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Cannabinoide, Flavonoide und Terpene

Über viele Jahre hinweg wurde davon ausgegangen, dass die psychoaktiven und therapeutischen Wirkeffekte des Hanfes überwiegend auf den enthaltenen Cannabinoiden basieren – allem voran auf THC und CBD. Heute weiß man jedoch, dass sich die Pharmakodynamik von Cannabis um ein Vielfaches komplexer gestaltet, als es bis vor einiger Zeit noch angenommen wurde. Denn nicht nur die vielen unterschiedlichen Cannabinoide sind wirksamkeitsbestimmend, sondern auch die im Hanf vorkommenden Flavonoide und Terpene, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der Cannabis-Wirkung in erster Linie um das Resultat eines synergistischen Wechselspiels der soeben genannten und im Folgenden vorgestellten Wirkstoffe handelt.

Cannabinoide

Unter der Sammelbezeichnung Cannabinoide werden alle Stoffe subsumiert, die ihre Wirkung über eine Anbindung an den Cannabinoid-Rezeptoren entfalten – insgesamt wurden bis dato über 100 solcher Substanzen in der Hanfpflanze nachgewiesen. Besonders interessant ist das inzwischen bestätigte Faktum, dass Cannabinoide nicht bloß im Hanf vorkommen – so, wie es selbst in wissenschaftlichen Kreisen noch vielfach angenommen wird – sondern inzwischen auch in anderen Pflanzen (sowie in Pilzen und sogar in Bakterien) identifiziert werden konnten, beispielsweise in Linum usitatissimum (Cannabidiol), Rhododendron anthopogonoides (Cannabichromen), Helichrysum umbraculigerum (Cannabigerol) sowie in Moosarten der Gattung Radula (Perrottetinen).

Cannabichromen (CBC)

Diesem Cannabinoid wird eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung sowie eine wichtige Rolle bei Zellerneuerungsprozessen im Gehirn zugesprochen. Aussagekräftige Forschungen zu CBC fehlen jedoch, so dass über das medizinische Potenzial dieses Wirkstoffes bisweilen nur spekuliert werden kann.

Cannabidiol (CBD)

Quantitativ, also von der Menge her betrachtet, ist CBD das am zweithäufigsten in der Hanfpflanze vorkommende Cannabinoid und nicht selten der begehrteste Wirkstoff von Cannabis-Patienten, welche den Hanf nicht zu psychoaktiven Zwecken einsetzen möchten, sondern ausschließlich medizinisch, nämlich zur Linderung ihrer Krankheitssymptomatiken. Kein Wunder, erstreckt sich doch das therapeutische Wirkpotenzial von CBD das als nicht-psychoaktiver Wirkstoff aller Wahrscheinlichkeit nach das Wirkverhalten von THC reguliert – nachweislich über entzündungshemmende, krampflösende sowie über schmerzlindernde Effekte. Daher scheint eine CBD-Behandlung besonders bei Arthritis, Entzündungskrankheiten, Epilepsie, Krampfleiden, Migräne, Schmerzen sowie bei Spasmen eine sinnvolle therapeutische Maßnahme zu sein. Zudem ist anzunehmen, dass CBD über bestimmte Eigenschaften, die krebslindernd wirken, verfügt. Medizinische Forschungen über CBD laufen deshalb derzeit auf Hochtouren.

Cannabidiolicacid (CBDA)

CBDA, auf deutsch Cannabidiolsäure (CBDS), ist die Säure-Form von Cannabidiol (CBD) und wird aus jungen Hanfpflanzen während der Vegetationsperiode gewonnen, also noch bevor die Pflanzen blühen. Derzeit wird angenommen, dass CBDA krebslindernd wirkt, Übelkeit reduziert und aufgrund seines antibiotischen sowie anti-viralen Wirkverhaltens besonders bei Krankheiten wie Herpes oder Tripper sinnvoll eingesetzt werden kann. Da jedoch die medizinische Forschung zu CBDA noch in den Kinderschuhen steckt, ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren wesentlich mehr Informationen bezüglich der medizinischen Anwendungsmöglichkeiten von CBDA vorliegen werden.

Cannabigerol (CBG)

CBG hat antibakterielle sowie – aufgrund seiner Wirkung als GABA-Hemmer – mild entspannende Wirkeigenschaften; allerdings ist es in den meisten Sorten nur in sehr niedriger Konzentration enthalten. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass sowohl das psychoaktive THC als auch CBD aus Cannabigerol hervorgehen, was bedeuten würde, dass CBG das „Ausgangsmaterial“ für THC und CBD bildet, wodurch diesem Cannabinoid wiederum eine enorm wichtige Funktion zukommt.

