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Kiffen in Zeiten der Pandemie

Mariusz ist 40 und lebt in Berlin. Er kifft seit er 14 ist. Im Interview erzählt er, wie die Einschränkungen während der Corona-Pandemie sein Leben und seinen Konsum beeinflusst haben, und was er von der kommenden Legalisierung erwartet.

Kannst du uns kurz aufzählen, welche Rauschmittel du konsumierst?

Ja, das ist ein guter Start in so ein Gespräch. Kann man ja ganz kurz sagen: Alkohol, Gras, Koks, Speed und Poppers – wenn Anlass. Ecstasy selten. Keine Pilze und kein Acid – aus Prinzip.

Welchen Stellenwert hatte Gras bisher in deinem Leben? Gab und gibt es da bestimmte Gewohnheiten und Rituale?

Ja, klar gibt es Rituale. Das sind zum einen meine Sessions mit den anderen Verstrahlten, die ihren festen Ablauf haben und etwa einmal im Monat stattfinden. Und dann gibt es daneben noch die Buffereien alleine, zum wirksamen Kontern der eigenen seelischen Dämonen, Ängste, Depressionen, Instabilitäten. Das hatte ich vor der Pandemie ganz gut im Griff, sowas kam einmal in ein, zwei Monaten, aber auch mal öfter vor. Stets mit ein paar Verdampferladungen zum sukzessiven Betäuben. Immer wenn es danach aussah, dass ich es nüchtern nicht mehr packen würde.

Du bist von deinem Arbeitgeber seit fast zwei Jahren ins Home-Office verbannt worden. Konsumierst du seitdem häufiger oder ist das ungefähr auf dem selben Level geblieben?

Viel mehr. Irgendwie muss ich ja die Zeit totschlagen. Ganz schlimm war der Lockdown-Winter 2020/2021. Ich war quasi jeden Tag dicht. In der Summe habe ich den Konsum von Gras locker verdreifacht. Ich krieg es im Moment immer noch schwer runtergeregelt und buffe an manchen Tagen schon vor dem Mittagessen, das ich komplett stoned koche. Der Tag ist dann halt hin, ich krieg nichts mehr auf die Reihe, chille, hänge rum. Netflix dudelt runter, ohne dass ich viel mitkriege,
irgendwann penn ich ein und wache um Mitternacht wieder auf. Lege nach. Penne dann wieder ein.

Inwiefern hat sich das denn auf deine Arbeit ausgewirkt? Du musst im Home-Office ja auch irgendwie funktionieren…

Ja, aber ich habe kein Talent fürs Home-Office, weil es die früher klar gesetzte Grenze zwischen Gammeln und Ackern eingerissen hat und dann halt das Gammeln bei mir gewinnt. Ich schmore wie unter Hausarrest in der Bude. Bin unrasiert. Hänge ewig im Bett rum. Dusche nicht mehr jeden Tag. Fahre die Kiste zu spät hoch. Komme deshalb zu spät in ein spontanes Online-Meeting, an dem ich in Unterhose, aber mit Hemd oben über dem Tisch teilnehme. Dann eine Flasche Weißwein mal schnell zum Mittagessen hintergekippt. Dann noch eine zweite hinterher, weil: Hey, is ja lecker! Anrufe vergurkt. Rückrufe vergurkt. Konzept zu spät abgegeben. Fristen gerissen. Ernsthafte Gespräche über sinnlose Zielvereinbarungen, bei denen ich versuche, nicht zu lachen. Die Projekte hängen in der Luft. Gecancelt. Verschoben. Standby. Keiner weiß, was wird. Wozu also Ziele? Es ist ein struktur- und zeitloses Leben, das ich nüchtern nicht ertrage. Und wann das aufhört, sagt keiner.