2022 könnte das Jahr werden, in dem der Konsum von Cannabis in Deutschland endlich legalisiert wird. Um sich darüber zu freuen, braucht man selbst gar kein Konsument zu sein. Es reicht die Einsicht in eine seit Jahrzehnten bestehende Faktenlage. Und die Erkenntnis, dass Bürgerrechte immer alle angehen – auch die, die scheinbar nicht direkt davon betroffen sind.
Als im Herbst 2021 unsere neue Bundesregierung gewählt wurde, war von einem politischen Neuanfang eher wenig zu spüren. Das Land schien mental gelähmt zu sein – von 16 Jahren Merkel und beinahe zwei Jahren Pandemie. Schaut man sich die Zusammensetzung der neuen Regierung an, besteht auch nicht wirklich Grund für Aufbruchstimmung. Alle drei Koalitionsparteien waren in den vergangenen Jahrzehnten bereits mit in der Regierungsverantwortung und alle drei haben in dieser Zeit regelmäßig ihre Wahlversprechen gebrochen. Wenn man sich in der Politik auf etwas verlassen kann, dann wohl darauf. Ausgetauscht wird jedes Mal lediglich das Personal. Im Fall des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz kann man außerdem (und ohne Übertreibung) davon ausgehen, dass von vielen hier das „kleinere Übel“ gewählt wurde, nachdem sich seine Mitbewerber im Wahlkampf in diversen Skandälchen aufgerieben hatten. Nein, Aufbruchsstimmung sieht anders aus.
Dennoch gibt es Anlass für Optimismus, denn es ist eben auch jene neue Ampel-Koalition, die nun den Konsum von Cannabis legalisieren will. Das scheint tatsächlich mehr zu sein als ein leeres Wahlkampfversprechen. Zumindest teilweise. Im Koalitionsvertrag ist das nämlich so formuliert: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“
Das heißt, es wird natürlich auch weiterhin eine Altersbeschränkung geben, dazu eine Lizenzbeschränkung, und wenn man den Begriff „Genusszweck“ richtig interpretiert, wohl auch eine Mengenbeschränkung. Aus Gründen des Jugendschutzes und den üblichen Bedenken.
Aber immerhin.
Immerhin.
Deutschland geht mit diesem Vorhaben einen überfälligen Schritt in Richtung einer liberaleren und ideologiefreien Drogenpolitik. Gesellschaftlicher Fortschritt kommt eben oft in Babyschritten angetappst. Es wäre wohl auch utopisch, auf einen sofortigen Wegfall sämtlicher Beschränkungen zu hoffen oder gar auf eine Freigabe aller Drogen. Man kann das Ganze auch als einen notwendigen Teil langfristiger politischer Prozesse ansehen. Man kann als Privatperson aber auch deutlich sagen: Ganz ehrlich, mir dauert das alles viel zu lange – und es geht mir nicht weit genug.