Cannabinol (CBN)

CBN entsteht beim Abbau von THC durch Oxidation und ist in frischen Hanfpflanzen ausschließlich in sehr niedriger Konzentration enthalten. CBN wirkt als Analgetikum und ist außerdem dafür bekannt, dass es Angst mindert und den Augeninnendruck reduziert. Es ist diesbezüglich allerdings nicht so stark wirksam wie THC.

Tetrahydrocannabinol (THC)

THC ist nicht nur das bekannteste, sondern auch das im Hanf am häufigsten vorkommende Cannabinoid, welches von zahlreichen Cannabis-Sympathisanten für seine psychoaktiven Wirkeigenschaften geschätzt wird. Dieses Cannabinoid trägt maßgeblich dazu bei, dass sich beim Konsumenten in Folge des Cannabis-Genusses ein „beflügelter“, euphorischer und wohliger Gemütszustand einstellt, was pharmakodynamisch unter anderem dadurch begründet werden kann, dass THC Gehirnregionen stimuliert, welche wiederum für die Freisetzung des endogenen Neurotransmitters Dopamin zuständig sind. Daneben lindert THC nachweislich aber auch Entzündungskrankheiten und Schmerzen.

Tetrahydrocannabinolicacid (THCA)

Genau wie CBDA die Säure-Form von CBD ist, ist THCA die Säure-Form von THC. Das Cannabinoid kommt im frischen Pflanzenmaterial vor und wird dann in THC umgewandelt, sobald es erhitzt wird, was beim Rauchen, Vaporisieren oder beim Backen ganz automatisch erfolgt. Möchte sich der Hanffreund aber einen kaltangesetzten alkoholischen Auszug bereiten, also eine Tinktur, dann ist es wichtig, dass die getrockneten Blüten im Vorfeld bei 120 bis 130°C im Backofen kurz erhitzt werden, damit sich das psychoaktiv unwirksame, aber dafür entzündungshemmend wirkende THCA in das begehrte THC decarboxyliert.

Tetrahydrocannabivarin (THCV)

THCV – ein Cannabinoid über das bis dato nur wenige Informationen vorliegen – wird derzeit als Therapeutikum zur Behandlung von metabolischen Störungen und Adipositas unter- sucht. Letzteres deshalb, weil THCV über eine appetitzügelnde Wirkung verfügt. Außerdem wird angenommen, dass THCV die psychoaktive Wirkung des THC abschwächt, was allerdings nicht als negativ bewertet werden sollte. Denn ohne THCV wäre möglicherweise die Rauschwirkung des THC – und folglich auch jene des Cannabis – viel zu stark, um Hanfprodukte als milde Genuss- und Entspannungsmittel sinnvoll einsetzen zu können.
Weitere, eher unbekannte Cannabinoide, deren Vorstellung den Rahmen dieses Artikels um ein Vielfaches gesprengt hätte, sind zum Beispiel Cannabicitrat (CBT), Cannabicyclol (CBL) und Cannabielsoin (CBE).

Flavonoide

Flavonoide, wie zum Beispiel die Anthocyane, Kampferöl, Luteolin oder Quercetin, beeinflussen nicht nur das einzigartige Aroma, den Geschmack und teilweise auch die Farbe der harzhaltigen Hanfblüten, sondern sie modulieren zudem die Wirkung von THC und zeigen darüber hinaus auch pharmakologische Effekte. Insgesamt wurden bisweilen 21 Flavonoide in der Hanfpflanze nachgewiesen. Davon werden jene Flavonoide, die ausschließlich im Hanf vorkommen, als sogenannte Cannaflavine bezeichnet. Das bekannteste „Hanf- Flavonoid“ wird Cannaflavin A genannt und ist ein ausgezeichnetes Therapeutikum zur Behandlung von Entzündungskrankheiten. Cannaflavin A hemmt das sogenannte Entzün-
dungsmolekül Prostaglandin E2 (kurz: PGE2) nämlich um ein vielfaches effektiver, als es herkömmliche Arzneimittel (z.B. Aspirin) zu leisten vermögen.

