieg war noch sehr frisch und die Ungewissheit groß. Damals stellte ich drei mögliche, etwas überspitzte Szenarien für seine Präsidentschaft in Aussicht: Erstens: Trump als „exzentrischer Pragmatiker“, der trotz seines bizarren Auftretens sein Wahlkampfgetöse bald zugunsten einer sachlicheren Realpolitik aufgeben würde. Zweitens: Die „Trumpocalypse“ – Präsident Trump würde auf größtmöglichen Konfrontationskurs gehen und dabei sowohl den inneren Frieden seines Landes als letztlich auch den Weltfrieden gefährden. Das dritte Szenario lautete schließlich „Amtsenthebung und Bürgerkrieg“ – Trump würde aufgrund schwerwiegender Fehler seines Amtes enthoben werden, seine Nachfolger (die vermutlich schon lange darauf spekulieren) wären aber noch schlimmer und würden die USA politisch endgültig spalten. Nun, ein Jahr später, scheint es eine wilde Mischung aus allen drei Szenarien geworden zu sein.

Auf jeden Fall war es Trump offensichtlich ernst mit seinen vollmundigen Ankündigungen aus dem Wahlkampf 2016. Das war kein Bluff, nein, das hatte er alles ganz genau so gemeint: Die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform, den Bau einer neuen Grenzmauer zu Mexiko, den Ausstieg aus sämtlichen internationalen Verträgen, den Handelskrieg mit China, etc. – und das möglichst alles innerhalb eines Monats! Zwar hatte Trump keine Ahnung, wie er das tatsächlich umsetzen sollte – er dürfte wohl der unqualifizierteste US-Präsident der Geschichte sein – aber er hat es versucht. Sein offizielles Leitmotiv dabei lautete „America First!“ Das inoffizielle Motiv schien aber eher zu sein, so viele Projekte seines Vorgängers wie möglich rückgängig zu machen und sich dabei selbst in ein gutes Licht zu stellen.

Trump liebt die großen Gesten. In den ersten Wochen seiner Amtszeit ließ er sich vor allem dabei zusehen, wie er jede Menge Beschlüsse und Gesetzesvorlagen unterzeichnete, um diese dann stolz in die Kamera zu halten. So hatte er sich seine Rolle als Präsident vorgestellt: Im Blitztempo Gesetze machen, Hände schütteln – ja, das ist Donald, der große Mogul und Macher, der in Washington endlich mal richtig aufräumt! In der Realität erwies sich das Regieren für ihn dann aber doch etwas komplizierter als die Leitung einer Immobilienfirma oder die Aufzeichnung einer Fernsehshow. Wer hätte das gedacht!? Die meisten seiner so kamerafreundlich präsentierten Beschlüsse scheiterten ziemlich schnell an der Zustimmung des US-Kongresses, und das obwohl die Republikaner dort noch immer die Mehrheit halten. Trumps zentrale Wahlkampf-Versprechen liegen daher nach mehreren Anläufen erst einmal auf Eis. „Obamacare“ ist weiterhin in Kraft und die Grenzmauer zu Mexiko will niemand finanzieren, erst recht nicht die Mexikaner selbst. Das Einreiseverbot für bestimmte muslimische Länder – wohlgemerkt nur für jene, mit denen Trump selbst keine wirtschaftlichen Beziehungen pflegt – wurde mehrfach von Verfassungsrichtern für ungesetzlich erklärt, inzwischen soll es aber zumindest teilweise in Kraft treten können. Der Sinn eines solchen Einreiseverbotes ist mehr als zweifelhaft, vor allem vor dem Hintergrund der andauernden Waffengewalt in den USA. Die größte Bedrohung geht für Amerikaner wohl nicht vom islamistischen Terror aus, sondern immer noch von ihren eigenen Landsleuten.