Terpene

Terpene sind in erster Linie als aromatische und flüchtige Pflanzenmoleküle sowie als wichtige Bestandteile ätherischer Öle bekannt – die aber auch von Tieren sowie im Körper des Menschen produziert werden. Ihre primäre Funktion liegt darin, zur Bestäubung nützliche Insekten anzulocken und schädliche Freßfeinde abzuschrecken. Abhängig von bestimmten Faktoren – beispielsweise Bodenbeschaffenheit, Klima oder Reifegrad – verläuft die Entwicklung von Terpenen im Hanf (sowie anderen Pflanzen) sehr unterschiedlich und niemals einheitlich. Das interessante daran ist jedoch, dass Terpene nicht nur für das besondere und sortenabhängig auch äußerst vielfältige Aroma der gereiften Blütenstände verantwortlich sind, sondern darüber hinausgehend außerdem über ein psychoaktives und (aroma-)therapeutisch sehr wertvolles Wirkverhalten verfügen. Dieses reicht von angstlösend, sedierend, euphorisierend bis hin zu entzündungshemmend. Insgesamt wurden über 200 unterschiedliche Terpene – deren biochemischer Vorläufer übrigens das Molekül Isopentyl-Pyrophosphat (kurz: IPP) ist – in der Hanfpflanze identifiziert, so dass in der folgenden Vorstellung auf die wichtigsten davon eingegrenzt werden muss.

Borneol

Das Terpen Borneol verfügt über ein ähnliches Aroma wie Kampfer oder Menthol und kommt nicht nur im Hanf, sondern auch in anderen Spezies vor, beispielsweise in Alpinia officinarum (Galgant), Artemisia absinthium (Wermutkraut) und Cinnamomum spp. (Zimt). Das psychoaktive Wirkverhalten von Borneol beläuft sich auf sedierende und entspannende Effekte. Zahlreiche Cannabis-Sorten haben diesem Terpen ihr unvergleichliches Aroma zu verdanken, so zum Beispiel die berühmten Silver Haze-Strains.

Carene

Carene, die – abgesehen vom Hanf – unter anderem in Spezies der Gattungen Cedrus (Zeder), Pinus (Kiefer) sowie in Rosmarinus officanilis (Rosmarin) nachgewiesen wurden, verströmen einen süßlichen Duft und werden in der klassischen Aromatherapie dazu verwendet, um zum Beispiel gehäuftes Nasenbluten oder Menstruationsstörungen zu behandeln.

Caryophyllen

Ob dieses Terpen, welches über eine Anbindung an die CB2-Cannabinoidrezeptoren wirkt, auch psychoaktive Effekte induziert, ist bisweilen noch unbekannt. Fakt ist jedoch, dass Caryophyllen entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften hat und in höheren Dosierungen als Kalzium- sowie als Kaliumkanalblocker wirkt, was auch das medizinische Potenzial dieses Terpens begründet. Der Geruch von Caryophyllen ist süß, etwas holzig und außer im Hanf kommt es unter anderem in folgenden Pflanzenarten vor: Dianthus spp. (Nelken), Humulus lupulus (Hopfen), Lavandula angustifolia (Lavendel), Origanum vulgare (Oregano) und Piper nigrum (Schwarzer Pfeffer). Manchmal wird dieses Terpen auch als Aromastoff bei der Tabakherstellung verwendet. Eine Grassorte mit einem besonders hohen Caryophyllen-Gehalt ist zum Beispiel Nevilles Haze.

Eucalyptol

Das minzig-würzige Aroma einiger Kush-Sorten ist in erster Linie durch das Terpen Eucalyptol (1,8-Cineol) begründet, welches auf der psychoaktiven Ebene über ein mild-anregendes und geistklärendes Wirkverhalten verfügt. Auf der körperlichen Ebene zeigt dieses Terpen antibakterielle und hustenlindernde Effekte.

Limonen

Weed-Strains, die ein saures und fruchtiges, an Zitrone, Orange oder Grapefruit erinnerndes Aroma verströmen, enthalten höchstwahrscheinlich in höherer Konzentration Limonen, so zum Beispiel die Sorten Lemon Haze, Lemon Skunk oder OG-Kush. Die Psychoaktivität dieses Terpens beruht auf antidepressiven, euphorisierenden, geist-klärenden und konzentrationsfördernden Effekten, zumal Limonen für medizinische Zwecke unter anderem aufgrund seiner antibakteriellen, antikarzinogenen, antimykotischen und immunstärkenden Wirkung geeignet scheint, etwa zur Behandlung von Infektionen oder Magenrefluxstörungen. Synergistische, also sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkungen, zeigt Limonen in Kombination mit den Cannabinoiden CBC, CBG, CBDA, THCA sowie mit dem Terpen Linalool.