Die ersten Monate liefen also alles andere als rosig für Donald. Zum Ende des Jahres konnte er aber einen ersten politischen Erfolg für sich verbuchen. Die geplante Steuerreform der Republikaner wurde nach langen Verhandlungen durch den US-Kongress bestätigt. Es ist wohl bezeichnend für den hektischen und aktionistischen Stil der Trump-Administration, dass die Dokumente dafür noch bis zur letzten Minute, teilweise handschriftlich, geändert wurden. Für Trump ist die Steuerreform ein „historisches Vorhaben“, das den Wohlstand mehren und alle Amerikaner „sehr, sehr glücklich“ machen werde. Erst einmal dürfen sich aber die Großverdiener, allen voran Donald Trump selbst, glücklich schätzen, denn durch seine Reform werden sie steuerlich massiv entlastet.

Auf dem diplomatischen Parkett hat sich Trump – wie nicht anders zu erwarten – als größtmöglicher Elefant im Porzellanladen erwiesen. Er hat die Stange im politischen Niveau-Limbo eindeutig tiefer gelegt und lässt selbst halb-demente Ex-Präsidenten wie Ronald Reagan oder George W. Bush rückblickend wie große Staatsmänner erscheinen. So ist seine bisher größte Leistung, wenn man es denn so nennen will, wohl der Image-Schaden, den die USA durch sein öffentliches Auftreten erlitten haben. Präsident Trump präsentierte sich eitel, überfordert, peinlich, konfrontativ, launisch und widersprüchlich – eine Mischung aus Rambo und Realsatiriker. „Klimaabkommen? Weg damit! Handelsverträge? Schauen wir mal, ein wenig nachbehandeln kann ja nicht schaden. China? Amerikas größter Blutsauger! Vielleicht aber auch ein toller Handelspartner, wer weiß, was die Zukunft bringt! Ist sowieso alles Obamas Schuld, die Chinesen können nichts dafür, die sind eigentlich gar nicht so übel. Die NATO? Viel zu teuer! VERY BAD! Vielleicht aber auch notwendig, wer kann das schon wissen? Nordkorea? Diese Irren werden wir mit Feuer, Wut und Macht überziehen. Na warte! Kim Jong-un könnte aber auch mal etwas netter zu mir sein! Neonazis und Polizeigewalt? Nicht schön, nein, nein! SAD! Aber es gibt schließlich Gewalt auf allen Seiten. Hollywood? Kann mich mal! Russland? Ach hör mir auf! Putin hat mir persönlich versichert, dass er nichts mit der Sache zu tun hat … FAKE NEWS!“ So in etwa klingt @realDonaldTrump im O-Ton.

Oft wurde befürchtet, dass er durch seine „spezielle“ Art der Kommunikation leichtfertig eine internationale Krise provozieren könnte. Immerhin hängt auch der Ausgang des Nordkorea-Konflikts, den beide Seiten mit maximal großer Klappe führen (Trump nannte Kim Jong-un einen “Rocket Man“, der ihn wiederum „geisteskrank“) vom Verhalten des US-Präsidenten ab. Einen Atomkrieg hat Trump zumindest noch nicht ausgelöst. Noch nicht. Man kann nur hoffen, dass er bei diesem Thema halbwegs besonnene Berater um sich hat. Und weil das alles offenbar noch nicht genug Zündstoff für internationale Konflikte liefert, kündigte Trump an, künftig die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen und somit die umstrittene Stadt offiziell als israelische Hauptstadt anzuerkennen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: nicht nur US-Flaggen brennen mal wieder, der Nahost-Konflikt wird ohne erkennbaren Grund aufgeheizt und ein neuer Krieg in der Region wird wahrscheinlicher.