Linalool

Dieses Terpen ist beispielsweise besonders reichhaltig in den Sorten Amnesia Haze, L.A. Confidential und Lavender enthalten. Linalool verströmt ein angenehm fruchtiges Aroma, das an Zitrusfrüchte erinnert. Medizinische Indikationen, die – aufgrund des antidepressiven, euphorisierenden und leicht sedierenden Wirkverhaltens – in Betracht kommen, sind zum Beispiel Angststörungen und leichte Depressionen.
Linalool ist Bestandteil von einer Vielzahl ätherischer Öle; beispielsweise kommt es in Betula spp. (Birken), Lavandula angustifolia (Lavendel), Myristica fragrans (Muskat), Ocimum basilicum (Basilikum), Satureja spp. (Bohnenkräuter) und Zingiber officinale (Ingwer) vor.

Myrcen

Myrcen ist das im Hanf am häufigsten vorkommende Terpen. Es hat ein süß-fruchtiges Aroma, welches ein wenig an Mango, Minze und Zitrone erinnert, allerdings nicht immer einheitlich ausfällt. Häufig wird das Aroma auch als pflanzlich oder erdig beschrieben. Myrcen wirkt sowohl auf der physischen als auch auf der psychischen Ebene beruhigend und hat darüber hinaus antimikrobielle, antioxidative, entkrampfende, euphorisierende, keimtötende, schlaffördernde sowie schmerzlindernde Wirkeigenschaften. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Myrcen mit dem psychoaktiven THC eine synergistische Verbindung eingeht, was bedeutet, dass sich diese beiden Moleküle wechselseitig verstärken und positiv beeinflussen. Außer im Hanf ist Myrcen in hoher Konzentration in Humulus lupulus (Hopfen) enthalten, außerdem in Cymbopogon citratus (Zitronengras), Mangifera indica (Mango), Psidium guajava (Guave) sowie in Verbena officinalis (Eisenkraut). Ein Weed-Klassiker, der besonders reich an Myrcen ist, ist beispielsweise die Sorte White Widow.

Phytol

Phytol – ein Abbauprodukt zersetzten Chlorophylls – ist für sein Balsamico-Aroma sowie für seine Anwendung als untoxischer und gelber Lebensmittelfarbstoff bekannt. In der Medizin wird das Terpen zur Linderung von Juckreiz sowie als Wundheilmittel eingesetzt, ferner wirkt es aber auch als Immunsuppressivum. Inwieweit Phytol psychoaktive Effekte herbeiführt oder Synergien mit Cannabinoiden oder anderen Wirkstoffen eingeht, ist bisweilen noch unbekannt.

Pinen

Dieses Terpen, welches unter anderem dem Baumharz der Kiefer sowie zahlreichen Skunk-Hybriden ihr einzigartiges Aroma verleiht, wirkt antiasthmatisch, antibiotisch, antiseptisch, Bronchien-erweiternd und schleimlösend – deshalb auch die medizinische Verwendung von Pinen als Hustenmittel. Die Psychoaktivität dieses Terpens beläuft sich auf erinnerungs- und konzentrationsfördernde Effekte.

Terpineol

Das Aroma von Terpineol erinnert ein wenig an eine Kombination aus Zitrusfrüchten und Flieder. Außer im Hanf wurde dieses Terpen, dessen Wirkspektrum irgendwo zwischen stark entspannend und sedierend liegt, außerdem in Malus spp. (Apfel) und Citrus sinensis (Orange) entdeckt. Ob, und wenn ja inwieweit dieses Terpen für die berühmt-berüchtigte „couchdrückende“ Wirkung einiger Strains verantwortlich ist, konnte bis dato noch nicht hundertprozentig geklärt werden.

Sonstige Inhaltsstoffe der Hanfpflanze

Insgesamt wurden in der Hanfpflanze in den letzten Jahrzehnten über 600 unterschiedliche chemische Verbindungen identifiziert. Viele dieser Substanzen sind aber nur kaum pharmakologisch wirksam und auch in zahlreichen anderen Spezies enthalten, so zum Beispiel Aldehyde, Aminosäuren, Fettsäuren, Ketone, Proteine und Zucker. Von pharmakologischer Relevanz und somit wirksamkeitsbestimmend sind, wie gesagt, vor allem drei Pflanzenstoffgruppen: Cannabinoide, Flavonoide und Terpene.