Kommen wir zu Trumps Personal. In keiner anderen US-Administration hat es je ein solch chaotisches Posten-Karussell gegeben wie unter Donald Trump. Und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Für einen Präsidenten, der die Schaffung von Millionen neuer Jobs versprach, hat Trump bereits ziemlich viele Leute entlassen. Das ist auf eine Art eigentlich auch konsequent, lautete der bekannteste Spruch aus seiner alten TV-Show „The Apprentice“ doch „You’re fired!“. Heuern und Feuern, so lautet auch Trumps Devise als Chef des Weißen Hauses. Allein in den ersten sechs Monaten wurden ein gutes Dutzend zentraler Personalien ausgetauscht. Einige nahmen freiwillig ihren Hut, andere wurden von Trump direkt entlassen, weil sie ihm persönlich in die Quere kamen, wie zum Beispiel die Staatsanwältin und zeitweilige Justizministerin Sally Yates oder FBI-Chef James Comey, der mitten in den Ermittlungen zur Russland-Affäre gehen musste. Die Umstände, unter denen sein ultrarechter Chefberater Steve Bannon seinen Hut nahm, sind bis heute nicht ganz so klar. Allerdings ist man in Washington und in Trumps eigenem Umfeld über dessen Abgang nicht wirklich betrübt. Die einzigen, die offenbar keine Entlassung fürchten muss, ist  Trumps Tochter Ivanka – wahrscheinlich ist sie auch die einzige, der er vertraut.

Die bunte Truppe von Trumps Kommunikationsberatern und Pressesprechern ist eine eigene Erwähnung wert. Figuren wie Kellyanne Conway (die Erfinderin der „alternativen Fakten“) oder Anthony „The Mooch“ Scaramucci (ganze zehn Tage im Amt) kann man sich nicht ausdenken. Der Pressesprecher Sean Spicer wurde legendär für seinen aggressiven Umgang mit den Reportern und dessen Nachfolgerin Sarah Huckabee Sanders übertrumpft ihn darin sogar noch. Pressesprecher für Donald Trump zu sein – das ist wohl der undankbarste Job der Welt. Wo doch bekannt ist, dass der Präsident den Großteil der etablierten Medien als „Fake News“ bezeichnet und nur per Fox News oder über Twitter mit der Außenwelt kommuniziert.

Und wie sieht es nun mit einer möglichen Amtsenthebung aus? Ein greifbarer Grund dafür wäre das Ergebnis der sogenannten Russlandaffäre, in der gegen Trumps ehemalige Wahlkampfhelfer und auch gegen seinen Schwiegersohn Jared Kushner ermittelt wird. Die zentrale Frage dabei ist, ob es eine russische Einmischung in den Wahlkampf 2016 zugunsten Donald Trumps gab. Über russische Hacker haben wir in den Medien ja nun einiges gehört, wirklich bewiesen wurde davon bisher noch nichts. Insofern darf man zurecht skeptisch sein, ob Putin und seine ominösen Hacker nun tatsächlich in irgendeiner Weise die US-Wahlen manipuliert haben. Dass Trump und sein Team Verbindungen nach Russland pflegen, scheint aber ziemlich sicher zu sein – es fragt sich nur, welcher Art diese Verbindungen sind. Parkt Trump eventuell Schwarzgelder in der russischen Wirtschaft? Aufgrund seiner auch sonst fragwürdigen Geschäftsgebaren (sein mehrfacher Bankrott, die Weigerung, seine Steuererunterlagen zu veröffentlichen etc.) könnte ihn so etwas durchaus in Schwierigkeiten bringen. Ob es ausreicht, ihn selbst auch juristisch zu belangen, wird sich zeigen. Im Zuge des Harvey-Weinstein-Skandals und all den anderen prominenten Fällen wird Trump außerdem aktuell wieder von mehreren Frauen wegen sexueller Belästigung verklagt. Allein aus diesem Grund fordern viele seinen Rücktritt.

Wird Trump das überleben? In der Zwischenzeit stapft er erst einmal weiter in jedes sich ihm bietende Fettnäpfchen und testet seine Grenzen aus. Fazit: Das erste Jahr mit Präsident Trump war vor allem laut, verstörend und hektisch. Und es verging natürlich kein Tag ohne Donald Trump in den Nachrichten. Langweilig wird es mit ihm wohl auch im zweiten Jahr seiner Amtszeit nicht werden. Es sei denn, Twitter geht demnächst Pleite.